Weltsprache der Maße
Weltmetrologietag erinnert an die große Leistung der Universalsprache bei Messungen.
„Sie haben 102 Grad Körpertemperatur – hohes Fieber!“ „Wie bitte?“ Diesen irritierenden Dialog können Sie erleben, wenn Sie sich im USA-Urlaub schlecht fühlen und zum Arzt gehen. In den USA wird Temperatur in Fahrenheit gemessen: 102 Grad Fahrenheit entsprechen 38,9 Grad Celsius. Solche Irritationen – oder gar folgenreiche Missverständnisse – bei der Verwendung von Maßeinheiten sind zumindest in der Wissenschaft sehr selten. Das liegt an einem historischen Ereignis, an das jährlich mit dem Weltmetrologietag am 20. Mai erinnert wird: der Meterkonvention. Dieser Vertrag wurde 1875 von den damals wichtigsten Industrienationen unterzeichnet. Inzwischen sind nahezu alle Staaten der Welt gefolgt. Sie haben sich damit verpflichtet, nur noch metrische Einheiten zu benutzen. Ausnahmen sind bis heute die USA und einige wenige andere Staaten mit ihren angelsächsischen Einheiten – aber auch nur im Alltag. In der Wissenschaft sind das metrische System und das Internationale Einheitensystem SI unstrittig die gemeinsame Sprache.
Zum diesjährigen Weltmetrologietag mit dem Motto „Messungen für die Gesundheit“ bietet die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, als nationales Metrologieinstitut Deutschlands die oberste Instanz rund ums Messen, ein vergnügliches Quiz für Lehrer, Schüler und Quizbegeisterte an. Außerdem haben die Biochemie-Experten der PTB zusammen mit internationalen Kollegen einige englischsprachige Filme erstellt.
Im Mittelalter war es normal: Wollte etwa ein Tuchproduzent seine Waren im Nachbar-Herzogtum verkaufen, musste er sich mit dem Käufer erstmal darüber einigen, welche Elle denn nun benutzt werden sollt. Der Flickenteppich der unterschiedlichsten Einheiten – die sich auch nicht so ohne Weiteres ineinander umrechnen ließen – machte den Handel und damit eine wirtschaftliche Entwicklung sehr schwer. Das änderte sich, als nach der Französischen Revolution die beiden ersten einheitlichen, metrischen Einheiten ihren Siegeszug antraten: Meter und Kilogramm. Aber richtig international wurden sie erst knapp hundert Jahre später mit der Meterkonvention von 1875. Mit ihr wurde das metrische System, in dem man so praktisch mit Nullen und Zehnen rechnen kann, zu einer universellen Sprache, die seit 1960 das Internationale Einheitensystem SI mit einbezog.
Nur noch selten blitzte danach die Erkenntnis auf, dass all dies eine Errungenschaft und durchaus nicht selbstverständlich war. So etwa nach der deutschen Einheit, als Ärzte in Deutschland-West und Deutschland-Ost mit Erstaunen feststellen mussten, dass sie in einer Art babylonischer Sprachverwirrung gelandet waren: In beiden Teilen Deutschlands waren sie gewohnt, Konzentrationen von Stoffen im Blut oder Urin in SI-Einheiten anzugeben. Aber in der DDR hieß die Einheit „Millimol pro Liter“ und in der Bundesrepublik „Milligramm pro Deziliter“. Tauschte man sich nun mit einem anderen Arzt oder Labormediziner aus, ohne explizit die Einheit mit anzugeben, konnte es zu gefährlichen Verwirrungen kommen. Gewohnheiten sind langlebig, und so beklagte sich noch 2004, immerhin 13 Jahre nach der Wiedervereinigung, ein Arzt im Deutschen Ärzteblatt darüber, dass bei Laborwerten „ohne Umrechnungstabelle nichts läuft".
PTB / RK
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