29.04.2021

Turbinenschaufeln im Neutronenlicht

Energiesparende Gasturbinen aus dem 3D-Drucker zeigen optimierbare Eigenspannungen.

Der 3D-Druck eröffnet völlig neue Möglichkeiten, auch bei der Herstellung von Turbinenschaufeln. Allerdings enthalten die so gefertigten Bauteile oft Spannungen, die schlimmsten­falls zu Rissen führen können. Mit Neutronen der Forschungs-Neutronenquelle der Technischen Universität München (TUM) ist es einem Forscherteam nun gelungen, diese inneren Spannungen zerstörungs­frei zu bestimmen – ein Schlüssel zur Verbesserung der Produktions­prozesse.

 

Abb.: Das Gasturbinen-Bauteil in Mess­position am Neutronen-Diffrakto­meter...
Abb.: Das Gasturbinen-Bauteil in Mess­position am Neutronen-Diffrakto­meter Stress-Spec (Bild: T. Fritsch / BAM)

Gasturbinenschaufeln müssen extremen Bedingungen standhalten: Unter hohem Druck und hohen Temperaturen sind sie enormen Fliehkräften ausgesetzt. Um die Energie­ausbeute weiter zu erhöhen, sollen sie Temperaturen aushalten, die eigentlich bereits über dem Schmelz­punkt des Materials liegen. Dies gelingt mit hohlen Turbinen­schaufeln, die von innen mit Luft gekühlt werden können.

Herstellen lassen sich solche Schaufeln durch additive Fertigung im Laser-Pulverbett-Schmelzverfahren: Pulver­förmiges Ausgangs­material wird dabei durch selektives Aufschmelzen mit einem Laser Schicht für Schicht aufgebaut. Nach dem Vorbild von Vogelknochen geben filigrane Gitterstrukturen im Inneren der hohlen Turbinen­schaufeln die nötige Stabilität.

„Mit gängigen Fertigungsmethoden wie Gießen und Fräsen wären komplexe Bauteile mit solch filigranen Strukturen gar nicht herstellbar“, sagt Tobias Fritsch von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Doch durch den sehr lokalen Wärme­eintrag des Lasers und die schnelle Abkühlung der Schmelze entstehen auch Spannungen im Material. Die Hersteller eliminieren diese in einem nachgeschalteten Wärme­behandlungs­schritt. Doch das kostet Zeit und damit Geld.

Leider können die Spannungen auch schon während des Aufbaus und bis zur Nachbehandlung Schäden im Bauteil anrichten. „Sie können zu Verformungen und schlimmstenfalls zu Rissen führen“, sagt Tobias Fritsch. Er untersuchte daher ein additiv gefertigtes Bauteil des Gasturbinen­herstellers Siemens Energy in der Forschungs-Neutronen­quelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) mit Neutronen auf Eigen­spannungen.

Für das Neutronen-Experiment am FRM II druckte Siemens Energy eine wenige Millimeter große Gitterstruktur aus einer für Gasturbinen­komponenten üblichen Nickel-Chrom-Legierung. Die übliche Wärme­behandlung nach der Fertigung wurde dabei absichtlich weggelassen.

„Wir wollten sehen, ob wir mit Neutronen die Eigenspannungen in diesem komplexen Bauteil nachweisen können“, erklärt Tobias Fritsch. Er hatte bereits Erfahrungen mit Neutronen­messungen am Berliner Forschungsreaktor BER II gesammelt, der aber Ende 2019 abgeschaltet worden war.

„Wir sind froh, dass wir im Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching messen können und mit dem Equipment, das Stress-Spec zur Verfügung stellt, sogar Eigenspannungen in solch filigranen und komplexen Gitter­strukturen auflösen können“, sagt der Physiker.

Nachdem es dem Team gelang, die Eigenspannungen in dem Bauteil nachzuweisen, geht es im nächsten Schritt nun darum, die zerstörerischen Spannungen zu verringern. „Wir wissen, dass wir die Parameter des Bauprozesses und damit den Aufbau des Bauteils anpassen müssen“, sagt Fritsch. Dabei ist der zeitliche Wärmeeintrag beim Aufbau der einzelnen Schichten entscheidend. „Je lokaler wir die Wärme beim Schmelzen des Pulvers einbringen, desto mehr Eigen­spannungen erzeugen wir.“

Je länger der Laser des Druckers auf einen Punkt gerichtet ist, desto stärker erwärmt sich dieser im Vergleich zu den Nachbarbereichen. Dies erzeugt Temperaturgradienten, die zu Unregel­mäßigkeiten im Atomgitter führen.

„Wir müssen die Wärme beim Drucken also möglichst gleichmäßig verteilen“, sagt Fritsch. Das wird die Gruppe zukünftig mit neuen Bauteilen unter veränderten Druckeinstellungen erforschen. Deshalb plant er zusammen mit Siemens bereits neue Messungen an der TUM-Neutronen­quelle in Garching. An der Forschungsarbeit waren neben Wissenschaftlern des Heinz Maier-Leibnitz Zentrums der Technischen Universität München und der Bundesanstalt für Material­forschung und -prüfung eine Entwicklerin der Siemens Energy GmbH & Co KG und Wissenschaftler der Universität Potsdam beteiligt.

TUM / DE

 

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