31.01.2020

Technologielabor für Quantentechnologie

Das neue Helmholtz Quantum Center am Forschungszentrum Jülich nimmt den Betrieb auf.

Am Forschungszentrum Jülich entsteht ein nationaler Forschungs­schwerpunkt für Quanten­computer. Mit dem Helmholtz Quantum Center (HQC) wird ein zentrales Technologie­labor etabliert, welches das gesamte Forschungs­spektrum für Quanten­computing abdeckt – von der Erforschung von Quanten­materialien bis zur Prototypen­entwicklung. Das von der Helmholtz-Gemeinschaft mit knapp 50 Millionen Euro finanzierte Projekt startet im Januar 2020.
 

Abb.: Ein Blick ins Innere des europäischen Quanten­computers OpenSuperQ am...
Abb.: Ein Blick ins Innere des europäischen Quanten­computers OpenSuperQ am Jülicher Peter Grünberg Institut. (Bild: R.-U. Limbach / FZJ)

„Quantencomputing wird unsere Welt verändern – in Wissenschaft, Industrie, Wirtschaft und Alltag“, erklärt Sebastian Schmidt, Mitglied des Vorstandes des Forschungs­zentrums Jülich. „Es in der deutschen Wissenschaft und Industrie zu etablieren, ist eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre und erfordert ein enormes Ausmaß an Kooperation. Das Helmholtz Quantum Center wird die zentrale Infrastruktur der Helmholtz-Gemeinschaft sein, um den wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen beim Bau eines europäischen Quanten­computers zu begegnen."

Das Thema Quantentechnologien und Quanten­computing hat auch auf höchster Forschungs- und wirtschafts­politischer Ebene eine hohe Aufmerksamkeit. Auf Grund des erwarteten Einflusses auf alle Bereiche von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ist eine technologische Unabhängigkeit Europas zwingend notwendig. Zum einen ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Cyber­sicherheits­konzepte von morgen. Darüber hinaus hat vor allem der Bereich des Quanten­computings in letzter Zeit stark an Dynamik gewonnen und ist ein schnell wachsender Industriezweig. International wird massiv in Quanten­computing investiert, insbesondere in China und den USA – wissenschaftliche Exzellenz und Know-how stammen jedoch zu einem guten Teil aus europäischer Forschung.

Neben der zentralen Rolle in der nationalen Strategie bietet das Helmholtz Quantum Center insbesondere enorme Chancen, den Standort Nordrhein-Westfalen zu einem der wichtigsten Innovations­standorte für Quanten­technologie in Europa zu entwickeln. Das ist nicht allein für die Wissenschaft von Bedeutung, sondern besonders auch für die Wirtschaft und Industrie einer Region im Strukturwandel.

„Eine offene Forschungs­atmosphäre und die Vernetzung von allen Bereichen – Wissenschaft, Wirtschaft, Industrie – sind für uns außerordentlich wichtig“, erklärt Stefan Tautz. Der Direktor des Jülicher Peter Grünberg Instituts wird die Wissenschaftler während der Aufbauphase des HQC vertreten. „Die amerikanischen Tech-Konzerne sind derzeit die Vorreiter in der Forschung, sozusagen das Windows und iOS des Quantencomputing. Unser Ziel ist es, mit dem HQC eine Art Linux des Quantencomputing zu katalysieren.“
Das HQC wird verschiedene Arten von Qubits erforschen – von technologisch bereits weit entwickelten Systemen bis hin zu vielversprechenden neueren Konzepten. Jede Art von Qubit hat ihre eigenen Vor- und Nachteile – bisher ist nicht entschieden, welches Konzept sich am Ende langfristig durchsetzen wird.

So untersuchen Jülicher Wissenschaftler wie David DiVincenzo und Kristel Michielsen zusammen mit europäischen Partnern im Flagship-Projekt OpenSuperQ bereits supraleitende Qubits, die zum Bau eines europäischen Quantencomputers in Jülich zur Anwendung kommen werden. „Ein neues Team von Wissenschaftlern ist dabei, unser erstes Quanten­computer-Labor in Betrieb zu nehmen, das nun von unseren Partnern im europäischen OpenSuperQ-Quanten­flaggschiff-Projekt kleine Prototypen supraleitender Quanten­computer-Chips zum Testen erhält“, erklärt David DiVincenzo. „Wir beabsichtigen, in jeder Phase des Scale-up der Quanten­hardware einen Beitrag zu leisten.“

Eine alternative Plattform, atomare Qubits in optischen Fallen, wird für Quanten­simulation im Flagship-Projekt PASQUANS entwickelt, unter Teilnahme des Jülicher Theoretikers Tommaso Calarco: „Unsere wissenschaftlichen Partner in ganz Europa arbeiten an Experimenten zur gezielten Manipulation kalter Atome, um die Eigenschaften von komplexen Quantenmaterialien zu erforschen. Für einige solcher Frage­stellungen erwarten wir, die Rechenleistung existierender Computer bereits in den nächsten Jahren zu übertreffen.“

Auf solche Quantenprozessoren unterschiedlicher Art soll die zukünftige europäische Quanten­computing- und -simulations­infra­struktur aufgebaut werden, wobei Jülich eine wichtige Rolle spielen kann. Andere Arten von Qubits sind noch nicht so gut kontrollierbar oder sogar erst in einem frühen Stadium der Erforschung wie Halbleiter-Qubits. Darüber hinaus sollen neue Ideen – etwa Qubits basierend auf topologischen Isolatoren – getestet werden.

Das HQC bündelt sechs Forschungsfelder und sieben Technologiecluster, und verbindet so Grundlagen­forschung, Theorie und Entwicklung – von Quanten­materialien bis hin zu kompletten Quanten­computer­systemen. Forschung an Werkstoffen für Qubits wird verknüpft mit der Fertigung von Geräten und Systemen für Quantencomputer und dem Co-Design von Hard- und Software. JUNIQ, die im Oktober gestartete Jülicher Nutzer-Infrastruktur für Quanten­computing, wird das vereinheitlichte Portal zu den verschiedenen Quanten­computern sein – zugänglich über die Cloud für deutsche und europäische Nutzer.

Das Quantenzentrum wird in einem Neubau mit modernster Versuchs­ausrüstung auf dem Campus des Forschungs­zentrums untergebracht, mit direkter Anbindung an die Helmholtz Nano Facility, und eng mit den Instituten des Forschungszentrums verzahnt sein. Das neue Zentrum wird darüber hinaus zwei neue Institute für Quanten­kontrolle und Quanten­computer beherbergen, ebenso wie das JARA-Institut für Quantum Information, das innerhalb der Jülich Aachen Research Alliance eingerichtet wurde. Auch die Jülicher Labor­einrichtungen im Rahmen des europäischen „Quantum Flagship“ werden in dem neuen Gebäude ein Zuhause finden.

Das HQC wird regionalen Universitäten, nationalen und europäischen Partnern aus Wissenschaft und Industrie offen stehen, für Gemeinschafts­projekte in ausgewählten Forschungs­bereichen. Dafür werden Labor- und Büroräume für Gastwissenschaftler bereitgestellt, sowie spezielle Treffpunkte für den Austausch wissenschaftlicher Ideen vorgesehen. Das Helmholtz Quantum Center wird seine Arbeit Anfang 2020 aufnehmen und ab 2025 im Vollbetrieb sein.

FZJ / DE
 

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