Topologische Supraleitung im Nanodraht
Hybride Nanodrähte können topologische Phasen mit Majorana-Moden aufweisen.
Topologische Medien können eine Vielzahl exotischer Quantenzustände besitzen, die für eine ganze Reihe von Anwendungsgebieten von Interesse sind. Dazu gehören insbesondere Majorana-Moden, die einzigartige Eigenschaften mit sich bringen. Nach den Gleichungen von Ettore Majorana handelt es sich hierbei um fermionische Teilchen oder Quasiteilchen, die zugleich ihre eigenen Antiteilchen sind. In der Festkörperphysik sind nicht zuletzt Majorana-Nullmoden interessant, die an den Enden eindimensionaler topologischer Supraleiter auftreten. Diese Zustände sollen eine nichttriviale Verzweigungsstatistik aufweisen. Das macht solche Majorana-Nullmoden interessant für die Quanteninformationsverarbeitung, da auf diese Weise topologisch geschützte Datenprozessierung möglich werden könnte. Damit ließe sich eines der Grundprobleme beim Bau eines hinreichend großen und leistungsfähigen Quantencomputers angehen, nämlich die Dekohärenz bei einer wachsenden Anzahl von Qubits.
Ein Forscherteam mit Beteiligung der Universität Kopenhagen, des Microsoft Quantum Lab und der Yale University hat nun eine interessante neue Möglichkeit aufgezeigt, wie man solche Nanodrähten mit Majorana-Nullmoden herstellen kann. Dabei zeichnet sich ihr System dadurch aus, dass es einerseits mit vergleichsweise geringen magnetischen Feldstärken ansprechbar ist. Außerdem sind die Drähte vollständig umhüllt, was die Langlebigkeit erhöht und entsprechend vorteilhaft für die Einsatzmöglichkeiten in künftigen Quantencomputern ist.
Die Forscher konstruierten ihre Nanodrähte aus einem hexagonalen Halbleiterkern aus Indiumarsenid, der einen maximalen Durchmesser von 130 Nanometern besaß. Dieser Kern war vollständig umschlossen von einer 30 Nanometer dicken Aluminiumhülle. Den Halbleiterkern erzeugten die Wissenschaftler mittels Molekularstrahlepitaxie auf einem Indiumarsenid-Substrat, das auf 420 Grad Celsius aufgeheizt war. Damit ließen sich Längen bis hin zu etwa zehn Mikrometern erzielen. Anschließend beschichteten die Forscher die Drahtkerne mit Aluminium, indem sie das Substrat mit den Drähten langsam vor einer Aluminiumdampfquelle rotieren ließen, so dass alle sechs Seiten gleichmäßig mit Aluminium überzogen wurden.
Die Eigenschaften dieser Nanodrähte untersuchten die Forscher mit Hilfe verschiedener Methoden wie Tunnelspektroskopie und Coulomb-Blockaden-Spektroskopie. Dabei vermaßen sie unterschiedliche lange Drahtsegmente von 210 bis 970 Nanometern Länge. Schon bei einer Feldstärke von 0,1 Tesla konnten sie eine topologische Phase finden, die sich aus der Verwindung des Feldes um die supraleitende Hülle ergab. Die gemessenen Spektren der Coulomb-Blockade wiesen auf eine Längenabhängigkeit hin, die in Einklang mit der Existenz von Majorana-Moden an den Drahtenden steht. Wie darüber hinaus eine umfangreiche mathematische Analyse zeigte, sollte sich die topologische Supraleitfähigkeit über einen weiten Bereich des Parameterraums erstrecken, was entsprechende Freiheiten bei der Gestaltung der Geometrie solcher Nanodrähte ermöglicht.
Vollständig ummantelte Nanodrähte haben durchaus auch Nachteile. So lässt sich die Elektronendichte nicht durch einen elektrischen Kontakt im Halbleiter-Kern einstellen. Stattdessen lässt sich aber durch eine sorgfältige Wahl der Drahtparameter – vor allem des Radius – sicherstellen, dass Majorana-Nullmoden bei einer bestimmten Magnetfeldstärke auftreten. Solche voll ummantelten Nanodrähte könnten künftig mit mehreren Vorteilen punkten. Einerseits ist der Übergang zu topologischem Verhalten durch die feldinduzierte Verwindung des Supraleitung-Ordnungsparameters gegeben und nicht durch Materialeffekte wie etwa den Zeeman-Effekt. Deshalb müssen die eingesetzten magnetischen Feldstärken nicht allzu stark sein, so dass rund 0,1 Tesla schon ausreichen. Das vereinfacht nicht nur die Integration solcher Drähte in ein Quantencomputing-System, sondern erhöht auch die Auswahl an möglichen Materialien deutlich, mit denen man arbeiten kann. Darüber hinaus wird der Nanodraht durch die feste Ummantelung von unerwünschtem Kontakt mit der Umgebung geschützt, was sich bei solch winzigen Drähten besonders schnell bemerkbar machen kann. So lassen sich wachsende Unreinheiten oder Oberflächendotierungen vermeiden.
Diese Kombination von Eigenschaften – mäßige Anforderungen an die Magnetfelder und Schutz des Halbleiterkerns vor Verunreinigungen – macht die Forscher zuversichtlich, hier ein zukunftsträchtiges Modellsystem ausgewiesen zu haben, mit dem sich das Zusammenspiel von mesoskopischen und topologischen Quanteneigenschaften testen lässt.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Vaitiekėnas et al.: Flux-induced topological superconductivity in full-shell nanowires, Science 367, eaav3392 (2020); DOI: 10.1126/science.aav3392 - Center for Quantum Devices, University of Copenhagen
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