24.06.2016

Testlabor für die Relativitätstheorie

Neues Instrument beobachtet Stern­bewegung im galak­tischen Zentrum.

Die allgemeine Relativitätstheorie mit dem schwarzen Loch im Zentrum der Milch­straße zu testen – ein Team euro­pä­ischer Astro­nomen ist dabei einen entschei­denden Schritt voran­ge­kommen. Zum ersten Mal haben die Forscher das neu instal­lierte Instrument Gravity zusammen mit dem Very Large Tele­scope VLT der Euro­pä­ischen Süd­stern­warte ESO verwendet, um einen Stern zu beob­achten, der das schwarze Loch mit einer Umlauf­zeit von 16 Jahren umkreist. Die Tests demon­strieren ein­drucks­voll die Empfind­lich­keit von Gravity, mit dem sich der Stern in nur wenigen Sekunden Belich­tungs­zeit nach­weisen lässt – ein neuer Rekord für die optische Inter­fero­metrie. Gravity macht damit den Weg frei, Einsteins Theorie in Aktion zu sehen, direkt um ein schwarzes Loch. Sowohl das Ziel­objekt als auch ein Referenz­stern in der Nähe zeigen keine Hinweise darauf, Teil eines Doppel­stern­systems zu sein. Das macht künftige Messungen weniger komplex. Damit kann Team in naher Zukunft äußerst präzise Positions­messungen des um­lau­fenden Sterns erhalten und damit über­prüfen, ob die Bewegung um das schwarze Loch den Gesetzen der allge­meinen Rela­ti­vitäts­theorie folgt - oder auch nicht. Die jetzigen Beob­achtungen zeigen, dass das galak­tische Zentrum wie erhofft ein ideales Labor für die Über­prüfung der Rela­ti­vitäts­theorie ist.

Abb.: Bild des galaktischen Zentrums. Der Stern IRS 16C wurde als Referenz­objekt benutzt, das eigent­liche Ziel­objekt war der Stern S2. Die Position des Zentrums, in dem sich ein (unsicht­bares) schwarzes Loch mit vier Millionen Sonnen­massen befindet, ist durch das rote Kreuz markiert. (Bild: MPE)

Im Sternbild Schütze, 25.000 Lichtjahre von unserem Sonnen­system entfernt , liegt das Zentrum der Milch­straße mit einem schwarzen Loch, das vier Millionen mal so viel Masse enthält wie die Sonne. Der Stern S2 zieht im Laufe von 16 Jahren eine winzige Ellipse um das schwarze Loch mit einer Größe von nur 0,2 Bogen­sekunden. Zwar konnten die Astronomen mit den bis­herigen Instru­menten die Um­lauf­bahn genau genug vermessen, um die Masse des schwarzen Lochs zu bestimmen. Um aber die all­ge­meine Rela­ti­vitäts­theorie zu testen, müssen sie viel genauer messen.

Gravity wurde in internationaler Zusammenarbeit speziell für diesen Zweck entwickelt. Das Instru­ment ist ein Inter­fero­meter und kombi­niert das Licht der vier 8-Meter-Tele­skope des VLT auf dem Gipfel des Berges Paranal in der chile­nischen Atacama-Wüste. Um die Empfind­lich­keit von Gravity in dichten und von Staub ver­hüllten Regionen wie dem galak­tischen Zentrum weiter zu verbessern, wird außerdem jedes der Tele­skope mit einer neuen adaptive Optik ausge­rüstet.

Abb.: Bei seinem Vorbeiflug am schwarzen Loch ist der Stern S2 nur 17 Licht­stunden ent­fernt und extremen rela­ti­vis­tischen Effekten aus­ge­setzt. (Bild: MPE)

Die interferometrische Kombination des von den Tele­skopen empfan­genen Lichts ergibt eine effektive Auf­lösung, die jener eines Tele­skops mit 130 Meter Durch­messer entspricht. Daraus ergibt sich eine Verbes­serung von einem Faktor 15 bei Auf­lösung und Präzi­sion gegen­über den 8-Meter-Tele­skopen. Das macht es möglich, Einsteins Theorie im galak­tischen Zentrum zu über­prüfen. Nachdem in den letzten zehn Jahren die ultra­präzise Maschine entwickelt und gebaut wurde, stand das Team nun vor zwei entschei­denden Fragen: Erreicht Gravity die erfor­der­liche Empfind­lich­keit für die Beob­achtung der schwachen Sterne um das galak­tische Zentrum? Und bietet das galak­tische Zentrum saubere „Test­teilchen“, um damit die vorher­ge­sagten Aus­wir­kungen der all­ge­meinen Rela­ti­vitäts­theorie zu messen?

„Es war ein großartiger Moment für das ganze Team, als sich das Licht des Sterns S2 zum ersten Mal über­lagerte“, sagt der leitende Wissen­schaftler für Gravity, Frank Eisen­hauer vom MPI für extra­terres­trische Physik. „Zuerst stabi­li­sierten wir aktiv die Inter­ferenz an einem hellen, nahe gelegenen Stern, und nur wenige Minuten später konnten wir tat­säch­lich die Inter­ferenz des schwachen Sterns S2 sehen." Auf den ersten Blick zeigen weder der Referenz­stern noch S2 helle und masse­reiche Begleiter, die die Beob­achtung und Analyse er­schweren würden. „Es sind also ideale Probe­körper“, so Eisen­hauer.


Es war nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern auch ein Wett­lauf gegen die Zeit: Die Gravity-Beob­achtungen waren dringend not­wendig, weil der Stern dem schwarzen Loch 2018 am nächsten kommt. Dann sind die gesuchten rela­ti­vis­tischen Effekte am stärksten. An diesem Punkt nähert sich der Stern dem schwarzen Loch auf eine Ent­fernung von nur 17 Licht­stunden und saust mit einer Geschwin­dig­keit von fast 8000 Kilo­metern pro Sekunde oder 2,5 Prozent der Licht­ge­schwin­dig­keit daran vorbei. Dabei wird die S2-Ellipse ihre Orien­tierung auf­grund der all­ge­meinen Rela­ti­vitäts­theorie ändern und sich in ihrer Ebene um etwa 0,2 Grad drehen. Dieser rela­ti­vis­tische Effekt ist um viele Größen­ord­nungen stärker als bei der Um­lauf­bahn des Planeten Merkur. Die nächste Gelegen­heit nach 2018, einen nahen Vorbei­flug von S2 um das schwarze Loch zu beob­achten, gibt es erst 2033.

MPE / RK

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