Wie lange leben Photonen?
Kosmischer Mikrowellenhintergrund belegt eine Mindestlebensdauer massereicher Lichtteilchen von drei Jahren.
Sucht man in der Datensammlung der „Particle Data Group“ nach den Eigenschaften des Lichtteilchens, so findet sich in dem bemerkenswert kurzen Eintrag: „Masse < 2 × 10–54 kg, Lebensdauer: stabil“. In der klassischen Elektrodynamik hat das Photon keine Ruhemasse, bewegt sich im Vakuum stets mit Lichtgeschwindigkeit und altert demzufolge nicht – es ist quasi zeitlos.
Abb.: Differenz der Messdaten des COBE-Satelliten (dunkelblau) zum Fall unendlicher Lebensdauer (schwarze Nulllinie). Der rot schattierte Bereich ist die mit den Messdaten mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit noch verträgliche Lebensdauer von mindestens drei Jahren, bei einer Massenobergrenze von 2 × 10–54 Kilogramm. (Bild: MPIK)
Jedoch gibt es keinen zwingenden theoretischen Grund, der eine endlich große Masse des Photons verbieten würde. Es existiert auch eine mathematische Beschreibung für diesen Fall. Auch wenn es exotisch klingt, lohnt es sich, die Konsequenzen eines massiven Photons zu betrachten, wie es Julian Heeck aus der Gruppe von Werner Rodejohann am Heidelberger MPI für Kernphysik, getan hat. Dazu zählt die Möglichkeit des Zerfalls in noch leichtere Elementarteilchen. Ein Kandidat hierfür ist etwa das leichteste der drei bekannten Neutrinos, welches sogar masselos sein könnte. Ein Photon mit einer, wenn auch winzigen, Masse würde sich im Vakuum fast – aber eben nur fast – mit „Lichtgeschwindigkeit“ bewegen. Dann müssten Photonen jedoch altern, aufgrund ihrer hochrelativistischen Bewegung für uns als Beobachter aber nur äußerst langsam.
Auf der Suche nach einem messbaren Effekt der Photonmasse und einem daraus resultierenden möglichen Zerfall bietet sich die kosmische Hintergrundgrundstrahlung an. Diese ist zum einen sehr „altes“ Licht, denn sie stammt aus dem frühen Universum vor zirka 13,8 Milliarden Jahren. Zudem liegt sie im Mikrowellenbereich, ist also relativ energiearm. „In meiner Betrachtung kommt es nicht darauf an, in was Photonen zerfallen, sondern nur auf deren Lebensdauer – sie ist also modellunabhängig“, sagt Heeck. Der kosmische Mikrowellenhintergrund wurde Anfang der 1990er Jahre durch den COBE-Satelliten der NASA mit einer Genauigkeit von 10–4 vermessen und bietet einen guten Datensatz zum Test der Lebensdauer des Photons. Wegen der relativistischen Zeitdehnung ist das mögliche Defizit durch seit dem Urknall zerfallene Hintergrundphotonen umso größer, je niedriger deren Energie bzw. Frequenz ist.
Innerhalb der Fehlertoleranz der Messdaten liegt bei einer angenommenen Masse von 2 × 10–54 Kilogramm die Lebensdauer mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit bei mindestens drei Jahren. Dies erscheint sehr kurz, dabei ist aber zu berücksichtigen, dass dieser Wert für ein hypothetisch ruhendes Photon gilt. Für ein hochrelativistisches Mikrowellenphoton würde die Lebensdauer dank der Zeitdilatation bei drei Billiarden Jahren liegen.
Obwohl die Masselosigkeit Teil der allgemein akzeptierten Theorie des Elektromagnetismus ist, erlauben einfache Erweiterungen ein massebehaftetes Photon. Bisher lassen sich aus den experimentellen Befunden nur Obergrenzen angeben und eine der Herausforderungen ist, zu verstehen, warum dieser Parameter so klein, wenn nicht gar Null, ist. Die prinzipielle Möglichkeit des Zerfalls eines Photons in Neutrinos ist wiederum eng mit den noch unbekannten Massen dieser Teilchen verknüpft.
MPIK / DE