16.05.2019

Webers Signale

Joseph Weber, der umstrittene Pionier der Gravitationswellensuche, wurde vor 100 Jahren geboren.

Als der experimentelle Nachweis von Gravitationswellen im Februar 2016 bekannt gegeben wurde, saß die Astrophysikerin Virginia Trimble, Witwe von Joseph Weber bei der Pressekonferenz in der ersten Reihe. Ihr Mann hatte im Juni 1969 weltweit Aufsehen erregt, als er den ersten Nachweis von Gravitationswellen publizierte. Doch der Jubel war verfrüht, denn andere Gruppen konnten die Messungen nicht reproduzieren, Weber hielt bis zu seinem Tod im Jahr 2000 unbeirrbar an seinen Ergebnissen fest.

Joseph Weber mit einem seiner Gravitationswellendetektoren (Foto: Special...
Joseph Weber mit einem seiner Gravitationswellendetektoren (Foto: Special Collections, University of Maryland Libraries, Copyright 1969 University of Maryland)

Das Bild, das Zeitgenossen in Nachrufen von Joseph Weber zeichnen, ist vielseitig: Sie attestieren ihm eine lebhafte physikalische Fantasie, beschreiben ihn gar als exzentrisch, andere wieder als ein Vorbild für die Studenten, was die akribische Protokollierung seiner Versuche betrifft. Er war sowohl für das Experiment als auch für die Theorie begabt. Peter Aufmuth charakterisiert den ehemaligen Marineoffizier Weber als „Gentleman“. Privat war er Vater von vier Söhnen, begeisterter Bergsteiger und Kletterer, und hielt sich bis ins hohe Alter mit Joggen und Schwimmen fit.

Auffällig ist, dass Joseph Webers Biografie persönliche und professionelle Brüche aufweist. Er wurde am 17. Mai 1919 in Paterson, New Jersey, als Sohn osteuropäischer jüdischer Eltern geboren. In seinen ersten Lebensjahren hörte er auf den Namen Jonas, wurde  jedoch später in Joseph umbenannt. Auch sein Vater hatte für die Einreise in die USA seinen Namen von Gerber in Weber geändert, damit er zu den Einreisedokumenten passte. Während der McCarthy-Ära hatte Weber große Mühe nachzuweisen, dass sein Stammbaum unverdächtig sei.

Ein einschneidendes Ereignis in Josephs Kindheit war, dass er die Sprache verlor, als er mit fünf Jahren von einem Bus angefahren wurde. Das Jiddisch seiner frühen Kindheit sollte er nicht wieder sprechen. Stattdessen nahm er den amerikanischen Akzent seines Sprachlehrers an, was ihm in der Familie den Spitznamen „Yankee“ eintrug.

Mit 23 Jahren erwarb er einen Bachelorabschluss an der  United States Naval Academy und begann seine Laufbahn als Leutnant auf dem Flugzeugträger USS Lexington. Dieser entging 1941 knapp dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Weber überlebte den Untergang der Lexington bei der Schlacht im Korallenmeer am 8. Mai 1942. Anschließend kommandierte er einen U-Boot-Jäger und war 1943 bei der Landung der Alliierten auf Sizilien dabei.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs forschte er zunächst für die Marine zur Radar-Abwehr. 1948 nahm der Korvettenkapitän seinen Abschied und wurde Professor für Elektrotechnik an der University of Maryland. Gleichzeitig studierte er Physik an der Catholic University of America, an der er 1951 mit einer Arbeit über das Mikrowellen-Inversionsspektrum des Ammoniak promoviert wurde.

Interessanterweise war Joseph Weber 1961 und 1962 für den Nobelpreis vorgeschlagen worden, weil er in den Jahren 1952/53 erstmals theoretische Arbeiten zum Prinzip des Lasers und des Masers veröffentlicht hatte. Doch machte er keinen Versuch, seine Idee technisch zu realisieren, weshalb der Nobelpreis für die Konstruktion des ersten funktionsfähigen Lasers 1964 an Charles Townes, Nicolai Basov und Alexander Prokhorov ging. Dennoch würdigte ihn Townes als „eine der ersten vier Personen, die diese Idee wirklich durchdrungen hatten“. Weber war zwar enttäuscht, blieb aber Townes weiterhin freundschaftlich verbunden.

Sein Interesse für die Allgemeine Relativitätstheorie begann während eines Sabbaticals (1955/56), das er bei John Archibald Wheeler am Institute for Advanced Study in Princeton verbrachte sowie am Lorentz Institut für Theoretische Physik in Leiden. „Nach unserer Zusammenarbeit in Leiden begeisterte sich Joe mit einem fast religiösen Eifer für Gravitationswellen und erforschte sie bis zum Ende seiner Laufbahn“, erinnert sich Wheeler. „Ich frage mich manchmal, ob ich Weber nicht zu viel Enthusiasmus für eine so monumental schwierige Aufgabe eingeflößt habe.“

Anfang der 1960er Jahre begann Weber die ersten Gravitationswellen-Detektoren zu bauen. Sie bestanden aus großen Aluminium-Zylindern von 60 Zentimeter Durchmesser, 1,54 Meter Länge und einer Masse von 1,4 Tonnen. Aufgeklebte Piezoelemente registrierten die longitudinalen Eigenschwingungen. Diverse Maßnahmen wie die Aufhängung des Zylinders sollten das Signal gegen äußere Störungen abschirmen. 1969 berichtete Weber dann den Nachweis einer Gravitationswelle aus einer Koinzidenzmessung von Detektoren in Maryland und im 1000 Kilometer entfernten Argonne National Laboratory. Allerdings war das Signal deutlich stärker als erwartet.

In den 1970er Jahren kam es zu heftigen Kontroversen zwischen Weber und diversen Experimentatoren, die seine Messungen mit zum Teil empfindlicheren Detektoren wiederholten und zu dem Schluss kamen, dass Webers Signal vermutlich von irdischen Quellen stammte. Diese Debatte wurde auch mit Interesse in den Physikalischen Blätter verfolgt.

Webers härtester Kritiker war Richard Garwin von IBM: Er beschuldigte Weber, einfach nicht zugeben zu wollen, dass er nie eine Gravitationswelle gesehen hatte, und die National Science Foundation, dass sie nicht dem Mumm habe, ihm die Mittel zu streichen. Peter Aufmuth vom Einstein-Institut hat die wesentlichen Argumente des Schlagabtauschs zusammengefasst. Dieser gipfelte in Garwins Anschuldigung, Weber sei ein „Scharlatan“, worauf dieser drohte: „Ich werde Ihnen gleich zeigen, wozu ein Offizier der Marine fähig ist, den man Scharlatan nennt!“

Bemerkenswert ist, dass Joseph Weber bereits Versuche mit Laser-Interferometrie-Experimente vorschlug und einer seiner Doktoranden ein solches an den Hughes Research Laboratories in Malibu, Californien, aufbaute. LIGO wurde erst nach seinem Tod realisiert. Joseph Weber starb am 30. September 2000 im Alter von 81 Jahren.

„Hat er denn Gravitationswellen gemessen?“, fragte ein Redakteur von „Science“ nach der LIGO-Pressekonferenz Webers Witwe. Ihre Antwort: „Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, wenn es zwei Technologien gegeben hätte, die sich im Wettstreit zueinander vorangetrieben hätten – und nicht im Konkurrenzkampf – dann hätte man vielleicht schon früher Gravitationswellen beobachten können.“ Für Kip Thorne, der 2017 den Nobelpreis für die Messung der Gravitationswellen erhalten sollte, stand jedenfalls fest: „Joe ist in dieses Gebiet eingestiegen, als sonst niemand auf der Welt daran dachte“.

Anne Hardy

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