12.06.2013

Teilchenbeschleuniger für den Hausgebrauch

Tabletop-Laser-Plasma-Beschleuniger erreichen die 2-GeV-Grenze und stoßen damit in neue Anwendungsbereiche vor.

Teilchenbeschleuniger gehören mittlerweile nicht nur mehr in der Physik, sondern auch in den Materialwissenschaften, der Biologie und der Medizin zu den unersetzlichen Werkzeugen. Im Energiebereich von einigen Gigaelektronenvolt eignen sie sich insbesondere, um kohärente Röntgenstrahlen zu erzeugen, mit denen sich molekulare Strukturen auflösen lassen. Die erreichbaren Feldstärken in herkömmlichen Beschleunigeranlagen nachen sie jedoch groß und entsprechend teuer. Wie Toshiki Tajima und John Dawson bereits 1979 vorgeschlagen hatten, können Laserpulse in dünnen Plasmen aber enorme Feldstärken hervorrufen. In diesen Wake Fields surfen die Elektronen quasi auf einer Plasmawelle und erfahren dabei Beschleunigungen bis zu einigen Gigavolt pro Zentimeter. Dies liegt mehrere tausend Mal über der Durchschlagspannung konventioneller Beschleuniger und ermöglicht dementsprechend miniaturisierte Anlagen.

Abb.: Schematischer Aufbau des Wakefield-Beschleunigers – von links tritt der Petawatt-Laserpuls in ein Heliumplasma. Die auf 2 GeV beschleunigten Elektronen werden durch ein Magnetfeld von den Betatron-Röntgenstrahlen und durch eine Aluminiumfolie vom Laserpuls getrennt. (Bild: Xiaoming Wang et al. / NPG)

Um solche Laser-Plasma-Beschleuniger zu realisieren, bedarf es starker Laserpulse. Sie müssen erstens in der Lage sein, im dünnen Plasma eine Elektronenblase zu erzeugen. Sowohl theoretische Modellierung als auch Experimente haben gezeigt, dass eine solche Blasenbildung notwendig ist, um gebündelte und annähernd monoenergetische Elektronenstrahlen zu erzeugen. Zweitens muss das Plasma hinreichend dünn sein. Nur dann kann der Laserpuls über mehrere Zentimeter kohärent im Plasma wirken, bevor Dephasierung und nachlassende Pumpleistung zuschlagen. Und drittens muss die Laserleistung einen kritischen Grenzwert übersteigen, denn nur dann kommt es zu relativistischer Selbstfokussierung und Selbstkompression, wenn der Laserpuls in das Plasma eintritt. Dieser nichtlineare Effekt erhöht die Intensität bis zu dem Punkt, an dem Elektronen durch Selbstinjektion eine Blase im Plasma bilden.

Bisherige Wake-Field-Beschleuniger erreichten mit Terawattlasern Elektronenenergien von rund 1 Gigaelektronenvolt, bei Plasmadichten oberhalb von 1018 Teilchen pro Kubikzentimeter. Dünnere Plasmen mit längeren Beschleunigungsstrecken sind ohne höhere Laserstärken aber nicht realisierbar, so dass die erreichbaren Elektronenenergien limitiert sind. Für Teilchendichten von einigen 1017 pro Kubikzentimeter liegen die erforderlichen Laserleistungen im Bereich von etwa einem Petawatt.

Wissenschaftler der University of Texas in Austin haben nun dank ihres leistungsstarken Lasers diese Grenze knacken können und 2 Gigaelektronenvolt erreicht. Der Texas Petawatt Laser liefert Pulse von 150 Femtosekunden Dauer bei einer Wellenlänge von 1,057 Mikrometern und Energien bis zu 150 Joule. Dieses Licht speisten die Forscher in die 1,5 Millimeter schmale Eingangsöffnung ihrer Apparatur ein, in der ein Nanobar-Vakuum herrschte. In der sieben Zentimeter langen Gaszelle befand sich ein zu 99,99 Prozent reines Heliumgas bei einigen Millibar, in dem die Wake-Field-Beschleunigung stattfand.

Die durch den Laserpuls beschleunigten Elektronen traten durch eine dünne Blende aus. Die Wissenschaftler trennten dann die Elektronen durch ein Dipolmagnetfeld von gut einem Tesla von den anderen Strahlen und bestimmten sein Energiespektrum mit phosphoreszierenden und Szintillatorschirmen. Den Laserpuls lenkten sie durch eine dünne Aluminiumfolie seitlich aus. Außerdem entstand durch die Elektronenbewegung in der Plasmablase Betatron-Röntgenstrahlung mit einem Peak bei 25 Kiloelektronenvolt. Sie entsteht analog zu Synchrotron-Undulator-Strahlung durch das transversale elektrostatische Potenzial in der Plasmablase. Dünne Wolframdrähte im Strahlgang dienten der Kalibrierung durch Triangulation der Röntgenschatten.

Im Elektronenspektrum zeichnete sich eine deutliche Spitze im hochenergetischen Bereich der Energieverteilung ab. Je nach gewählter Plasmadichte lag diese zwischen 1 und 2 Gigaelektronenvolt, wobei die Forscher das Maximum bei Teilchendichten von 4,8 × 1017 pro Kubikzentimeter erreichten. Sank die Dichte auf weniger als die Hälfte hiervon, verschwand die Betatron-Röntgenstrahlung praktisch vollständig. Quasi-monoenergetische Elektronenpeaks konnten die Forscher aber auch bei noch geringeren Dichten beobachten. Dies weist darauf hin, dass sich auch dann noch eine Plasmablase bildet.

Abb.: Verteilung der Elektronenenergien, gemessen mit einem phosphoreszierenden LANEX-Schirm (Bild: Xiaoming Wang et al. / NPG)

Die Selbstinjektion von Elektronen in die Plasmablase bei niedrigen Dichten ist jedoch theoretisch nicht gut verstanden. Sie macht das Design von Teilchenbeschleunigern sehr viel einfacher, indem sie einen externen Injektor überflüssig macht. Simulationen deuten zwar darauf hin, dass sich dieses Problem skalieren lässt. Diese Studien sind aber an idealisierte Geometrien gebunden. Real existierende Variationen machen die theoretische Bestimmung der nötigen kritischen Werte schwierig, denn die Details der Blasenbildung diktieren die Dynamik der Selbstinjektion und diese wiederum die Strahleigenschaften.

Die Forscher bestimmten deshalb über mehrere Dutzend Pulse die Strahlgeometrien exakt, um die Bildung der Plasmablasen möglichst gut rekonstruieren zu können. Nach ihrer Analyse benötigten die meisten Laserpulse die ersten zwei Drittel der Gaszelle, um durch Selbstfokussierung eine hinreichend hohe Intensität zu erreichen und die Elektroneninjektion in Gang zu setzen. Im letzten Drittel fand schließlich die Beschleunigung statt.

Nach den Berechnungen der Forscher könnten sie mit der ihnen zu Verfügung stehenden Laserleistung mit besserer Fokussierung Elektronenenergien von bis zu zehn Gigaelektronenvolt erreichen. Strukturbiologen dürften aufhorchen. Der Weg hin zur Serienreife für den Labortisch ist aber noch weit. Und Forscher, die mit einem derartigen Gerät arbeiten wollen, müssen ein wenig Geduld mitbringen. Der Laser in Austin schießt nur einmal pro Stunde.

Dirk Eidemüller

OD

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