22.10.2007

Veränderte Wissenschaft

Die von den Bundesländern zunächst heftig befehdete Exzellenzinitiative - ein Wettbewerb um 1,9 Milliarden Euro - wird die Hochschullandschaft in der Bundesrepublik nachhaltig verändern.

Veränderte Wissenschaft

Bonn (dpa) - Willkommen im Champions-Club: Sechs weitere Universitäten dürfen sich von nun an in Deutschland mit dem Titel «Elite-Uni» schmücken. An der FU Berlin, in Aachen, Freiburg, Göttingen, Heidelberg und Konstanz knallten unüberhörbar die Sektkorken - nachdem vor genau einem Jahr die beiden Münchner Hochschulen und die TH Karlsruhe als erste die exklusive Gemeinschaft der deutschen Spitzen-Hochschulen eröffnet hatten. Über einen zusätzlichen Millionen-Segen an Forschungsgeldern können sich auch noch mehr als zwei Dutzend Universitäten freuen, die ebenfalls mit Spitzenprämien bedacht wurden.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) brachte es auf den Punkt: «Mit der Exzellenzinitiative zur Stärkung der Spitzenforschung haben wir ein Stück deutsche Wissenschaftsgeschichte geschrieben.» Der noch von ihrer Vorgängerin Edelgard Bulmahn (SPD) auf den Weg gebrachte und von den Bundesländern zunächst heftig befehdete 1,9 Milliarden-Wettbewerb wird in der Tat die Hochschullandschaft in der Bundesrepublik nachhaltig verändern.

Dabei geht es nicht nur darum, dass die Universitäten untereinander in einen bis dahin nicht gekannten harten Wettkampf um Zukunftskonzepte und zusätzliches Geld getreten sind, ohnehin schon gut ausgestattete noch «reicher» werden - andere hingegen weiter zurückfallen. Allein durch das Antragsverfahren sind an manchen Universitäten Wissenschaftler verschiedener Disziplinen erstmals miteinander in Kontakt gekommen, die zwar in benachbarten Forschungsfeldern arbeiteten - zuvor aber oft gar nichts von einander wussten.

Gerade dies hatte die internationale Expertenkommission unter Leitung des renommierten Naturwissenschaftlers Richard Brook 1999 bei ihrer Generalüberprüfung des deutsche Wissenschaftssystems kritisiert. Statt Interdisziplinarität zwischen verschiedenen Fächern sowie Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten gebe es in Deutschland so etwas wie eine «Versäulung». Wenn nun durch die Exzellenzinitiative dabei etwas in Bewegung geraten ist, dann war der Wettbewerb selbst für diejenigen Hochschulen ein Erfolg, die auch bei der zweiten Auswahlrunde am Freitag in Bonn leer ausgegangen sind.

Als vor einem Jahr bei der ersten Entscheidung der Geldsegen zunächst geballt nach München und nach Karlsruhe floss, war der Aufschrei groß. Spötter sprachen vom «Aufbau Süd». Es hagelte Kritik am Auswahlverfahren - nicht nur aus der Politik. «Wir haben voneinander gelernt», heißt es nun unisono bei den Mitgliedern der Jury wie bei den Politikern. Nach der Vorauswahl der Anträge durch die Wissenschaft gab es diesmal vor der Bekanntgabe noch eine zweite Diskussionsrunde mit den Forschungsministern von Bund und Ländern. Dabei habe es, so versicherten beide Seiten, nur marginale Änderungen gegeben - dafür aber mehr Verständnis für das jeweilige Votum.

Gleichwohl springt ins Auge, dass Baden-Württemberg jetzt allein vier der neun deutschen Elite-Unis stellt, während der gesamte Osten dabei weiter leer ausgeht - sieht man von der westgeprägten Berliner FU ab. Rechnet man aber die gesamten Fördersummen der Exzellenzinitiative zusammen - also auch die zusätzlichen Prämien für 40 Nachwuchsschulen und 30 Forschungszentren (Cluster) - so ergibt sich fast ein nahezu ausgeglichenes Nord-Süd-Verhältnis. «Die Wissenschaft im Norden ist besser als ihr Ruf», sagt Schleswig- Holsteins-Wissenschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) - einer der schärfsten Kritiker der ersten Auswahlrunde. Doch diesmal war auch Austermann zufrieden.

Die Arbeiten der beiden jüngsten deutschen Nobelpreisträger Peter Grünberg (Physik) und Gerhard Ertl (Chemie) waren nicht an Universitäten sondern an einem Max-Planck- und einem Helmholtzinstitut entstanden. Für viele gilt dies als zusätzliche Rechtfertigung, dass für die deutsche Hochschulforschung etwas getan werden musste. Bund und Länder planen für die Forschung bereits eine weitere Runde. Jetzt muss auch noch ein Wettbewerb um die beste Hochschullehre folgen.

Karl-Heinz Reith, dpa

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