Trockene Kaliumkanäle
Im Gegensatz zu früheren Annahmen finden sich keine Wassermoleküle im Selektivitätsfilter von Kaliumkanälen.
Passieren Kaliumionen alleine den Selektivitätsfilter eines Kaliumkanals oder sitzen Wassermoleküle zwischen den Ionen? Diese Frage ist seit Jahren umstritten. Forscher um Adam Lange vom Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) haben nun zeigen können, dass keine Wassermoleküle durch den Kaliumkanal wandern. Da die Versuche erstmals an Zellmembranen unter natürlichen Bedingungen durchgeführt wurden, haben die Forscher einen starken Beweis in der Hand.
Unsere Zellen brauchen Kaliumionen, zum Beispiel um Nervenimpulse weiterzuleiten oder die Herzfrequenz zu steuern. Darum ist fast jede menschliche Zelle – oder genauer gesagt die Membran einer Zelle – mit Kaliumkanälen ausgestattet. Weil Kaliumkanäle eine fundamentale Bedeutung für biologische Prozesse haben und schon kleinste Veränderungen zu schweren Krankheiten führen können, werden die winzigen Eiweißmoleküle weltweit erforscht. Für die Aufklärung der Struktur von Kaliumkanälen hat ein US-Forscher im Jahr 2003 sogar den Nobelpreis für Chemie erhalten.
Unklar war jedoch, wie genau Kalium den Kanal passiert, um über die Zellmembran zu gelangen. Lange Zeit ging man davon aus, dass auf jedes Kaliumion ein Wassermolekül folgt und die Elemente dann aufgereiht wie an einer Kette nacheinander den engsten Teil des Kaliumkanals, den Selektivitätsfilter, passieren. Erklärt wurde das damit, dass Kaliumionen positiv geladen sind und sich ohne die Zwischenmoleküle gegenseitig abstoßen würden. Dieser Mechanismus wurde 2014 von Göttinger Forschern um Bert de Groot jedoch in Frage gestellt: Computersimulationen zeigten, dass im Selektivitätsfilter von Kaliumkanälen gar keine Wassermoleküle vorhanden sind. Doch klar war die Sache damit noch nicht. Denn anschließend wurden weitere Arbeiten publiziert, die den älteren Mechanismus stützten und den neuen anscheinend widerlegten.
Nun haben Forscher vom Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) Klarheit in die kontroverse Debatte gebracht: Carl Öster und Kitty Hendriks aus der Arbeitsgruppe von Adam Lange konnten zusammen mit weiteren Kollegen am FMP erstmals mittels Festkörper-Kernspinresonanz-Spektroskopie zeigen, dass Kaliumionen tatsächlich ohne Wassermoleküle durch die Kaliumkanäle wandern. Die Kaliumionen sitzen demnach direkt hintereinander und schieben sich gegenseitig von unten nach oben durch den Kaliumkanal.
„Die Technik, die wir verwendet haben, erlaubt es, Membranproteine in echten Zellmembranen unter natürlichen Bedingungen anzuschauen, also etwa bei Raumtemperatur oder physiologischen Salzkonzentrationen“, erklärt Kitty Hendriks. „Damit konnten wir zeigen, dass unter diesen Bedingungen definitiv kein Wasser zwischen den Kaliumionen im Selektivitätsfilter zu finden ist.“
Die ersten Hinweise darauf kamen aus Computersimulationen und es gibt auch röntgenkristallografische Daten, die für die Abwesenheit von Wassermolekülen im Selektivitätsfilter von Kaliumkanälen sprechen. „Diese Untersuchungen wurden allerdings unter künstlichen Bedingungen durchgeführt“, betont Carl Öster. „Mit unseren ergänzenden Daten aus der NMR-Spektroskopie haben wir jetzt ein schwergewichtiges Argument in der Hand, dass der neuere Mechanismus der richtige ist.“ Den Nachweis, dass keine Wassermoleküle zwischen den Kaliumionen sitzen, haben die FMP-Forscher zusammen mit Kollegen vom Max Planck Institut für Biophysikalische Chemie um Bert de Groot erbracht, deren computergestützte Molekulardynamiksimulationen ebenfalls mit in die Arbeit eingeflossen sind.
Entscheidend für die Aufklärung des Mechanismus war, dass das FMP ein weltweit führendes Zentrum für NMR-spektroskopische Untersuchungen ist und diese komplexe Technik ständig weiterentwickelt. „Vor fünf Jahren hätten wir das sicher so noch nicht zeigen können, aber jetzt sind wir so weit, dass wir diese wichtige Fragestellung gut beantworten können“, sagt Arbeitsgruppenleiter Adam Lange, dessen Schwerpunkt auf der Erforschung von Membranproteinen wie Ionenkanälen liegt. Er fügt hinzu: „Da die Abläufe in den Kaliumkanälen elementar für unsere Gesundheit sind, haben unsere Ergebnisse eine große Bedeutung, auch über die Grundlagenforschung hinaus.“
FMP / DE