19.09.2023

Thermoelektrika aus Nickel-Gold-Legierungen

Auch Metalle taugen für die effiziente Umwandlung von Wärme in elektrische Energie.

Thermoelektrika ermöglichen die direkte Umwandlung von Wärme in elektrische Energie – und umgekehrt. Das macht sie interessant für eine Reihe technologischer Anwendungen. Auf der Suche nach thermoelektrischen Materialien mit möglichst guten Eigenschaften, untersuchte ein Forschungsteam der TU Wien diverse metallische Legierungen. Als besonders vielversprechend erwies sich eine Mischung aus Nickel und Gold.


Schematische Darstellung des thermoelektrischen Effekts in Nickel-Gold...
Abb.: Schematische Darstellung des thermoelektrischen Effekts in Nickel-Gold Legierungen.
Quelle: F. Garmroudi

Bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden Thermoelektrika zur Gewinnung elektrischer Energie in der Raumfahrt eingesetzt, aber auch in alltäglichen Geräten wie portablen Kühlschränken finden sie Einsatz. Sie könnten aber auch im industriellen Umfeld eingesetzt werden, um Abwärme in grünen Strom umzuwandeln, um nur eine der potenziellen Anwendungen zu nennen. Der thermoelektrische Effekt beruht auf der Bewegung geladener Teilchen, die von der warmen zur kälteren Seite eines Materials wandern. Dies führt zu einer elektrischen Spannung – der Thermospannung –, welche der thermisch angeregten Bewegung der Ladungsträger entgegenwirkt. 

Das Verhältnis aus der aufgebauten Thermospannung und der Temperaturdifferenz definiert den Seebeck-Koeffizient, benannt nach dem deutschen Physiker Thomas Johann Seebeck, welcher einen wichtigen Parameter für die thermoelektrische Leistungsfähigkeit eines Materials darstellt. Wichtig hierbei ist, dass es ein Ungleichgewicht zwischen positiven und negativen Ladungen gibt, da diese sich sonst gegenseitig kompensieren. „Obwohl Seebeck den thermoelektrischen Effekt vor mehr als 200 Jahren in herkömmlichen Metallen entdeckte, werden Metalle heutzutage kaum als thermoelektrische Materialien in Erwägung gezogen, da sie üblicherweise einen sehr geringen Seebeck-Koeffizienten aufweisen“, erklärt Fabian Garmroudi. Auf der einen Seite haben Metalle wie Kupfer, Silber oder Gold eine extrem hohe elektrische Leitfähigkeit, auf der anderen Seite ist ihr Seebeck-Koeffizient in den meisten Fällen verschwindend gering.

Physikern vom Institut für Festkörperphysik ist es nun gelungen, metallische Legierungen mit hoher Leitfähigkeit und einem außergewöhnlich großen Seebeck-Koeffizienten zu finden. Mischt man das magnetische Metall Nickel mit dem Edelmetall Gold, ändert das die elektronischen Eigenschaften radikal. Sobald der gelbliche Schimmer des Goldes unter Zugabe von etwa zehn Prozent Nickel verschwindet, steigt die thermoelektrische Performance rapide an. Der physikalische Hintergrund für den verstärkten Seebeck-Effekt liegt dabei im energieabhängigen Streuverhalten der Elektronen – ein Effekt grundlegend verschieden zu halbleitenden Thermoelektrika. Aufgrund der speziellen elektronischen Eigenschaften der Nickel-Atome werden positive Ladungen stärker gestreut als negative Ladungen, was das erwünschte Ungleichgewicht und somit auch eine hohe Thermospannung ergibt.

„Man stelle sich ein Wettrennen zwischen zwei Personen vor, wobei eine Person auf einer freien Laufbahn läuft, die andere Person jedoch vielen Hindernissen ausweichen muss. Selbstverständlich kommt die Person auf der freien Bahn schneller voran als ihr Widersacher, der viel öfter abbremsen und seine Richtung ändern muss“, vergleicht Andrej Pustogow den Fluss der Elektronen in metallischen Thermoelektrika. In den hier untersuchten Legierungen werden die positiven Ladungen stark an den Nickel-Elektronen gestreut, während sich die negativen Ladungen praktisch ungestört bewegen können.

Die Kombination aus extrem hoher elektrischer Leitfähigkeit und gleichzeitig hohem Seebeck-Koeffizient führt in Nickel-Gold Legierungen zu Rekordwerten des thermoelektrischen Leistungsfaktors, der die Werte herkömmlicher Halbleiter bei weitem übersteigt. „Bei gleicher Geometrie und fixem Temperaturgradienten könnte um ein Vielfaches mehr elektrische Leistung generiert werden als bei jedem anderen bekannten Material“, erklärt Fabian Garmroudi. Außerdem ermöglicht die hohe Leistungsdichte zukünftig alltägliche Anwendungen im großtechnischen Bereich. „Mit der jetzigen Performance könnten beispielsweise Smartwatches bereits autark mit der Körperwärme der Trägerinnen und Träger aufgeladen werden“, führt Andrej Pustogow als Beispiel an.

„Auch wenn Gold ein teures Element ist, stellt unsere Arbeit einen Proof of Concept dar. Wir konnten zeigen, dass nicht nur Halbleiter, sondern auch Metalle gute thermoelektrische Eigenschaften aufweisen können, die sie für diverse Anwendungen relevant machen. Metallische Legierungen haben insbesondere im Herstellungsprozess eines thermoelektrischen Generators diverse Vorteile gegenüber Halbleitern“, erklärt Michael Parzer. Dass die Forschenden experimentell zeigen konnten, dass Nickel-Gold-Legierungen sehr gute Thermoelektrika sind, ist kein Zufall. „Noch vor Beginn der experimentellen Arbeit berechneten wir mithilfe von theoretischen Modellen, welche Legierungen geeignet sind“, verrät Michael Parzer. Aktuell erforscht die Gruppe außerdem weitere, verheißungsvolle Kandidaten, die ohne das teure Element Gold auskommen.

TU Wien / JOL

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