Wie sich komplexe Schwingungen eines Quantensystems vereinfachen
Verteilung von Phononen wandelt sich zu einer Gaußsche Glockenkurve.
Mit einem raffinierten Experiment konnten Forscher zeigen, dass sich in einem eindimensionalen Quantensystem die zunächst komplexe Verteilung von Phononen mit der Zeit in eine einfache Gaußsche Glockenkurve verwandeln kann. Das Experiment fand an der TU Wien statt, während die theoretischen Überlegungen von einer gemeinsamen Forschergruppe der FU Berlin und des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie durchgeführt wurden.
Die Quantenphysik erlaubt es, Aussagen über das Verhalten verschiedenster Vielteilchensysteme auf atomarer Ebene zu treffen. In Quantensystemen haben viele Parameter keine konkreten Werte, sondern sind über verschiedene Werte mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten verteilt. Oft hat diese Verteilung die Form einer einfachen Gaußschen Glockenkurve, wie sie auch in klassischen Systemen anzutreffen ist. Allerdings folgen nicht alle Quantensysteme diesem einfachen Verhalten und einige können aufgrund von Wechselwirkungen von der Gaußverteilung abweichen.
Jens Eisert, Leiter einer Theorie-Gruppe der FU Berlin und des Helmholtz-Zentrums Berlin, hatte die These aufgestellt, dass solche Abweichungen mit der Zeit abklingen und gaußverteilt werden, sobald die Wechselwirkungen reduziert werden. Nun konnte er diese Vermutung experimentell untermauern. Dazu arbeitete sein Team mit einer Gruppe von Experimentalphysikern um Jörg Schmiedmayer von der TU Wien zusammen. Schmiedmayer und seine Gruppe präparierten ein Bose-Einstein-Kondensat, ein Quantensystem aus mehreren tausend Rubidium-Atomen, die mit Hilfe von Magnetfeldern in einer quasi eindimensionalen Konfiguration eingeschlossen und nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt wurden.
Die Gruppe schuf damit ein synthetisches Quantensystem, in dem sich die Verteilung der Phononen besonders scharf beobachten ließ. Die Messdaten bildeten zunächst die komplexe Dynamik der Phononen ab. Doch die Komplexität ging mit der Zeit verloren und die Verteilung nahm die Form einer Gaußschen Glockenkurve an. „Tatsächlich können wir hier sehen, wie sich mit der Zeit eine Gauß-Verteilung herausbildet. Die Natur findet durch ihre physikalischen Gesetze ganz von selbst eine einfache Lösung“, kommentiert Eisert.
Das Einzigartige an dem durchgeführten Experiment ist, dass das System im Laufe der Zeit wieder zu der komplexeren Verteilung zurückschwingt. Die Signaturen des komplizierten Zustands tauchen wieder auf. „Wir wissen genau, warum es zurückschwingt und wovon es abhängt“, erklärt Team-Mitglied Marek Gluza. „Das zeigt uns etwas über die Isolation des Systems, denn die Information über die Signaturen hat das System nie verlassen.“
HZB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Schweigler et al.: Decay and recurrence of non-Gaussian correlations in a quantum many-body system, Nat. Physics, online 18. Januar 2021; DOI: 10.1038/s41567-020-01139-2 - AG Eisert, Dahlem Center for Complex Quantum Systems, Freie Universität Berlin
- Atomchip Group (J. Schmiedmayer), Vienna Center for Quantum Science and Technology, Atominstitut, Technische Universität Wien, Österreich