Wie Schwefel in der Atmosphäre umgewandelt wird
Schwefelsäure kann aus reduzierten Schwefelverbindungen direkt gebildet werden.
Aus gasförmiger Schwefelsäure werden in der Atmosphäre Partikel gebildet, die die Eigenschaften von Wolken beeinflussen. Dadurch wirkt die Bildung von Schwefelsäure in der Gasphase direkt auf den Strahlungsantrieb und das Klima der Erde. In Experimenten konnten Forscher des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (Tropos) jetzt nachweisen, dass es neben der bekannten Bildung aus Schwefeldioxid auch noch einen weiteren Bildungsweg gibt, über den bereits seit Jahrzehnten spekuliert wurde. Demnach kann Schwefelsäure in der Atmosphäre auch direkt durch die Oxidation von organischen Schwefelverbindungen entstehen. Dieser neue Produktpfad kann über den Ozeanen bis zur Hälfte der gebildeten gasförmigen Schwefelsäure ausmachen und ist damit von großer Bedeutung für Klimaprojektionen – vor allem über den großen Ozeanen der Südhemisphäre.
Organische Schwefelverbindungen werden hauptsächlich aus biogenen Quellen emittiert und tragen wesentlich zum Schwefelkreislauf der Erde bei. Der Schwefelkreislauf ist für das Klima der Erde von großer Bedeutung, weil die Oxidationsprodukte organischer Schwefelverbindungen, wie Schwefelsäure und Methansulfonsäure, neue Partikel in der Luft erzeugen können. Diese Sulfatpartikel streuen die einfallende Sonnenstrahlung und beeinflussen die Bildung von Wolkenkondensationskeimen. Die Anzahl und Größe von Wolkenkondensationskeimen verändern wiederum die mikrophysikalischen und strahlungstechnischen Eigenschaften sowie die Lebensdauer von Wolken erheblich. Das Wissen, wie Schwefelsäure in der Atmosphäre gebildet wird, ist deshalb immens wichtig, um grundlegende Prozesse im Klimasystem besser zu verstehen.
Die weltweit wichtigste organische Schwefelverbindung ist Dimethylsulfid mit einer jährlichen Emissionsrate von etwa 30 Millionen Tonnen Schwefel, gefolgt von Methylmercaptan und, in geringerem Maße, Dimethyldisulfid. Zahlreiche Laborexperimente und Modellsimulationen wurden am Tropos durchgeführt, um die Abbaupfade dieser Verbindungen in der Atmosphäre zu untersuchen. „Unseres Wissens nach gibt es bisher keinen experimentellen Nachweis für die direkte Bildung von Schwefelsäure in der Gasphase, außer über die Schwefeldioxid-Oxidation durch OH-Radikale oder Criegee-Intermediate, obwohl darüber in der Literatur seit langem spekuliert wird und solche Wege bereits in Modellen implementiert wurden“, erklärt Torsten Berndt vom Tropos.
Dort gelang jetzt der experimentelle Nachweis der direkten Bildung von Schwefelsäure im Labor, mit Hilfe von zwei Strömungssystemen: einem horizontalen Freistrahl-Strömungssystem und einem vertikalen Laminarströmungsrohr. Hier konnte bei unterschiedlichen Reaktionsbedingungen gearbeitet werden, was eine exakte Untersuchung der Oxidationsprozesse mit Hilfe von modernen Massenspektrometern ermöglichte. Die experimentellen Befunde erlauben zusätzlich, viele kinetische Parameter der Schwefeloxidation abzuschätzen, und tragen somit zu einem verbesserten Verständnis der Schwefeloxidation in der Atmosphäre bei.
Die Ergebnisse der Experimente wurden in den am Tropos bestehenden komplexen Multiphasenchemiemechanismus MCM/CAPRAM integriert, um die experimentellen Resultate mit einem Modell zu evaluieren. „Unter den relativ sauberen Bedingungen über den südlichen Ozeanen kann die direkte Bildung von Schwefelsäure bis zu fünfzig Prozent zur gesamten Gasphasenbildung in der Atmosphäre beitragen“, berichten Andreas Tilgner und Erik H. Hoffmann. Es wird postuliert, dass der direkte Weg über die Gasphase vor allem über den Ozeanen in der südlichen Hemisphäre wichtig sein kann. Diese Regionen sind häufig durch ein kleines Verhältnis von Schwefeldioxid zu Dimethylsulfid gekennzeichnet, wodurch der Anteil dieses direkten Produktionsweges dort besonders wichtig sein kann. Weitere atmosphärische Bereiche, in denen ein kleines Verhältnis zu erwarten ist, liegen im Randbereich von konvektiven Meereswolken. Dort wurden hohe Konzentrationen von Schwefelsäure und die Bildung neuer Aerosolpartikel beobachtet, die nun erklärt werden können.
Tropos / DE