Verschränkung mit Lichtwirbeln
Photonen können hohe Bahndrehimpulse mit Quantenzahlen bis zu 10000 aufweisen. Mit ihnen lässt sich per Verschränkung sehr viel Quanteninformation übertragen.
Die Verschränkung quantenmechanischer Systeme gehört zu den besonders faszinierenden Phänomenen der modernen Physik. Einstein setzte sich bekanntermaßen sehr kritisch mit der „spukhaften Fernwirkung“ auseinander. Verschränkungsexperimente gibt es heute in großer Zahl. Die Forschergruppe um Anton Zeilinger vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Wien nutzt hierfür seit kurzem eine besondere Eigenschaft von Licht: Es kann einen Bahndrehimpuls aufweisen. Ein Laserstrahl mit dieser Eigenschaft kann Objekte dazu bringen, auf einem Kreis um die Ausbreitungsrichtungsachse des Lichts zu rotieren.
Die Wiener Forscher nutzen einen noch verblüffenderen „Lichtwirbel-Effekt“: Auch einzelne Photonen können diese Eigenschaft besitzen – und zwar theoretisch sogar einen beliebig starken Bahndrehimpuls, bis zu makroskopischen Werten. Dieser Bahndrehimpuls ist bei einem einzelnen Photon eine ausgeprägte Quanteneigenschaft, er steigt also in Sprüngen an, die von einer Quantenzahl mitgezählt werden: Je höher diese Quantenzahl ist, desto größer ist der Bahndrehimpuls. Mit speziellen Spiegeln wurden bereits Bahndrehimpulse mit Quantenzahlen bis zu 10000 für einzelne Photonen erzeugt. Diese „verwirbelten Photonen“ wurden in den letzten Jahren zu Hauptdarstellern in vielen Forschungsgebieten.
Dieser Trick macht auch eine Form der Quantenverschränkung nutzbar, welche die Bahndrehimpuls-Quantenzahl eines Photons mit der Polarisation eines „geradlinig“ schwingenden Partnerphotons verschränkt. Die Höhe der Drehimpulsquantenzahl bestimmt dabei, wie viel Quanteninformation ein solches Paar speichern kann. Diese Verschränkung bleibt auch bei der Übertragung über große Distanzen in Luft erhalten. Sie könnte damit die Bandbreite der Freiluft-Quanteninformationsübertragung erheblich steigern. Der Wiener Gruppe gelang es sogar, Verschränkung über eine Freiluftstrecke von 143 km zu realisieren. Sie nutzten dafür Stationen auf La Palma und Teneriffa.
Abb. 1 Ein Laser des Roque-de-los-Muchachos-Observatoriums auf La Palma schickt einen Strahl zur 143 km entfernten Optical Ground Station auf Teneriffa. Der gezeigte Laserstrahl transportiert einen Bahndrehimpuls, dessen überlagerte Moden hier wie zwei Strahlen aussehen (rechts unten erkennbar) (Foto: IQOQI Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften).
Die Grenzen der Quantenphysik auszuloten bleibt auch in Zukunft ein sehr aktives Forschungsgebiet, zu dem Licht, speziell dessen räumliche Struktur, einen wichtigen Teil beitragen wird. Es wäre beispielsweise interessant, die hohen Drehimpulse von Photonen auf massebehaftete Systeme zu übertragen und daran Verschränkungseffekte zu studieren.
Eine weitere aktuelle Forschungsrichtung ist die Erzeugung und Untersuchung von Vielteilchensystemen, die ebenfalls hochdimensional verschränkt sind. Erste Experimente gelangen, aber viele Fragen – auch mathematischer Natur – sind noch zu klären. Bereits näher an der Anwendung ist der Einsatz der Lichtstrukturen in der klassischen und quantenmechanischen Kommunikation, um den steigenden Bedarf an schneller Informationsübertragung bedienen zu können. Dies macht deutlich, dass die Grundlagenforschung der Physik sehr direkt zu praktischen Anwendungen führen kann.
Die faszinierenden Forschungsergebnisse schildern Robert Fickler, Mario Krenn und Anton Zeilinger in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit. Der vollständige Artikel steht bis zum Ende des Jahres hier zum freien Download zur Verfügung.