30.03.2016

Weltkleinstes Gravimeter für mobile Schweremessungen entwickelt

MEMS-Sensor mit sehr kleiner Resonanzfrequenz könnte Erdölsuche erleichtern und vor Vulkanausbrüchen warnen.

Gravimetrische Messungen liefern Geophysikern wichtige Daten zu Erdöl­lager­stätten im Unter­grund oder vulkanischen Aktivitäten. Doch genaue Gravimeter wiegen bisher mindestens acht Kilogramm, sind so groß wie kleine Auto­batterien und kosten mehrere Zehn­tausend Euro. Viel kleiner und günstiger ist nun ein neuer Schwer­kraft­sensor, den schottische Physiker entwickelt haben. Für ihren Prototyp nutzten die Wissenschaftler die gleiche Fertigungstechnik für mikro­elektro­mechanische Systeme (MEMS) wie bei winzigen Beschleunigungs­sensoren, die in nahezu allen Smartphones integriert sind.

Abb.: Weltkleinstes Gravimeter: Ein kippendes Siliziumplättchen weist auf lokale und zeitliche Änderungen in der Schwerkraft hin. (Bild: R. Middlemiss et al., U. Glasgow)

Um die gravimetrische Beschleunigung zu messen, lassen sich die Geschwindigkeit fallender Körper, Pendel­schwingungen oder Auslenkungen einer Feder­waage nutzen. Letzteres Mess­prinzip nutzt die Mehrzahl heute verfügbarer Gravimeter wie auch der neue Prototyp von Richard Middlemiss und Kollegen von der University of Glasgow. Doch den Forschern genügte ein nur 200 Mikrometer dicker Silizium­chip, beschichtet mit einer hauch­dünnen Chromlage. Mit lithografischen Verfahren fertigten sie zusätzlich filigrane Metall­federn, an denen der Silizium­chip drehbar aufgehängt wurde.

Bei veränderter Schwere­beschleunigung (relatives Gravimeter) verdrehte sich der Silizium­chip ein wenig aus einer waagerechten Position in eine zunehmend senkrechte. Durch diese Bewegung wurden die filigranen Federn etwas gespannt. Dabei veränderte sich die Resonanz­frequenz des mechanischen Systems auf kleine Werte von 20 bis auf 2,3 Hertz, die eine wichtige Voraussetzung von Schwer­kraft­messungen sind.

Abb.: MEMS-Gravimeter mit einem drehbaren Siliziumplättchen unter dem Mikroskop (Bild: R. Middlemiss et al., U. Glasgow)

Das Kippen des Siliziumchips ließ sich über eine Photo­diode, die das Licht einer Leucht­diode auffing, messen. Je stärker der Silizium­chip kippte und sich in die Senkrechte bewegte, desto weniger Licht konnte der Sensor auffangen. So konnte dieser Messwert als Maßstab für die Schwere­beschleunigung genutzt werden, die sich mit einer Genauigkeit von etwa 40 µGal Hz-1/2 bestimmen ließ.

Mit einem Hüllylinder vor störender Wärme­strahlung abgeschirmt, konnten die Wissen­schaftler mit dem Gravimeter die Änderung der Schwerkraft im Lauf der täglichen Gezeiten mit hoher Genauigkeit messen. Die Empfindlich­keit des Sensors reicht aber ebenso aus, um Hohlräume oder Tunnel in einigen Metern Tiefe aufzuspüren. Auch heiße Lava­ströme unter Vulkanen, die ebenfalls die wirkende Schwer­kraft ein wenig verändern, ließen sich mit diesem Gravimeter analysieren. So ist es nicht ausgeschlossen, dass dieser Prototyp zu einem neuartigen und effektiven Warnsystem vor Vulkan­ausbrüchen führen könnte.

In weiteren Schritten will die Arbeitsgruppe um Richard Middlemiss ihr Mini-Gravimeter weiter verkleinern. Sie halten es für möglich, dass in naher Zukunft solche MEMS-Schwerkraftsensoren sehr günstig produziert in großen Mengen werden könnten. Mit einer Masse von 25 Milligramm für das MEMS-Modul könnten dann sehr leichte Gravi­meter mit Photodiode und LED auch auf kleine Drohnen montiert werden. Unter einem unerforschten Gelände könnte man dann Erdöl­lager­stätten einfacher und schneller als heute aufspüren.

Jan Oliver Löfken

DE

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