16.01.2015

Thermische Gezeiten verhindern gebundene Rotation

Lebensfreundlichere Bedingungen für erdgroße Planeten in engen Bahnen um Zwergsterne.

Je geringer die Masse und je niedrigerer die Temperatur eines Sterns ist, desto kleiner und enger ist seine lebensfreundliche Zone – der Bereich also, in dem auf der Oberfläche eines Planeten flüssiges Wasser existieren kann. Deshalb vermuteten Astronomen bislang, dass die meisten erdähnlichen Planeten in den habitablen Zonen von roten Zwergsternen eine gebundene Rotation zeigen. Die stets vom Zentralstern abgewandte Seite eines solchen Planeten könnte dann so sehr abkühlen, dass dort nicht nur das Wasser, sondern möglicherweise auch seine ganze Atmosphäre ausfrieren. Keine guten Aussichten also für die Entstehung und Entwicklung von Leben.

Abb.: Künstlerische Darstellung eines erdähnlichen Planeten auf einer engen Umlaufbahn um einen Zwergstern. (Bild: D. A. Aguilar, CfA)

Doch es gibt Hoffnung. Wie Jérémy Leconte von der University of Toronto und seine Kollegen zeigen, reicht bereits der Einfluss einer vergleichsweise dünnen Atmosphäre ähnlich der irdischen aus, um zu einer asynchronen Rotation des Planeten und damit zu einem lebensfreundlicheren Klima zu führen. Die Ursache dafür erleben wir tagtäglich auf der Erde: Die Temperatur auf der Oberfläche und der Luft oszilliert in Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung mit einer Periode von 24 Stunden. Das führt auch zu einer globalen täglichen Oszillation der Atmosphäre, der thermischen Tide. Bedingt durch die thermische Trägheit der Oberfläche und der Atmosphäre befindet sich der Gezeitenberg dieser Tide nicht exakt unter der Sonne, sondern er bleibt etwas dagegen zurück.

Diese Asymmetrie der Atmosphäre relativ zum subsolaren Punkt erlaubt der Schwerkraft der Sonne, ein kleines Drehmoment auf den Planeten auszuüben und so seine Rotation zu beeinflussen. Bei der Erde ist der Effekt vernachlässigbar. Aber bei der Venus mit ihrer sehr dichten Atmosphäre verhindern die thermischen Gezeiten eine gebundene Rotation und führen zu einer retrograden Drehung des Planeten. Eine simple Skalierung des Phänomens auf erdähnliche Planeten mit dünner Atmosphäre führt zwar zu dem Schluss, dass thermische Gezeiten dort keinen signifikanten Einfluss ausüben können. Leconte und seine Kollegen kommen nun jedoch mit einem realistischen Modell für das globale Klima und die thermische Tide zu einem anderen Ergebnis.

Ihr Modell sagt insgesamt vier Gleichgewichtszustände mit asynchroner Rotation voraus, von denen zwei langfristig stabil sind, sofern die Amplitude der thermischen Tide einen Grenzwert überschreitet. Wie das Team weiter zeigt, ist dies für erdähnliche Planeten mit einem Atmosphärendruck von einem Bar in der habitablen Zone um Sterne mit einer Masse von 0,5 bis 0,7 Sonnenmassen der Fall. Bei einem Druck von 10 Bar ist die Bedingung noch für Zwergsterne mit 0,3 Sonnenmassen erfüllt. „Unser Ergebnis zeigt also, dass ein signifikanter Anteil von Planeten in der habitablen Zone von massearmen Sternen durch thermische Gezeiten asynchron rotieren sollte“, fassen Leconte und seine Kollegen zusammen. Die Forscher weisen darauf hin, dass der Effekt natürlich nicht nur Planeten in der lebensfreundlichen Zone beeinflusst. „Beobachtungsmethoden, mit denen sich die Rotation von Exoplaneten bestimmen lassen, werden dadurch noch wertvoller“, so die Wissenschaftler, „sie können sogar dazu dienen, Informationen über die Atmosphären der Planeten zu erhalten.“

Rainer Kayser

RK

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