11.11.2016

Wie eine Spektrallinie entsteht

Ultrakurze intensive Laserpulse schalten funda­men­tales Quanten­phänomen.

Zum ersten Mal konnten Forscher in Echtzeit beobachten, wie eine atomare Spektral­linie inner­halb von einigen Femto­sekunden ent­steht, und damit eine theore­tische Vor­her­sage bestä­tigen. Dazu verwen­deten sie einen sehr schnellen zeit­lichen Schalter: Ein inten­siver Laser­blitz unter­bricht den natür­lichen Zer­fall kurz nach Anre­gung durch einen voran­gehenden Laser­blitz. Wie sich die asymme­trische Fano-Linien­form von zwei quante­nmecha­nisch inter­ferie­renden Elek­tronen im Helium­atom zeit­lich auf­baut, ver­folgten die Wissen­schaftler, indem sie den Zeit­ver­satz zwischen den beiden Laser­pulsen vari­ierten.

Abb.: Entstehung einer spektralen Absorp­tions­linie: Die gemes­sene Absorp­tion (als optische Dichte) in Helium­gas in Abhän­gig­keit von der Photonen­energie des anre­genden extrem-ultra­vio­letten Licht­blitzes und dem Zeit­ver­satz zum ioni­sie­renden nah-infra­roten Laser­puls, der als zeit­licher Schalter wirkt. Die graue Linie zeigt das voll ent­wickelte Fano-Profil. (Bild: MPIK)

Im klassischen Bild können Elektronen in einem Atom nur auf bestimmten Bahnen ihren Kern um­kreisen. Quanten­mecha­nisch ge­sprochen be­setzen sie be­stimmte Energie­niveaus. Licht kann ein Elek­tron auf ein höheres Niveau an­regen, wenn seine Energie der Energie­diffe­renz der Orbitale ent­spricht. Das Atom absor­biert also nur Licht be­stimm­ter Wellen­längen. In den meisten Fällen haben die ein­zelnen Spektral­linien des Absor­ptions­spektrums eine symme­trische Form. Unter beson­deren Bedin­gungen treten aber auch asymme­trische Linien­formen auf, die als Fano-Profile bezeich­net werden.

Ein Beispiel dafür ist der Zerfall doppelt ange­regten Heliums: Eines der beiden ange­regten Elek­tronen fällt in den Grund­zu­stand zurück, nach­dem es mit dem anderen Elek­tron kolli­diert ist, das da­durch aus dem Atom heraus­fliegt. Da das freie Elektron nicht mehr auf dis­krete Energie­niveaus be­schränkt ist, tritt hier die Kopp­lung eines dis­kreten Zu­stands an ein Konti­nuum auf. Theore­tische Rech­nungen sagen vorher, dass sich das zuge­hörige Fano-Profil nicht sofort, sondern nach und nach, wenn auch extrem schnell, auf­baut: Das Ent­falten der Linien­form dauert in Helium einige Femto­sekunden.

Kürzlich gelang es Experimentalphysikern vom MPI für Kern­physik in Zusam­men­arbeit mit theore­tischen Physikern der TU Wien und der Kansas State Univer­sity in den USA, eine Art Zeit­lupen-Film vom Ent­stehen einer solchen Fano-Linie auf­zu­nehmen. Die extrem kurzen Zeiten er­reich­ten sie mit zwei ultra­kurzen laser­kon­trol­lierten Licht­blitzen. Der erste im extremen Ultra­violett regt beide Elek­tronen des Helium­atoms an. Einige Femto­sekunden später löst der zweite, inten­sive Laser­blitz im nahen Infra­rot die Ioni­sation vor­zeitig aus, er be­schleu­nigt also den natür­lichen Zer­falls­pro­zess stark.

„Man kann sich das angeregte Heliumatom als einen mit der Licht­fre­quenz schwin­genden Dipol vor­stellen, der die optische Absorp­tions­linie er­zeugt“, erläu­tert Post­doc Alexander Blätter­mann vom MPI für Kern­physik. „Der nach­fol­gende starke Infra­rot­puls wirkt als ultra­schneller Licht­schalter und stoppt die Schwin­gung, bevor sich die Linie voll­ständig auf­ge­baut hat.“ Durch Vari­a­tion des Zeit­ver­satzes zwischen den beiden Laser­pulsen – dies er­folgte mit einer Genau­ig­keit von unter einer Femto­sekunde – ver­folgten die Wissen­schaftler das Ent­stehen der Linien­form in Echt­zeit.

„Die experimentellen Ergebnisse zeigen schön, wie sich das Fano-Profil mit zu­neh­men­dem Zeit­ver­satz nach und nach auf­baut“, sagt Andreas Kaldun, der kürz­lich vom MPIK zum SLAC in Stan­ford gewech­selt ist. Bei sehr kurzen Zeit­ver­sätzen ist die Spektral­linie kom­plett zu einer breiten und flachen Bande ver­schmiert. Mit zu­neh­mendem Zeit­ver­satz bekommt der Dipol immer mehr Zeit zum Schwingen, wodurch die Linie schritt­weise schmaler und steiler wird und sich schließ­lich dem ur­sprüng­lichen Fano-Profil an­nähert – in sehr guter Über­ein­stim­mung mit der theore­tischen Vor­her­sage.

Die Ergebnisse bestätigen somit nicht nur die Vor­her­sage, sondern demon­strieren zu­gleich die Leis­tungs­fähig­keit des ver­wen­deten ultra­schnellen Licht­schalter-Prinzips für die Erfor­schung der Ent­stehung und des zeit­lichen Ab­laufs ver­schie­dener funda­men­taler Quanten­pro­zesse, die bis­her nur an­hand ihrer sta­tischen Ab­sorp­tions­spektren unter­sucht werden konnten.

MPIK / RK

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