05.09.2018

Verkippte Elektronenpulse

Verfahren ermöglicht Materialstudien im Femto- und Atto­sekunden­bereich.

Moderne Elektronenmikroskope können zwar Atome sichtbar zu machen, aber um auch deren Bewe­gungen nach­zu­voll­ziehen, sind außer­dem ultra­kurze Mess­zeiten im Femto- und Atto­sekunden-Bereich nötig. Solche extrem schnellen Ver­schluss­zeiten sind durch ultra­kurze Elek­tronen­pulse zu erreichen, die kürzer sind als die ablau­fenden Prozesse. Je kürzer der Puls, desto höher die Auf­lösung. Ebenso wichtig ist jedoch eine spezi­elle Formung dieser Pulse in Raum und Zeit, die an die Gegeben­heiten der zu unter­suchenden Substanz ange­passt werden muss.

Abb.: Elektronenpulse (grün) werden mittels eines Strahls aus laser­erzeugter Tera­hertz-Strahlung (rot) in Raum und Zeit ver­kippt. (Bild: P. Baum, U. Konstanz)

Peter Baum von der Uni Konstanz und seinem Team ist es jetzt gelungen, ultra­kurze Elek­tronen­pulse direkt mit Laser­licht in Raum und Zeit zu steuern und zu kon­trol­lieren, nicht wie bisher mit Mikro­wellen. Neben einer daraus resul­tie­renden Ver­kür­zung der Puls­dauer konnten die Forscher außer­dem die Impulse „ver­kippen“, das heißt, sie in eine andere Richtung laufen lassen als senk­recht zur Puls­front.

Verkippte Pulse aus Elektronen bieten ein großes Poten­zial für Material­studien, in denen die grund­legenden Ver­ände­rungen nur Femto- oder Atto­sekunden dauern. Diese Zeiten ent­sprechen der Dauer von Atom­schwin­gungen in Kristallen oder Mole­külen bezie­hungs­weise der Dauer einer ein­zelnen Schwin­gung von Licht. Ver­kippte Pulse sind darüber hinaus für Freie-Elek­tronen-Laser interes­sant, um mit noch inten­si­veren und kürzeren Röntgen­blitzen eben­falls ultra­schnelle Prozesse analy­sieren zu können. „Unsere Ergeb­nisse zeigen, dass Elek­tronen­pulse jetzt ebenso viel­seitig geformt und gesteuert werden können wie Laser­pulse, aller­dings mit der mehr als tausend­fach höheren Bild­auf­lösung der modernen Elek­tronen­mikro­skopie“, fasst Baum zusammen.

In der Quantenmechanik sind die Eigenschaften von Objekten paar­weise ver­knüpft, wie zum Beispiel Ort und Impuls in der Unschärfe­rela­tion. Was gehört in diesem Sinne zur Ver­kippung? Aus der Laser­optik ist schon lange bekannt, dass die Farben in ver­schie­dene Richtungen laufen müssen, dass also eine Winkel­disper­sion vor­handen sein muss. Mit ihren Experi­menten fanden die Wissen­schaftler jetzt heraus, dass diese Gesetze der Laser­optik ebenso für die Materie­wellen von Elek­tronen gelten, selbst wenn die Elek­tronen eine Ruhe­masse haben und nicht wie Laser­licht kohärent sind.

Es lässt sich vermuten, dass die gemessenen Beziehungen zwischen Ver­kippung und Winkel­disper­sion sogar gene­rell für alle Wellen­phäno­mene in der Physik ihre Gültig­keit behalten. In diesem Sinne ist nun die erzielte Formung von Elek­tronen­pulsen in Raum und Zeit nicht nur von prak­tischem Nutzen für die ultra­schnelle Material­forschung, sondern auch von einem grund­legenden physi­ka­lischen Interesse.

U. Konstanz / RK

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