01.09.2017

Tomographische Messverfahren für die Industrie

Neues europäisches Verbundprojekt zu bildgebenden Sensoren geht an den Start.

Moderne hochparallele Rechnerarchitekturen sind heute in der Lage, riesige Datenmengen in hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten. Damit können bild­gebende Verfahren zunehmend die Rolle von Sensoren übernehmen, mit denen sich Maschinen und Industrie­anlagen steuern lassen. Im europäischen Verbund­projekt TOMOCON arbeiten zwölf Forschungs­einrichtungen aus neun Ländern zusammen mit 15 namhaften Industrie­unternehmen an neuen bildgebenden Sensoren und daran, diese in die Steuerung und Regelung verfahrens­technischer Prozesse einzubinden. Start des Netzwerks ist am 1. September, die Koordination liegt beim Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).

Abb.: Eine am HZDR entwickelte Methode erlaubt die berührungslose Messung einer heißen Stahlschmelze – eine wichtige Voraussetzung, um das Befüllen der Gussform mit flüssigem Stahl zu steuern. (Bild: HZDR / DE F. Bierstedt)

Das wissenschaftliche Thema des neuen Europäischen Trainings-Netzwerks „Smart Tomographic Sensors for Advanced Industrial Process Control“ (TOMOCON) ist im Kontext der Digitalisierung industrieller Prozesse aktuell. Bild­gebende Mess­verfahren haben – insbesondere mit der Entwicklung ultra­schneller paralleler Daten­verarbeitung – ein enormes Potenzial als Sensoren zur Echtzeit-Steuerung von Prozessen und Anlagen. Bekannt ist dieses Thema etwa aus dem Bereich des sogenannten autonomen Fahrens.

„Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern wollen wir 15 jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine umfassende Doktoranden­ausbildung bieten. Neben ihren Forschungsprojekten sollen sie in den beteiligten Industrie­unternehmen tätig werden. Drei Sommerschulen und ein Training zu Soft Skills durch die Graduierten-Akademie der TU Dresden runden das Ausbildungs­programm ab“, erläutert der Projekt­koordinator Uwe Hampel vom HZDR.

Für viele industrielle Prozesse sind vor allem tomographische Messverfahren von großem Interesse, weil sie berührungsfrei Einblicke in die Anlagen liefern. Dabei gilt es, die Heraus­forderungen im industriellen Einsatz zu meistern. Um nur einige Frage­stellungen zu nennen: Wie geht man mit aggressiven Prozess­bedingungen oder hohen Datenraten um? Wie kann man Parameter für die Steuerung und Regelung intelligent aus Bilddaten extrahieren? Wie sehen neue Formen der Mensch-Maschine-Kommunikation aus? Entsprechend breit sind die Forschungs­themen für die 15 Nachwuchs­wissenschaftler, denn sie betreffen so unterschiedliche Gebiete wie die Mess- und Sensor­technik, Prozess­tomographie, Prozess­steuerung und -regelung, Prozess­modellierung, Mensch-Maschine-Interaktion und massiv-parallele Daten­verarbeitung.

Einen starken Praxisbezug erlangt das Vorhaben durch vier ausgewählte technische Demonstrationen. Bei der sogenannten Inline-Phasentrennung werden Flüssigkeiten verschiedener Dichte durch Zentrifugieren direkt im Inneren von Strömungs­kanälen getrennt. Die Steuerung mit tomo­graphischen Sensoren soll die Trenngüte signifikant verbessern und die Bildung von Emulsionen vermindern. Dies stößt auf großes Interesse bei Unternehmen der Chemie- und Mineralöl-Verfahrens­technik, wie den beteiligten Unternehmen Linde, Shell und Total. Beim zweiten Thema geht es um den kontinuierlichen Stahlguss, für den das HZDR eine eigene Magnetfeld-Tomographie entwickelt hat, um das Befüllen der Gussform mit flüssigem Stahl zu steuern. Gemeinsam mit der österreichischen Primetals Technologies und der TATA Steel wird das Verfahren nun bei hohen Produktions­geschwindigkeiten qualifiziert.

Drittens soll eine tomographische Feuchte­messung die Prozess­trocknung mit Mikrowellen energetisch optimieren. Dies wird anhand der Trocknung von imprägnierten Schäumen aus Kunststoff mit dem Anlagen­hersteller Vötsch Industrietechnik und dem Anwender Pinta Elements demonstriert. Und schließlich kommen in der Kristallisation Ultraschall-Techniken zur Anwendung, die das Wachstum der Kristalle steuern und gleichzeitig deren Verteilung im Reaktor messen sollen. Dieses Thema begleiten die Sulzer AG und DuPont.

„Am HZDR verfolgen wir insbesondere die beiden ersten Themen sehr aktiv“, betont Uwe Hampel, der zugleich eine Stiftungs­professur an der TU Dresden innen hat. „Wir sind stolz darauf, dass unser Vorhaben auch zu einer nachhaltigen Vernetzung akademischer und industrieller Partner in Europa und darüber hinaus beiträgt. Für das HZDR und die TU Dresden sind die in TOMOCON bearbeiteten Frage­stellungen zentrale Probleme der Forschung zu effizienten Industrie­prozessen der Zukunft. Deshalb werden auch zwei der insgesamt 15 Doktoranden an der TU promovieren.“

HZDR / DE

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