Wetterleuchten am Ereignishorizont
MAGIC-Teleskope beobachten in der Galaxie IC 310 einen außerordentlich kurzen, heftigen Strahlungsausbruch.
Schwarze Löcher mit Massen von bis zu einigen Milliarden Sonnen befinden sich in fast allen hellen Galaxien, die man bislang astronomisch eingehend untersucht hat. Auch im Zentrum der zum Perseus-Galaxienhaufen gehörigen Galaxie IC 310 befindet sich solches. Es ist außerdem bekannt für einen Jet, der Plasma aus dem Zentrum der Galaxie ausstößt und diesen mehrere hunderttausend Lichtjahre weit ins Weltall hinaus schleudert. Die Leuchtkraft dieses Jets entspricht der von zehn Milliarden Sonnen.
Abb.: IC 310 (Pfeile) gehört zum Perseus-Galaxienhaufen, sie besitzt einen aktiven Kern und zeigt sich im Radiobereich als helle Quelle. (Bild: SDSS)
Der Ursprung dieses Jets und die für diese enorme Energiefreisetzung verantwortlichen physikalischen Prozesse sind bislang rätselhaft. Ein wenig „Licht ins Dunkel“ bringen jetzt die die Auswertungen von Beobachtungen, die ein internationales Team von Astrophysikern im November 2012 durchführte.
Abb.: Ein rotierendes schwarzes Loch induziert ein Magnetfeld (rote Linien). In den Polbereichen (gelb) treten starke elektrische Felder auf, die Teilchen auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigen, dabei hohe Energien und schließlich – in Wechselwirkung mit Partikeln niedriger Energien – Gammastrahlen mit sehr schnellen Zeitvariationen erzeugen. (Bild: MAGIC-Koll.)
„Wir haben uns bei der Beobachtung der Galaxie IC 310 zunächst auf den Bereich der Gammastrahlung konzentriert“, schildert Karl Mannheim von der Universität Würzburg den Vorgang. Dabei habe die Helligkeit des Objekts plötzlich extrem zu flackern begonnen. Weil die Helligkeit innerhalb von Minuten ab- und wieder zunahm, stand für die Physiker fest: Die Quelle dieser Gammastrahlung musste kleiner als der Ereignishorizont des supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie sein.
„Kein Objekt kann plötzlich seine ganze Oberfläche schneller erhellen, als das Licht braucht, um diese zu durchqueren“, sagt Julian Sitarek vom Institut de Fisica d'Altes Energies (IFAE) in Barcelona. Und MAGIC-Sprecher Razmik Mirzoyan vom MPI für Physik in München ergänzt: „Der Bereich, aus dem die Gammastrahlung stammt, muss daher wesentlich kleiner sein als der Ereignishorizont.“ Das bedeutet, dass die Astronomen das schwarze Loch mit den MAGIC-Teleskopen offenbar sehr detailliert beobachtet haben. Was aber ist das Besondere an der Schwerkraftfalle im Herzen von IC 310?
Ergänzende Beobachtungen von Matthias Kadler mit dem europäischen Netzwerk von Radioteleskopen EVN zeigten den Astrophysikern, dass dort ein Plasmajet von einer extrem kompakten Quelle ausgestoßen wurde. Die Forscher waren vermutlich Zeugen eines Vorgangs, den man am besten als „Wetterleuchten am Ereignishorizont“ bezeichnen könnte. „Das Schwarze Loch im Zentrum von IC 310 scheint sehr stark zu rotieren und dadurch wie ein Dynamo einen elektrischen Strom von Teilchen zu verursachen, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und dabei Gammastrahlung aussenden“, erklärt Mannheim das Geschehen. Seine Kollegin Dorit Eisenacher Glawion erinnert sich: „Da wir bereits wussten, dass der Ereignishorizont des schwarzen Lochs in IC 310 größer als der dreifache Erdbahnradius ist, war die Entdeckung von Zeitvariabilität, die nur einem Fünftel dieser Strecke entspricht, eine vollkommene Überraschung für uns.“
Abb.: Die Karte zeigt IC 310 bei Gammastrahlen. Das Inset ist ein Zoom auf das Zentrum der Galaxie und macht Details des Jets sichtbar, aufgenommen bei Radiowellen vom Europäischen VLBI-Netzwerk. Die Konturlinien beschreiben die Struktur des Jets, der nahe dem schwarzen Loch im Herzen von IC 310 ansetzt. (Bild: MAGIC-Koll.)
Aus theoretischer Sicht vermuten Wissenschaftler schon seit Langem, dass supermassereiche schwarze Löcher ihre Rotationsenergie durch die Erzeugung von Plasmajets verlieren. Die Entstehung der Jets spielt sich in der Ergosphäre ab, einer Region in der Umgebung des Ereignishorizonts. Durch die Rotation der Raumzeit und des darin befindlichen Plasmas der Ergosphäre entsteht ein elektrisches Potential, in dem Teilchen ähnlich wie in Pulsaren zu sehr hohen Energien beschleunigt werden. Sie verursachen dann Gammastrahlung und Lawinen von Sekundärteilchen, die als Plasmajets entweichen.
Tatsächlich konnte mit dem europäischen Netzwerk von Radioantennen der Jet schon auf Skalen weniger Lichtjahre nachgewiesen werden. „Nur dank der Radiointerferometrie mit dem EVN können wir die kompakte Struktur des Jets räumlich auflösen“ erklärt Robert Schulz vom Würzburg-Erlanger Forschungscluster für Astroteilchenphysik.
Video: A Lightning Inferno at the Event Horizon of the Black Hole in the galaxy IC310. (Animation: Robert Schulz)
JMU / MPG / OD