26.08.2019

Teilchen auf die Sprünge helfen

Mehrere Karlsruher Beschleunigerprojekte erhalten Förderung durch das BMBF.

Teilchenbeschleuniger sind Schlüsselinstrumente der Forschung in Biologie, Medizin, Materialwissenschaft und Chemie. Sie ermöglichen tiefe Einblicke in den Aufbau der Materie. An der Accelerator Technology Platform (ATP) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) arbeiten Wissenschaftler multidisziplinär an der Weiterentwicklung der Beschleunigertechnologie. Sieben ihrer Projekte wurden – im Wettbewerb aller deutschen Universitäten – ausgewählt und erhalten rund drei Millionen Euro Förderung aus dem Rahmenprogramm „Erforschung von Universum und Materie – ErUM“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). 
 

Abb.: Elektro-optischer Kristall für das Erfassen der extrem kurzen...
Abb.: Elektro-optischer Kristall für das Erfassen der extrem kurzen Elektronen­impulse in modernen Teilchen­beschleunigern. (Bild: N. Hiller, KIT)

„Am KIT entwickeln wir mit Teams von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam innovative Technologien für die Teilchen­beschleuniger von morgen, von Strahlen­diagnose­systemen für höchste Datenraten bis hin zu speziellen Magneten aus Hoch­temperatur­supraleitern“, sagt der Vizepräsident des KIT für Forschung, Oliver Kraft. „Die Förderung dieser Arbeiten ist ein wirklich großartiger Erfolg für unsere Forscher.“ Rund 200 Experten aus Physik, Elektrotechnik, Informatik und des Chemie­ingenieur­wesens arbeiten im Forschungs­verbund ATP am KIT zusammen.

„Es macht die Einzigartigkeit des KIT aus, dass hier Fachleute so vieler Disziplinen in enger Zusammenarbeit Komponenten für Beschleuniger entwickeln“, sagt Anke-Susanne Müller, Leiterin des Instituts für Beschleuniger­physik und Technologie des KIT. Die Forscher arbeiten unter anderem an supraleitenden Magneten, welche die Teilchen im Beschleuniger führen und fokussieren, darunter auch an Spezialmagneten mit alternierender Magnet­feldrichtung. Diese Undulatoren erzeugen sehr eng gebündeltes, brillantes Licht. „Wir sind Instrumentenentwickler für die Spitzen­forschung. Durch das Verständnis grundlegender Prozesse schaffen wir neue Betriebsarten und innovative Kombinations­möglichkeiten in der Beschleuniger­technologie, damit Forscher unterschiedlichster Gebiete neue Erkenntnisse gewinnen“, so Müller.

Für diese Herausforderung stehen am KIT modernste Infrastrukturen und Testanlagen zur Verfügung. Dazu zählen die Beschleuniger KARA (Karlsruhe Research Accelerator) und FLUTE (Ferninfrarot Linac- und Test-Experiment), mit denen unter anderem Messmethoden für Terahertz-Strahlung erarbeitet werden, die von den Material- und Lebens­wissenschaften genutzt werden können. So wird zum Beispiel ein von den Forschern des KIT entwickeltes System mit elektro-optischem Kristall zum Detektieren der extrem kurzen Elektronenpulse in modernen Teilchen­beschleunigern eingesetzt. Ultrakurze Elektronenpakete mit Pulsdauern im Bereich von Femtosekunden lassen sich so erkennen und kontrollieren.

„Wir arbeiten an Technologien, die Unsichtbares sichtbar machen und es ermöglichen, darauf einzuwirken“, erklärt die Physikerin Müller. Sie betont: „Beschleuniger­technologie ist gesellschaftlich relevant.“ So ermöglicht Synchrotron­strahlung zerstörungsfreie Untersuchungen von biologischen Strukturen und Werkstoffen, Teilchenstrahlen kommen in der Tumortherapie zum Einsatz. Weitere Anwendungen sind die Röntgen-Tiefen­lithografie für die Fertigung von Mikrostrukturen, die Material­veredelung in der Schmuck- und Fahrzeug­industrie sowie die Sterilisation von Lebens­mitteln oder Medizin­produkten.

Geforscht wird am KIT auch an supraleitende Materialien für neue Kabel­technologien der künftigen Super­beschleuniger. Diese Materialien sind auch Basis für supra­leitende Erdkabel, die zu einer Schlüssel­komponente für die Stromversorgung werden können, zum Beispiel, um Strom von Windparks in Norddeutschland effizient Richtung Süden zu leiten. Auf dem Gebiet der Erforschung der Materie an Großgeräten arbeiten die Karlsruher Wissenschaftler unter anderem an neuartigen Technologien für Plasma­beschleuniger, die kompakter und energie­effizienter sein werden als derzeitige Beschleuniger.

An 13 internationalen Beschleunigerprojekten ist das KIT durch seine Arbeiten beteiligt. Auf dem Gebiet der Physik der kleinsten Teilchen forscht das KIT zu höchsten Strahl­intensitäten sowie zur Betriebssicherheit in Ringbeschleunigern beispielsweise für die nächste Ausbaustufe des weltweit größten Beschleunigers LHC am CERN in Genf. Auch neue Technologien für hoch­spezialisierte Magnete als Lichtquellen für die international leistungs­fähigsten Beschleuniger wie den European XFEL in Hamburg werden in Karlsruhe erforscht. Und für die BESSY VSR Synchrotron­strahlen­quelle in Berlin erproben Wissenschaftler des KIT, wie künstliche Intelligenz dazu beitragen kann, dass Beschleuniger ihre Parameter selbsttätig einstellen und anpassen.

Anke-Susanne Müller ist davon überzeugt, dass die Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Forschungs­standort Deutschland weiter stärkt. „In kaum einem Land gibt es eine so hohe Beschleuniger­dichte in Forschungs­institutionen und eine so gute Vernetzung wie in Deutschland“, sagt sie. „Das KIT leistet hier wichtige Beiträge.“

KIT / DE
 

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