Tiefgekühlt im Kreis herum
Erstes Experiment im ultrakalten Speicherring CSR des MPI für Kernphysik erfolgreich verlaufen.
Nach langjähriger Entwicklungs- und Bauzeit ist er nun einsatzbereit: Der Cryogenic Storage Ring CSR am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg ist ein weltweit einzigartiger elektrostatischer Speicherring für Ionen und für den Betrieb bei tiefsten Temperaturen optimiert. Mit ihm ist es nun möglich, die Chemie in interstellaren Wolken auf der Erde zu erforschen und grundlegende Einblicke in das Innenleben von Molekülen zu gewinnen. Physikern ist es mit dem neuartigen Speicherring erstmals gelungen, negativ geladene Moleküle, und zwar Hydroxidionen, bei wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt auf der Umlaufbahn halten und mit ihnen experimentieren.
Abb.: Der ultrakalte Speicherring CSR kurz vor dem Abkühlen. In einem großen äußeren Vakuumbehälter wird die tiefe Temperatur umlaufender Kühlleitungen durch Kupferbänder auf eine innere Vakuumkammer übertragen, die die umlaufenden Ionen umgibt. Dort erzeugen Elektroden die elektrostatischen Felder, die die Ionen auf der Umlaufbahn halten. Nach außen hin wird dieser Bereich durch mehrere Isolierschichten vor der Wärmestrahlung der Laborumgebung geschützt. (Bild: MPIK)
Fast drei Wochen dauerte es, bis der neue ultrakalte Speicherring auf zirka minus 265 °C abgekühlt war. Dabei sank der Druck ersten Abschätzungen zufolge auf unter 10-13 mbar. Bald darauf gelang es, positiv geladene Argonionen (Ar+) im Ring kreisen zu lassen. Diese Tests gaben grünes Licht für das erste Experiment: „Wir haben Hydroxidionen in unserer Ionenquelle präpariert, in den CSR eingeschossen und dort für mehr als zehn Minuten auf der Umlaufbahn gehalten – das ist an sich schon ein Erfolg“, erläutert Andreas Wolf, Experimentator und an der Entwicklung des CSR beteiligt. „Aber wir wollen natürlich wissen, ob sie auch wirklich auf Temperaturen wie im interstellaren Raum abgekühlt sind.“
Dazu kommt ein durchstimmbarer Laser zum Einsatz. Sein Strahl trifft die gespeicherten OH--Ionen, sodass diese ein Elektron verlieren. Es entstehen OH-Radikale, die – da ungeladen – aus der Bahn fliegen und auf einem Detektor landen. Bei welcher Laserfrequenz dies passiert, zeigt an, in welchem Energieniveau sich das getroffene OH–-Ion befand, d. h., wie viel innere Energie es besaß. Eine erste Auswertung der Daten ergab, dass nicht nur die interne Schwingung der OH--Ionen, sondern auch ihre Rotation überwiegend den niedrigsten Zustand erreicht hatte, Anzeichen dafür, dass die Moleküle während der Speicherzeit im CSR also tatsächlich interstellare Temperaturen annehmen. „Es sieht also ganz danach aus, als ob unsere neue Maschine alle Erwartungen erfüllt“, freut sich Klaus Blaum vom MPIK.
Abb.: Die im CSR mit 60 keV Strahlenergie gespeicherten OH−- Ionen werden beobachtet durch Beleuchtung mit einem schwachen Laserstrahl. Er neutralisiert einen kleinen Bruchteil der negativen Ionen, so dass wenige OH-Radikale den Ring verlassen und mit einem Detektor nachgewiesen werden. Bei herkömmlichen Experimenten würden die gespeicherten Ionen auch dann neutralisiert, wenn sie auf ihrer Umlaufbahn mit Gasmolekülen aus der umgebenden Vakuumkammer zusammenstoßen. Im CSR ist diese Rate, die auch bei ausgeschaltetem Laser zu beobachten wäre, jedoch unmessbar klein – ein Zeichen für das extrem gute Vakuum in der kryogenen Anlage. (Bild: MPIK)
Mit dem CSR hat das MPIK eine neuartige Konstruktion für einen ultrakalten Ionenspeicherring erfolgreich umgesetzt. „Die rein elektrostatische Ionenoptik, extrem niedriger Druck und sehr tiefe Temperaturen erlauben es, darin auch sehr große Molekülionen in niedrigsten Quantenzuständen zu speichern“, erläutert Robert von Hahn, der die Entwicklung des CSR geleitet hat.
MPIK / AH