08.04.2022 • Energie

Weizen und Strom vom Acker

Agri-PV soll durch Feldforschung und Modellprojekte weiter entwickelt werden.

Eine Fläche – zweifache Nutzung: Die Agri-Photovoltaik bietet die Chance, auf landwirt­schaftlichen Flächen gleichzeitig Nahrungs­mittel und Solarstrom zu produzieren. Die Bundesregierung will Agri-PV-Anlagen auf landwirt­schaftlichen Nutzflächen künftig über das Erneuerbare-Energien-Gesetz fördern und greift damit eine zentrale Forderung aus dem Themen­steckbrief der Arbeitsgruppe Agri-Photovoltaik auf. Nun sollte die Bundesregierung auch die notwendige Begleit­forschung fördern, damit das Potential der innovativen Technologie noch weiter ausgenutzt werden könne, so die Forscherinnen und Forscher. Dazu schlagen sie eine Kombination von Feldforschung und Agri-PV-Modell­projekten als „Living Labs“ vor. Bei ihren Einschät­zungen stützt sich die Arbeitsgruppe auf die Expertise eines Netzwerkes mit 16 Mitgliedern, darunter die Uni Hohenheim in Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. 

Abb.: Die Agri-Photovoltaik-Anlage in Heggelbach am Bodensee. (Bild: Fh.-ISE)
Abb.: Die Agri-Photovoltaik-Anlage in Heggelbach am Bodensee. (Bild: Fh.-ISE)

Vier Prozent der landwirt­schaftlichen Flächen in Deutschland würden ausreichen, um den gesamten Strombedarf des Landes zu decken. So lautet die Hochrechnung in dem aktuellen Themen­steckbrief der Arbeitsgruppe Agri-Photovoltaik. Gleichzeitig kann auf diesen Flächen auch noch eine Ernte eingefahren werden. Für landwirt­schaftliche Betriebe bedeutet die Strom-Produktion eine wertvolle Zusatzeinnahme. Ein weiterer Vorteil neben der doppelten Ernte: Die Anlagen können Kulturpflanzen vor zunehmenden Extrem-Wetter­ereignissen wie Starkregen oder Hagel schützen. 

Dass das Konzept funktioniert, zeigen die 2021 abgeschlossenen Versuche der Universität Hohenheim und des Fraunhofer ISE. Auf einer Versuchs­fläche am Bodensee untersuchten die Forschenden die Auswirkungen einer Agri-PV-Anlage auf die Kulturen Kartoffel, Sellerie, Kleegras und Weizen. Das Ergebnis: eine durch­schnittliche Landnutzung von 160 Prozent. Statt je 100 Prozent Weizen und 100 Prozent Solarstrom auf zwei getrennten Feldern, ermöglicht Agri-PV in unserer Klimazone auf der gleichen Fläche eine Produktion von etwa 80 Prozent Weizen und 80 Prozent Solarstrom. In warmen und trockenen Jahren begünstigte der Schatten der PV-Anlagen sogar den Pflanzen­wuchs. 2018 stieg der Weizenertrag auf dem Versuchsfeld um drei Prozent, der Ertrag von Kartoffeln sogar um elf Prozent.

Die positiven Erkenntnisse bei diesen Beispiel-Pflanzen legen nah, dass sich das Potential der Agri-Photo­voltaik durch detailliertere Forschung noch effi­zienter heben ließe. „Eine spannende Frage ist, durch welche Pflanzen sich das Potential der Agri-PV-Felder besonders weit ausreizen lässt. Gleichzeitig müssen wir untersuchen, wie die Anlagen die Biodiversität auf den Feldern beeinflussen und welche Maßnahmen gegebenen­falls zu ergreifen sind“, sagt Lisa Pataczek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Öko­logischer Landbau der Universität Hohenheim. Ein weiterer Aspekt: „Manche Anlagen können Pflanzen zudem vor starker Sonne oder Regen schützen. Durch weitere Forschung können wir herausfinden, wie man die Anlagen wirtschaftlich und ökologisch am besten einsetzen kann.“

Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzen­ökologie an der Universität Hohenheim, ergänzt: „Die angekündigte Solar-Offensive der Bundes­regierung ist ein wichtiger Schritt und greift eine unserer zentralen Forderungen auf. Um die Anlagen in Zukunft effizient und nachhaltig laufen zu lassen, wäre nun eine intensive Begleit­forschung mehr als ratsam.“ Ideal wäre eine Kombination von Feldforschung und Modellprojekten, so der Pflanzenökologe der Universität Hohenheim: „Solche „Living Labs“ wären ideal, um zum Beispiel Bedingungen an verschiedenen Standorten in Deutschland zu testen.“ Aus den Ergebnissen könnten im nächsten Schritt Empfehlungen für ein differen­ziertes Förder­programm abgeleitet werden, um die Anlagen bestmöglich in die Praxis zu überführen.

Ein solches wissenschaftlich fundiertes Förder­programm sei ein wichtiger Schritt, findet auch Max Trommsdorff, Gruppen­leiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE: „Durch eine pauschale Förderung würden unterschiedliche Systeme miteinander konkurrieren. Die besonders flächen­effizienten hoch aufgeständerten Anlagen-Typen sind allerdings aktuell noch auf eine höhere Förderung angewiesen.“ Eine differen­zierte Förderung der unter­schiedlichen Anlagen würde sicherstellen, dass die Technologie ihr volles Potenzial entfaltet. 

U. Hohenheim / JOL

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