20.12.2018

Wärmelehre aus dem Braukessel

James Prescott Joule, einer der Pioniere der Thermodynamik, wurde vor 200 Jahren geboren.

James Prescott Joule, am Heiligabend 1818 in Salford bei Manchester geboren, gehörte zu den letzten „gentlemen scientists“, Autodidakten, die ihre Forschungen in privaten Räumen betrieben und aus eigener Tasche finanzierten. Das mag erklären, warum seine Messungen des mechanischen Wärmeäquivalents, die er auf der Versammlung der British Society for the Advancement of Science präsentierte, auf Ablehnung stießen.

Ein weiterer Grund für das Desinteresse an Joules Experimenten war, dass sie nicht in das vorherrschende Paradigma passten. Laut der „kalorischen Theorie“ war Wärme ein unzerstörbarer Stoff. Davon war auch der Physiker William Thomson (Lord Kelvin) zunächst überzeugt, der Joules Experimente dennoch ernst nahm. Zusätzlich erhielt Joule Anerkennung seiner Arbeit aus Deutschland. 1847 publizierte Hermann von Helmholtz seinen Aufsatz „Über die Erhaltung der Kraft“ (worin es um die Energieerhaltung geht). Darin wies Helmholtz auf die Arbeiten von James Joule und Julius Robert Mayer hin.

James Prescot Joule im Alter von 45 Jahren (nach G. Patten, in: Memoir of James...
James Prescot Joule im Alter von 45 Jahren (nach G. Patten, in: Memoir of James Prescott Joule,1892)

Im Sommer 1847 traf James Joule während seiner Hochzeitsreise mit seiner Frau Amelie in Chamonix auf Thomson. So mag es Amelie ihrem Mann nachgesehen haben, dass er einige Tage später mit Thomson zur nahe gelegenen Cascade de Sallanche aufbrach: Um zu zeigen, dass potentielle Energie sich im Wärme umwandelt, wollte er einen Temperaturunterschied zwischen dem oberen und unteren Ende des Wasserfalls nachweisen.

Zu diesem Zeitpunkt war James Joules noch Leiter der väterlichen Brauerei und experimentierte nur nebenbei. Schon als Junge hatte er sich für die Heizkessel, Pumpen und Kühlanlagen interessiert. Mit zwölf Jahren hatte er die Eröffnung der weltweit ersten Eisenbahnstrecke zwischen Manchester und Liverpool erlebt. Sie führte in der Nähe seines Hauses vorbei, sodass er die mächtigen Dampflokomotiven häufig bewundern konnte. In dem Labor, das der Vater für ihn einrichten ließ, experimentierte er bald mit einer eigenen Dampfmaschine.

Die Schule musste der junge James wegen eines Rückenleidens nicht besuchen. Er erhielt Privatunterricht mit seinem älteren Bruder, was ihn mit 16 Jahren in den Genuss des Unterrichts von John Dalton brachte. Der Begründer der Atomtheorie lehrte ihn vor allem, dass man systematische quantitative Messungen machen muss, um Naturgesetzen auf die Spur zu kommen.

Die ersten Experimente des Jugendlichen zielten noch darauf, effizientere Maschinen für den väterlichen Betrieb zu konstruieren. Doch ein Freund der Familie und Erfinder des Elektromagneten, William Sturgeon, weckte sein Interesse für elektromagnetische Phänomene. Mit 17 Jahren publizierte er seine erste Arbeit über die Wärmeentwicklung in Strom durchflossenen Leitern. 1841 entdeckte er das Gesetz, dass die pro Zeiteinheit entstehende Wärme proportional zum Widerstand und zum Quadrat der Stromstärke ist (Erstes Joulesches Gesetz).

Als der Vater erkrankte, übernahmen der 22-jährige James und sein Bruder die Leitung der Brauerei. Wie die Versuche zum mechanischen Wärmeäquivalent im Keller der Brauerei abliefen, hat der Physikdidaktiker Peter Heering in einem Story-telling-Projekt für den Physikunterricht anschaulich geschildert:

„Ein hiesiger Instrumentenbauer stellte einen Apparat her, der aussah wie eine Spielzeugvariante seines Behälters zum Bierbrauen: Er bestand aus einem Kupferkessel, der mit sechs Litern Wasser gefüllt war. In der Mitte war eine Achse mit Messingpaddeln, um das Wasser zu rühren. Zusätzlich gab es noch feste Paddel, die eine größere Verwirbelung des Wassers verursachten. Unterdessen war er in der Lage mit Hilfe von Gewichten, die fast 25 kg wogen, die Vorrichtung zu bewegen. Die Reibung im Wasser war so groß, dass das Gewicht langsamer herunterfiel als ein Blatt Papier.“

Immer wieder musste ein Arbeiter die Gewichte hochziehen und nach jedem zwanzigsten Durchgang maß Joule die Temperatur. Darin war er als Brauereibesitzer geübt, und die Messungen wurden noch präziser, nachdem sein Instrumentenbauer ihm Thermometer gebaut hatte, mit denen man auf ein Zehntel Grad genau ablesen konnte. Joule konnte zeigen, dass die Erwärmung der Flüssigkeit proportional zur Masse und der Fallhöhe der Gewichte war.

Als er diese Ergebnisse 1843 erstmals auf der Tagung der British Association for the Advancement of Science vortrug, fanden sie kaum Beachtung. Aber Joule experimentierte unbeirrt weiter. Drei Jahre später entdeckte er die Längenänderung von Ferromagneten in einem Magnetfeld. Heute wird dieser nach ihm benannte Effekt zur Erzeugung von Ultraschallwellen angewandt.

Ab 1847 folgten mit der Anerkennung seiner Arbeit durch Thomson und der Familiengründung glückliche Jahre. 1850 nahm ihn die Royal Society in ihre illustren Reihen auf. Gemeinsam mit Thomson gelang Joule 1853 eine weitere technisch bedeutende Entdeckung: Bei Gas-Drosselungs-Versuchen stellten sie fest, dass sich ausdehnende Gase durch „innere Arbeit“ abkühlen. Carl von Linde war einer der ersten, der den Joule-Thomson-Effekt 1895 für die Verflüssigung von Gasen verwendete.

1854 starb Amelie und ließ den 36jährigen Joule mit zwei kleinen Kindern zurück. Im darauffolgenden Jahr verkaufte er die Brauerei, um sich ganz seinen Experimenten widmen zu können. Sein Vermögen war verbraucht, nachdem er von 1875 bis 1878 im Auftrag des Britisch Association Committee of Standards seine Experimente zur Messung des mechanischen Wärmeäquivalents verfeinert hatte. Daraufhin gewährte ihm Königin Viktoria eine jährliche Rente von 200 Pfund. Wenige Wochen vor seinem Tod im Oktober 1889 durfte Joule noch erleben, dass auf dem zweiten internationalen Elektrizitätskongress in Paris die SI-Einheit für die Energie nach ihm benannt wurde.

Anne Hardy

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