22.01.2016

Wasser ist nicht gleich Wasser

Superkritischer Zustand von Wasser zeigt gas- und flüssigkeitsähnliches Regime.

Mit Molekulardynamik-Simulationen haben Forscher die Eigenschaften von superkritischem Wasser analysiert. Sie zeigten, welche Struktur das Wasser­stoff­brücken­netzwerk in unterschiedlichen superkritischen Zuständen annimmt und simulierten die zugehörigen Terahertz-Spektren. Bei rund 375 Grad Celsius und einem 220-fach höheren Druck als Normaldruck erreicht Wasser einen super­kritischen Zustand, in dem flüssige und gasförmige Phase nicht mehr klar zu unterscheiden sind – so lautet die traditionelle Lehrbuch­meinung.

Abb.: Superkritisches Wasser kann unterschiedliche Zustände annehmen, wobei die sogenannte Widom-Linie ein gasähnliches von einem flüssigkeitsähnlichen Regime trennt. (Bild: C. Schran)

„Erst seit wenigen Jahren wird diskutiert, dass der super­kritische Zustand doch eher in ein gas- und ein flüssigkeits­ähnliches Regime zu unterteilen sein könnte, getrennt durch die sogenannte Widom-Linie“, erklärt Christoph Schran vom Lehrstuhl für Theoretische Chemie der Ruhr-Universität Bochum, den Dominik Marx leitet.

Mit Molekulardynamik-Simulationen erforschte das Team um Marx, wie man die Widom-Linie experimentell mit der Terahertz-Spektroskopie untersuchen könnte. Ihre Ergebnisse erzielten sie in Kooperation mit der polnischen Gdask University of Technology. Die Simulations­rechnungen führte das Team unter anderem am Leibniz-Rechenzentrum in München durch.

Die Theoretiker verglichen drei Zustände: den Zustand von flüssigem Wasser bei Raumtemperatur; einen super­kritischen Zustand mit hoher Dichte und einen super­kritischen Zustand mit niedriger Dichte. Die Analysen ergaben, dass das Wasserstoff­brücken­netzwerk zwischen den Wasser­molekülen in diesen drei Zuständen komplett unterschiedlich ausgeprägt ist.

In flüssigem Wasser bei Raumtemperatur sind praktisch alle Wassermoleküle durch Wasser­stoff­brücken gebunden. In superkritischem Wasser hingegen bilden sich isolierte Cluster aus Molekülen, die im Inneren des Clusters über Wasser­stoff­brücken gebunden sind, aber keine Wasserstoffbrücken zu anderen Clustern aufweisen. Die Anzahl von Clustern verschiedener Größe unterscheidet sich zwischen den super­kritischen Zuständen mit hoher und niedriger Dichte. In super­kritischem Wasser mit niedriger Dichte dominierten Eigenschaften der Gas-Phase; in super­kritischem Wasser mit hoher Dichte hingegen Eigenschaften der flüssigen Phase.

Die Forscher simulierten die zu den drei Zuständen gehörigen Schwingungs­spektren im Terahertz-Bereich, deren Form maßgeblich durch die Struktur des Wasser­stoff­brücken­netzwerks beeinflusst wird. Was der Form der Spektren auf molekularer Ebene genau zugrunde liegt, ist experimentell nicht direkt zu beobachten. Diese Lücke schließt die Theorie: Die vorliegende Studie klärte die physikalischen Prozesse auf, die die Form der Terahertz-Spektren von gas- und flüssig­keits­ähnlichem superkritischen Wasser bedingen.

„Unsere Simulationen offenbaren, dass die Terahertz-Spektroskopie eine ideale Methode sein sollte, um die Eigenschaften der Wasser­stoff­brücken im superkritischen Zustand von Wasser zu untersuchen, und zwar auf beiden Seiten der Widom-Linie“, resümiert Schran. „Unsere Ergebnisse werden zudem helfen, gemessene Spektren im Hinblick auf zugrunde liegende molekulare Prozesse zu interpretieren.“

Superkritisches Wasser ist nicht nur für die akademische Grund­lagen­forschung relevant. Die Industrie nutzt es als umweltfreundliches Lösungs­mittel. Kleine Variationen von Druck oder Temperatur nehmen großen Einfluss auf die Eigenschaften. So lässt sich Wasser gezielt auf die erforderlichen Eigenschaften tunen.

RUB / DE

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