Wie Kernphysik die Vorhersage von Erdbeben verbessern kann
Sensor-Netz soll den Radongehalt in europäischen Wasserquellen messen.
Seit den 1960er Jahren werden Erdbeben vorhergesagt, indem man das Radon-Gas misst, das aufgrund von Bewegungen in der Erdkruste aus Mikrorissen im Gestein entweicht. „Es wird jedoch immer deutlicher, dass der in der Luft oder im Boden gemessene Radonwert durch Temperaturschwankungen und Luftfeuchtigkeit beeinflusst werden kann, so dass wir stattdessen die Werte im Grundwasser messen,“ erläutert Ayse Ataç Nyberg, Professorin am KTH Royal Institute of Technology in Schweden. Sie leitet das europäische Forschungsprojekt Artemis, das bis 2027 mit einer EU-Förderung in Höhe von zwei Millionen Euro unterstützt wird. Artemis soll den Grundstein für ein zuverlässiges Frühwarnsystem für Erdbeben legen. Ein Netz von Sensoren, die den Radongehalt und andere Parameter in ausgewählten Wasserquellen in Europa messen, soll Erdbeben mehrere Tage im Voraus erkennen können.
Das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung spielt bei dem Projekt eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Realisierung der Sensorik und Analytik. Aufbauend auf Teilchen- und Strahlungsdetektoren, Signalverarbeitungselektronik und Datenverarbeitungssystemen, die für kernphysikalische Experimente an den GSI-Anlagen verwendet werden, entwickelt die beteiligte GSI-Forschungsgruppe die Sensoreinheiten. Die Einheiten werden neben den Radon-Detektoren auch Sensoren für Temperatur, Druck, Leitfähigkeit und andere physikalische Parameter beinhalten. Durch den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz, die ebenfalls aus der Grundlagenforschung bei GSI resultieren, können die Sensoreinheiten autonom betrieben werden.
In einem ersten Schritt werden Messungen an Verwerfungslinien in Griechenland, Italien und der Schweiz durchgeführt. Über Forschungsstationen in diesen Ländern hat das Team Zugang zu Grundwasserquellen, in denen Sensoreinheiten platziert werden können. Hunderte von solchen Einheiten, verteilt über die erdbebengefährdeten Gebiete, bilden jeweils ein Netzwerk. Die fortgeschrittene Analyse der Netzwerkdaten erfolgt durch maschinelles Lernen und KI. Ziel dabei ist es, Änderungen der lokalen Radon-Konzentration eindeutig mit seismischen Aktivitäten zu verknüpfen und andere Ursachen auszuschließen.
GSI / RK
Weitere Infos
- Artemis – Awareness And Resilience Through European Multi Sensor System, Euratom
- GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH, Darmstadt