26.01.2022

Ungewöhnliche Schwerewellen nach Vulkanausbruch

In der Stratosphäre zeigte sich ein über 10.000 Kilometer ausbreitendes konzentrisches Muster.

Die Analyse von Satelliten­daten mit dem Jülicher Supercomputer Juwels machte außer­gewöhnliche Muster von Schwerewellen sichtbar, wie sie bislang bei keinem anderen Vulkan­ausbruch beobachtet wurden. Schon zum Jahreswechsel rumorte der Unterseevulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai. Am 15. Januar 2022 folgte dann eine überaus heftige Eruption, deren Echo bis Alaska zu hören war. Der Ausbruch verwüstete mehrere Inseln des süd­pazifischen Inselstaats Tonga durch Wasserfluten und Ascheregen. Seit wenigen Tagen erreichen nun erste Hilfs­lieferungen das 2.400 Kilometer nördlich vor Neuseeland liegende Königreich.

Ab.: In den Aufnahmen des AIRS-Instrument werden ringförmige Wellen nach dem...
Ab.: In den Aufnahmen des AIRS-Instrument werden ringförmige Wellen nach dem Vulkanausbruch auf Tonga sichtbar. (Bild: L. Hoffmann, FZJ)

Doch der Vulkan löste nicht nur einen folgen­schweren Tsunami an den Küsten und eine massive Druckwelle in bodennahen Luft­schichten aus. Er verursachte zudem ein sich über 10.000 Kilometer ausbreitendes konzentrisches Muster von Schwerewellen in der Stratosphäre. Diese Luftschwingungen können das Klima­geschehen weltweit beeinflussen. Sichtbar wurde dieses einzigartige Natur­phänomen durch eine spezielle Analyse von Daten, die der Atmospheric Infrared Sounder (AIRS) des Aqua-Satelliten der Nasa liefert und welche kontinuierlich auf dem Jülicher Supercomputer Juwels ausgewertet werden.Lars Hoffmann vom Jülich Supercomputing Centre erläutert den Hinter­grund dieses einzig­artigen Natur­phänomens.

„Mit Hilfe der Messdaten machen wir Schwerewellen in der Stratosphäre sichtbar. Schwerewellen sind Luft­schwingungen und sie entstehen üblicherweise wenn starke Winde auf hohe Gebirge treffen, wie die Anden oder Felsformationen in der Antarktis oder Norwegen, oder auch bei starken Gewitter­stürmen, als Folge von rasch aufsteigender warmer Luft. Sie breiten sich von ihrem Entstehungsort vertikal nach oben aber auch horizontal zur Seite aus. Normaler­weise brechen diese Wellen nach einigen hundert Kilometern. Ich habe eine Software entwickelt, mit denen die AIRS-Daten konti­nuierlich analysiert werden“, so Hoffmann.

Schwerewellen spielen eine zentrale Rolle für die Dynamik der Atmosphäre. Sie beein­flussen Winde, Temperaturen und die Zusammensetzung der mittleren und oberen Erdatmosphäre und somit das Wetter- und Klima­geschehen auf der gesamten Welt. Sie können sogar den Polarwirbel über der Antarktis schwächen. Zudem tragen Schwerewellen zur Wolkenbildung bei und beein­flussen die Luft­zirkulation in der Stratosphäre bis in Höhen von fünfzig Kilometern und darüber hinaus. Es ist wichtig, Schwere­wellen korrekt in Wetter- oder Klima­modelle einzurechnen, sonst erhält man ungenaue Prognosen.

„Die Satelliten­messung des konzen­trischen und über 10.000 Kilometer reichenden Wellenmusters in der Stratosphäre ist bisher einzigartig“, sagt Hoffmann. Als der Pinatubo 1991 mit noch größerer Wucht ausbrach, gab es keinen entsprechenden satelliten­gestützten Infrarot-Sensor. Bei kleineren Vulkan­ausbrüchen der vergangenen zwanzig Jahre zeigten die AIRS-Daten keine vergleichbaren Luftschwingungen. Eine Theorie ist, dass Schwere­wellen bei einem sehr heftigen Vulkanausbruch wie dem kürzlich in Tonga durch das rasche Aufsteigen von heißer Asche und Luft in die Stratosphäre ausgelöst werden. Für das Wetter oder Klima wird dieses einzelne relativ kurze Schwere­wellen-Ereignis nach erster Einschätzung keine langfristigen Folgen haben. Für die Forschung ist das Naturphänomen aber von großem Wert. „Wir prüfen damit, ob unsere Klima- und Wettermodelle die Bildung und Ausbreitung von Schwere­wellen korrekt wiedergeben. Mit den Daten aus der Natur verbessern wir dann die Prognosekraft der Simulations­rechnungen für eine treffendere Vorhersage. Bei aller Begeisterung über die wissen­schaftlichen Beo­bachtungen sollten wir aber nicht vergessen, dass der Vulkanausbruch für die Menschen vor Ort ein Schicksals­schlag ist“, sagt Hoffmann.

FZJ / JOL

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