Wasser ist nicht gleich Wasser
Superkritischer Zustand von Wasser zeigt gas- und flüssigkeitsähnliches Regime.
Mit Molekulardynamik-Simulationen haben Forscher die Eigenschaften von superkritischem Wasser analysiert. Sie zeigten, welche Struktur das Wasserstoffbrückennetzwerk in unterschiedlichen superkritischen Zuständen annimmt und simulierten die zugehörigen Terahertz-Spektren. Bei rund 375 Grad Celsius und einem 220-fach höheren Druck als Normaldruck erreicht Wasser einen superkritischen Zustand, in dem flüssige und gasförmige Phase nicht mehr klar zu unterscheiden sind – so lautet die traditionelle Lehrbuchmeinung.
Abb.: Superkritisches Wasser kann unterschiedliche Zustände annehmen, wobei die sogenannte Widom-Linie ein gasähnliches von einem flüssigkeitsähnlichen Regime trennt. (Bild: C. Schran)
„Erst seit wenigen Jahren wird diskutiert, dass der superkritische Zustand doch eher in ein gas- und ein flüssigkeitsähnliches Regime zu unterteilen sein könnte, getrennt durch die sogenannte Widom-Linie“, erklärt Christoph Schran vom Lehrstuhl für Theoretische Chemie der Ruhr-Universität Bochum, den Dominik Marx leitet.
Mit Molekulardynamik-Simulationen erforschte das Team um Marx, wie man die Widom-Linie experimentell mit der Terahertz-Spektroskopie untersuchen könnte. Ihre Ergebnisse erzielten sie in Kooperation mit der polnischen Gdask University of Technology. Die Simulationsrechnungen führte das Team unter anderem am Leibniz-Rechenzentrum in München durch.
Die Theoretiker verglichen drei Zustände: den Zustand von flüssigem Wasser bei Raumtemperatur; einen superkritischen Zustand mit hoher Dichte und einen superkritischen Zustand mit niedriger Dichte. Die Analysen ergaben, dass das Wasserstoffbrückennetzwerk zwischen den Wassermolekülen in diesen drei Zuständen komplett unterschiedlich ausgeprägt ist.
In flüssigem Wasser bei Raumtemperatur sind praktisch alle Wassermoleküle durch Wasserstoffbrücken gebunden. In superkritischem Wasser hingegen bilden sich isolierte Cluster aus Molekülen, die im Inneren des Clusters über Wasserstoffbrücken gebunden sind, aber keine Wasserstoffbrücken zu anderen Clustern aufweisen. Die Anzahl von Clustern verschiedener Größe unterscheidet sich zwischen den superkritischen Zuständen mit hoher und niedriger Dichte. In superkritischem Wasser mit niedriger Dichte dominierten Eigenschaften der Gas-Phase; in superkritischem Wasser mit hoher Dichte hingegen Eigenschaften der flüssigen Phase.
Die Forscher simulierten die zu den drei Zuständen gehörigen Schwingungsspektren im Terahertz-Bereich, deren Form maßgeblich durch die Struktur des Wasserstoffbrückennetzwerks beeinflusst wird. Was der Form der Spektren auf molekularer Ebene genau zugrunde liegt, ist experimentell nicht direkt zu beobachten. Diese Lücke schließt die Theorie: Die vorliegende Studie klärte die physikalischen Prozesse auf, die die Form der Terahertz-Spektren von gas- und flüssigkeitsähnlichem superkritischen Wasser bedingen.
„Unsere Simulationen offenbaren, dass die Terahertz-Spektroskopie eine ideale Methode sein sollte, um die Eigenschaften der Wasserstoffbrücken im superkritischen Zustand von Wasser zu untersuchen, und zwar auf beiden Seiten der Widom-Linie“, resümiert Schran. „Unsere Ergebnisse werden zudem helfen, gemessene Spektren im Hinblick auf zugrunde liegende molekulare Prozesse zu interpretieren.“
Superkritisches Wasser ist nicht nur für die akademische Grundlagenforschung relevant. Die Industrie nutzt es als umweltfreundliches Lösungsmittel. Kleine Variationen von Druck oder Temperatur nehmen großen Einfluss auf die Eigenschaften. So lässt sich Wasser gezielt auf die erforderlichen Eigenschaften tunen.
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