07.10.2020

Wie Bauteile aus der Laserschmelze ermüden

Neues Labor simuliert Belastung von Produkten aus der additiven Fertigung.

Um die Zuverlässigkeit additiv gefertigter Bauteile besser steuern zu können, hat das Fraunhofer Institut für Betriebs­festigkeit und System­zuverlässigkeit LBF in Darmstadt mit den „AM Fatigue Labs“ ein neues Laboratorium eingerichtet. Darin werden Methoden entwickelt, die Bean­spruchungen für additiv gefertigte Bauteile simulieren, die wiederum als Grundlage für Bemessungs­empfehlungen dienen. Mit diesen realitäts­nahen Simulationen lassen sich zutreffende Bemessungs­kennwerte zur Auslegung der Bauteile ermitteln. Sie gewährleisten auch eine verlässliche Design­validierung, indem sie den Einfluss sämtlicher relevanter Prozess­parameter, der Betriebs­beanspruchungen sowie, je nach Anwendungsfall, Umwelt­einflüsse berück­sichtigen.

Abb.: Blick in die Räume des neuen „AM FATIGUE LABS“, in dem die...
Abb.: Blick in die Räume des neuen „AM FATIGUE LABS“, in dem die Zuver­lässigkeit additiv gefer­tigter Bauteile genauer unter­sucht werden kann. (Bild: Fh.-LBF)

Damit die Vorteile der additiven Fertigung im Sinne des Leichtbaus auch für sicherheitsrelevante Komponenten erschlossen werden können, sind zahlreiche Heraus­forderungen im Wechselfeld von Bauteil­geometrie, Fertigung, Betriebs­beanspruchungen und Umwelt­einflüssen zu meistern. Abhängig etwa von der Bauteil­geometrie, der Belichtungs­strategie und dem verwendeten Werkstoff, lassen sich nahezu beliebige Eigenschaftsgradienten im Bauteil einstellen. Diese können jedoch auch dazu führen, dass geometrisch identische Bauteile unter gleicher Belastung deutlich unter­schiedliches Betriebs­verhalten und schließlich Lebensdauern haben. 

Der Erkenntnis, dass die Ermüdung von Bauteilen durch lokale Phänomene getrieben wird, kommt vor allem bei additiv gefertigten Kompo­nenten eine gesteigerte Bedeutung zu. „Die neuen Freiheitsgrade bei der Bauteilentwicklung erfordern ein neues Bemessungs­konzept, um das Potential dieser Fertigungs­technologie auch für zyklisch beanspruchte, sicherheitsrelevante Bauteile heben zu können“, sagt Rainer Wagener, unter dessen Federführung das neue Labora­torium errichtet wurde. Der Herstellungs­prozess induziert zum einen geometrische Defekte in Form von Poren, Einschlüssen oder rauen Oberflächen, zum anderen führt die lokal stark begrenzte Erwärmung zur Ausbildung signifikanter Eigenschafts­gradienten. Neben den Parametern der Belichtungs­strategie oder des Prozess­gases die direkt vom Benutzer gesteuert werden können, spielt unter anderem auch die Baurichtung sowie die Auslegung erforderlicher Stütz­strukturen eine erhebliche Rolle bei der Ausbildung der Werkstoff­mikrostruktur und somit der lokalen Eigenschaften inklusive der Defekt­verteilung. 

In dem Labor setzt das Team unterschiedliche optische Dehnungs­sensoren ein, deren Messsignale über die erforderliche Echtzeit­fähigkeit verfügen. Auf diese Weise wird eine Dehnungsregelung beispielweise in versagens­relevanten Bauteil­bereichen ermöglicht. Gleichzeitig können die Wissen­schaftler aus der lastsynchronen Messung lokaler Dehnungs­felder Informationen über den lokal wirkenden Schädigungs­mechanismus ableiten. Diese Informationen können zur Bauteil­optimierung genutzt werden. Darüber hinaus lassen sie sich auch zur Steigerung der Werkstoff­ausnutzung durch Berücksichtigung des defektorientierten Werkstoff­verhaltens bereits in frühen Auslegungs­phasen nutzen. „Durch die Ableitung dedizierter Bemessungs­konzepte und Untersuchungs­methoden wird dabei für additiv gefertigte Komponenten eine Anwendungs­sicherheit geschaffen, die mit derzeitig verfügbaren Regelwerken, welche sich allesamt an klassischen Herstellungs­technologien orientieren, nicht zu erreichen ist“, sagt Wagener.

Fh.-LBF / JOL

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