09.09.2020

Wie Schiffswellen aufs Ufer treffen

Schutz von Wasserstraßen wird bei zunehmendem Schiffsverkehr immer wichtiger.

Abgetragene Steine, durchbrochene Buhnen – durch Schiffswellen werden immer wieder und immer häufiger Uferbauwerke an Flüssen und in Ästuaren beschädigt. Um gezielt Maßnahmen zum Schutz der Wasser­straßen ergreifen zu können, muss die mechanische Wellen­belastung verlässlich berechnet werden. Hier setzt das Projekt NumSiSSI am Leichtweiß-Institut für Wasserbau der Technischen Universität Braunschweig in Kooperation mit der Bundes­anstalt für Wasserbau (BAW) an. Doktorand Carlos Dempwolff entwickelt numerisch-physikalische Methoden, die abbilden, wie Schiffswellen erzeugt werden, sich ausbreiten und insbesondere, wie sie mit dem Gewässer­ufer und Buhnen­bauwerken interagieren. 
 

Abb.: Blick von oben auf Schiff und Schiffs­wellen, bevor diese eine Buhne...
Abb.: Blick von oben auf Schiff und Schiffs­wellen, bevor diese eine Buhne (unten links im Bild) erreichen. (Bild: O. Lojek / TU Braunschweig)

Flüsse, künstliche Wasser­straßen und Ästuare, also die Mündungs­bereiche ins Meer, sind intensiv genutzte internationale Verkehrs­wege. Der Güter­transport wird künftig noch zunehmen und damit auch die Belastung der Uferbauwerke. „Unsere Wasser­straßen sind auf nationaler und internationaler Ebene ein wesentlicher Faktor für die Reduzierung klima­schädlicher Emissionen. Deshalb ist ein vertieftes Handlungs­wissen über die Schädigungs­prozesse am Gewässer­ufer entscheidend“, sagt Nils Goseberg vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI). Vor allem in den Ästuar­bereichen von Elbe und Weser, an denen auch der Einfluss des Meeres spürbar wird, sind die Buhnen betroffen, die üblicherweise aus Schütt­steinen errichteten Querbauwerke, die vom Ufer in Richtung Flussmitte ragen.

Verantwortlich für die Zerstörung sind hauptsächlich die von Schiffen erzeugten Primärwellen. In engen Gewässern, so wie es die Fluss­mündungs­gebiete für die Seeschiffe sind, können sie sehr groß sein. „Das sind Wellen, die am Bug und am Heck des Schiffes entstehen. Dazwischen liegt ein langer Bereich, in dem der Wasser­spiegel absinkt“, erklärt Carlos Dempwolff von der Abteilung Hydro­mechanik, Küsten­ingenieur­wesen und Seebau des LWI. An Buhnen­bauwerken entsteht so ein Wasser­spiegel­gefälle, das bei bestimmten Tide­wasser­ständen ein Überströmen des Bauwerks bewirkt. Auch wenn man in diesem Fall von Schiffswellen spricht, wird der Schaden an den Buhnen also eher von einer „Überströmung“ verursacht, die im Bereich der Buhnen­wurzel und -krone besonders erosiv wirken kann. „Lang­fristiges Ziel ist es deshalb, praktisch nutzbare Werkzeuge zu entwickeln, mit denen man die Lasten bestimmen kann“, so Ingrid Holzwarth, die Expertin beim Kooperations­partner BAW. „Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Auslegung der Ufer­bauwerke, damit sie den schiffs­erzeugten Belastungen standhalten.“

„Es wurden bereits einige Praxislösungen ausprobiert, wie man Buhnen baulich anders ausführen kann, sodass diese weniger Schaden nehmen“, berichtet Gregor Melling von der BAW. „Wir haben in unserem Schiffs­wellen­becken der BAW in Hamburg Modell­versuche durchgeführt und auf dieser Basis haben wir eine optimierte Buhnenform entwickelt, die im Praxis­versuch an der Tideelbe unter Real­bedingungen getestet wurde. Was in der Praxis funktioniert, wollen wir jetzt auch rechnerisch nachweisen. Denn um über den Einzelfall hinaus allgemeine Grundlagen auch für zukünftige Maßnahmen zu ermitteln, wollen wir die Prozesse genau verstehen und im Computer­modell abbilden.“

Carlos Dempwolff hat sich bereits in seiner Bachelorarbeit mit numerischen Simulationen beschäftigt. Auf Grundlage von archäologischen Befunden rekonstruierte er einen Fluss­abschnitt am Rhein in der Nähe der Stadt Xanten. Seine Master­arbeit schrieb der Wasser-, Umwelt- und Küsten­ingenieur in Norwegen bei einem Entwicklerteam an der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim. „Dort haben wir Simulations­werkzeuge entwickelt, die wir jetzt sehr gut brauchen können und weiter­entwickeln wollen“, sagt der Doktorand. „Wichtig ist dabei auch immer, die Wirklichkeit soweit es geht zu vereinfachen, damit ein Programm wirklich nutzbar in der Anwendung ist und nicht tagelang rechnet.“

Momentan ist es mit den Methoden, die die Einwirkung auf das Ufer genau berechnen können, noch nicht möglich, die von Schiffen erzeugten Wellen in Abhängigkeit von beispielsweise der Form, Größe oder Geschwindigkeit des Schiffs zu berechnen. Daher werden im ersten Schritt diese Daten aus empirischen Unter­suchungen – Experimenten und Natur­messungen – entnommen. Im nächsten Schritt geht es dann darum, von diesen Daten unabhängig zu werden und ein etabliertes Modell so zu erweitern, dass eine Berechnung möglich ist. Dabei kann Carlos Dempwolff auf eine umfangreiche Daten­sammlung der Bundes­anstalt für Wasserbau zurückgreifen, die einen kontinuierlichen Vergleich mit experimentellen und Feldmess­daten ermöglicht.

Das Projekt „Numerische Simulation der Schiffswelle-Struktur-Interaktion (NumSiSSI)“ wird in Kooperation mit der Bundes­anstalt für Wasserbau (BAW) seit Juni 2020 für drei Jahre durch­geführt. Ziel ist es, Methoden zur numerischen Berechnung von Schiffs­wellen und deren Interaktion mit Buhnen am Gewässerufer zu entwickeln. 

TU Braunschweig / DE
 

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