07.11.2014

Wetterleuchten am Ereignishorizont

MAGIC-Teleskope beobachten in der Gala­xie IC 310 einen außer­ordent­lich kurzen, hef­tigen Strah­lungs­aus­bruch.

Schwarze Löcher mit Massen von bis zu einigen Milliarden Sonnen befinden sich in fast allen hellen Galaxien, die man bislang astro­nomisch eingehend untersucht hat. Auch im Zentrum der zum Perseus-Galaxien­haufen gehörigen Galaxie IC 310 befindet sich solches. Es ist außerdem bekannt für einen Jet, der Plasma aus dem Zentrum der Galaxie ausstößt und diesen mehrere hundert­tausend Licht­jahre weit ins Weltall hinaus schleudert. Die Leucht­kraft dieses Jets entspricht der von zehn Milli­arden Sonnen.

Abb.: IC 310 (Pfeile) gehört zum Perseus-Galaxien­haufen, sie besitzt einen aktiven Kern und zeigt sich im Radio­bereich als helle Quelle. (Bild: SDSS)

Der Ursprung dieses Jets und die für diese enorme Energie­frei­setzung verant­wort­lichen physi­kali­schen Prozesse sind bislang rätsel­haft. Ein wenig „Licht ins Dunkel“ bringen jetzt die die Auswer­tungen von Beobach­tungen, die ein inter­natio­nales Team von Astro­physi­kern im November 2012 durch­führte.

Abb.: Ein rotie­ren­des schwar­zes Loch indu­ziert ein Magnet­feld (rote Linien). In den Pol­be­rei­chen (gelb) tre­ten star­ke elek­tri­sche Fel­der auf, die Teil­chen auf rela­tivis­ti­sche Ge­schwin­dig­kei­ten be­schleu­ni­gen, dabei hohe Ener­gien und schließ­lich – in Wech­sel­wir­kung mit Par­ti­keln nie­dri­ger Ener­gien – Gamma­strah­len mit sehr schnel­len Zeit­vari­atio­nen er­zeu­gen. (Bild: MAGIC-Koll.)

„Wir haben uns bei der Beob­ach­tung der Gala­xie IC 310 zunächst auf den Bereich der Gamma­strah­lung kon­zen­triert“, schil­dert Karl Mann­heim von der Uni­versi­tät Würz­burg den Vor­gang. Dabei habe die Hel­lig­keit des Objekts plötz­lich extrem zu flackern begon­nen. Weil die Hel­lig­keit inner­halb von Minu­ten ab- und wieder zunahm, stand für die Physi­ker fest: Die Quelle dieser Gamma­strah­lung musste kleiner als der Ereig­nis­hori­zont des super­masse­rei­chen schwar­zen Lochs im Zentrum der Galaxie sein.

„Kein Objekt kann plötz­lich seine ganze Ober­fläche schneller erhellen, als das Licht braucht, um diese zu durch­queren“, sagt Julian Sitarek vom Institut de Fisica d'Altes Energies (IFAE) in Barce­lona. Und MAGIC-Sprecher Razmik Mirzoyan vom MPI für Physik in München ergänzt: „Der Bereich, aus dem die Gamma­strah­lung stammt, muss daher wesent­lich kleiner sein als der Ereig­nis­horizont.“ Das bedeutet, dass die Astronomen das schwarze Loch mit den MAGIC-Teles­kopen offen­bar sehr detail­liert beobachtet haben. Was aber ist das Beson­dere an der Schwer­kraft­falle im Herzen von IC 310?

Ergänzende Beobachtungen von Matthias Kadler mit dem europä­ischen Netzwerk von Radio­teles­kopen EVN zeigten den Astro­physikern, dass dort ein Plasma­jet von einer extrem kompakten Quelle ausge­stoßen wurde. Die Forscher waren vermutlich Zeugen eines Vorgangs, den man am besten als „Wetter­leuchten am Ereig­nis­horizont“ bezeichnen könnte. „Das Schwarze Loch im Zentrum von IC 310 scheint sehr stark zu rotieren und dadurch wie ein Dynamo einen elek­trischen Strom von Teilchen zu verur­sachen, die sich fast mit Licht­geschwin­digkeit bewegen und dabei Gamma­strahlung aussenden“, erklärt Mannheim das Geschehen. Seine Kollegin Dorit Eisenacher Glawion erinnert sich: „Da wir bereits wussten, dass der Ereig­nis­horizont des schwarzen Lochs in IC 310 größer als der drei­fache Erdbahn­radius ist, war die Ent­deckung von Zeit­variabi­lität, die nur einem Fünftel dieser Strecke entspricht, eine voll­kommene Über­raschung für uns.“

Abb.: Die Karte zeigt IC 310 bei Gammastrahlen. Das Inset ist ein Zoom auf das Zentrum der Galaxie und macht Details des Jets sichtbar, aufgenommen bei Radiowellen vom Europä­ischen VLBI-Netzwerk. Die Konturlinien beschreiben die Struktur des Jets, der nahe dem schwarzen Loch im Herzen von IC 310 ansetzt. (Bild: MAGIC-Koll.)

Aus theoretischer Sicht vermuten Wissenschaftler schon seit Langem, dass super­masse­reiche schwarze Löcher ihre Rotations­energie durch die Erzeugung von Plasmajets verlieren. Die Entstehung der Jets spielt sich in der Ergo­sphäre ab, einer Region in der Umgebung des Ereignis­horizonts. Durch die Rotation der Raumzeit und des darin befind­lichen Plasmas der Ergosphäre entsteht ein elek­trisches Potential, in dem Teilchen ähnlich wie in Pulsaren zu sehr hohen Energien beschleunigt werden. Sie verur­sachen dann Gamma­strahlung und Lawinen von Sekundär­teilchen, die als Plasmajets entweichen.

Tatsächlich konnte mit dem europäischen Netzwerk von Radio­antennen der Jet schon auf Skalen weniger Licht­jahre nach­gewiesen werden. „Nur dank der Radio­inter­fero­metrie mit dem EVN können wir die kompakte Struktur des Jets räumlich auflösen“ erklärt Robert Schulz vom Würzburg-Erlanger Forschungs­cluster für Astro­teilchen­physik.

Video: A Lightning Inferno at the Event Horizon of the Black Hole in the galaxy IC310. (Animation: Robert Schulz)

JMU / MPG / OD

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