06.11.2020

Weicher Materie auf den Grund gehen

Neue Heisenberg-Professur mit Schwerpunkt weiche Materie und Biophysik in Magdeburg eingerichtet.

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wird mit dem renommierten Physiker Andreas Menzel eine weitere Heisenberg-Professur besetzt. Diese von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft DFG finanzierte Exzellenzberufung hat zum Ziel, ein neues Forschungsgebiet innerhalb einer wissenschaftlichen Schwerpunkt­setzung der Universität zu etablieren. Andreas Menzel wird in der von ihm geleiteten neuen Abteilung Theorie der weichen Materie / Biophysik an der Fakultät für Natur­wissenschaften der Universität Magdeburg auf dem Gebiet der weichen und aktiven Materie forschen. 
 

Abb.: Andreas Menzel (Bild: J. Dünnhaupt / U. Magdeburg)
Abb.: Andreas Menzel (Bild: J. Dünnhaupt / U. Magdeburg)

Er habe sich für die Universität Magdeburg unter anderem deshalb entschieden, weil hier die weiche Materie einen der beiden Forschungsschwerpunkte in der Physik bildet. „Die experimentellen Gruppen decken hier ein sehr breites Themen­spektrum forschungs­stark ab, was für uns als Theoretiker ein äußerst inspirierendes Umfeld bedeutet“, so der Wissenschaftler, der für seine neue Aufgabe von Düsseldorf nach Magdeburg gekommen ist. 

„Der weichen Materie werden zahlreiche unterschiedliche Materialklassen zugerechnet, zum Beispiel Flüssigkristalle, Gele, Gummis, Tenside, Schäume oder biologisches Zellgewebe“, erläutert Andreas Menzel. „Auch wir selbst bestehen zu einem großen Teil aus weicher Materie und haben also ständig damit zu tun: Wenn wir essen, uns waschen oder Texte auf unserem Display lesen.“ Der Begriff „weiche Materie“ sei einfach zu verstehen, wenn wir an Kräfte denken, die wir mit unseren Armen und Händen aufbringen können, so der Physiker. „Wenn wir mit unserer Muskel­kraft versuchen, eine Stahlstange zu deformieren, erkennen wir mit bloßem Auge kaum einen Effekt. Anders sieht es bei einem Gummiband oder biologischem Gewebe aus. Solche weichen Systeme ‚antworten‘ auf die von uns aufgebrachten Kräfte relativ deutlich durch entsprechend starke Verformungen. Gleichzeitig erreichen wir wegen der ausgeprägten Antwort relativ schnell den sogenannten nicht­linearen Bereich, was bedeutet, dass dort der Grad der Verformung nicht mehr proportional zur Kraftstärke anwächst. Hier wird es physikalisch besonders interessant, die Hinter­gründe solchen Verhaltens zu erforschen.“ 

Ein gutes Beispiel dafür sei Wandfarbe, veranschaulicht Menzel. „Sie besteht in der Regel aus vielen einzelnen, in einer Flüssigkeit stabilisierten mikroskopischen Farbpartikeln. Will man nun den Ursprung der Fließ­eigenschaften der Farbe beim Streichen genauer verstehen, muss man dies aus den Eigenschaften der einzelnen Farbpartikel und aus ihren Wechsel­wirkungen untereinander berechnen. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, weil man gleichzeitig sehr, sehr viele mikroskopische Partikel berücksichtigen muss. Daher greift man häufig auf statistische Methoden zurück.“ Auf diese Weise gelingt es, die Eigenschaften von solchen Suspensionen mit den Eigenschaften der enthaltenen mikroskopischen Partikel in Verbindung zu bringen. Ein sehr aktuelles Forschungs­gebiet in diesem Bereich sind aktive Suspensionen. Hier können sich die einzelnen mikroskopischen Partikel zusätzlich noch eigenständig bewegen, wodurch das Gesamt­system grundlegend neue Eigenschaften erhält. Beispiele dafür sind Bakterien in einer wässrigen Umgebung, die über einen eigenen Antriebs­mechanismus verfügen und die Eigenschaften der Suspension dadurch verändern. Die Grenzen zur Biophysik sind dabei fließend. 

„Das Ziel unserer Forschung ist es, besser zu verstehen, wie diese unterschiedlichen Komponenten in Systemen weicher Materie zusammen­spielen und so die Eigenschaften des Systems insgesamt ergeben. Um beim Beispiel von oben zu bleiben: Die aktive Bewegung der Bakterien in der Suspension kann im Vergleich zur klassischen Wandfarbe zu einem deutlich niedrigeren Widerstand beim Verstreichen führen. Gelänge es, eine entsprechende ‚aktive Farbe‘ künstlich herzustellen, würde sich diese praktisch ‚wie von selbst‘ verstreichen lassen. Weltweit arbeiten Forscher bereits intensiv an der synthetischen Erzeugung aktiver Suspensionen.“

Andreas Menzel studierte Physik und promovierte 2009 an der Universität Bayreuth. Nach Postdoc-Aufenthalten an der University of Illinois at Urbana-Champaign in den USA und am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz sowie mehreren Kurz­aufenthalten an der Universität Kyoto in Japan habilitierte sich Andreas Menzel 2014 in der theoretische Physik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 

U. Magdeburg / DE
 

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