04.08.2017

Wie sich Wasser windet

Erstmals gelingt die vollständige Vermessung der Helizität von Wasserwirbeln.

Die Bildung von Wirbeln in viskosen Medium ist ein numerisch enorm anspruchs­volles Problem. Auch aufwändige Simu­lationen haben große Schwierig­keiten, die enorm komplexen drei­dimensio­nalen Vorgänge zu erfassen, die auftreten, wenn sich in Luft, Flüssig­keiten oder Plasmen Wirbel mit unter­schiedlichen topo­logischen Eigen­schaften heraus­bilden. Auch Super­computer stoßen hier an ihre Grenzen.

Abb.: Nach oben propagierender Spiralwirbel. (Bild: M. Scheeler, W. Irvine)

Bei idealen Flüssig­keiten gestaltet sich die Analyse wesent­lich einfacher: Liegt keine innere Reibung vor und ver­schwindet demzufolge die Visko­sität, geht auch keine Energie mecha­nisch verloren. Laut den Euler-Gleichungen für eine nicht-viskose strömende Flüssig­keit bleibt dann auch die Heli­zität erhalten, die sich aus der Summe von Ver­drillung, Verkettung und Verwindung der betei­ligten Fila­mente ergibt. In realen Medien mit inneren Reibungs­verlusten gilt diese Erhaltung jedoch nicht mehr. Nur aufwän­dige Versuche können hier Klärung bringen, welche Arten von Wirbeln sich ausbilden und wie sich deren Dynamik gestaltet. Jetzt ist es einer Gruppe von Wissen­schaftlern um William T. Irvine von der Univer­sität Chicago gelungen, die Dynamik von Wirbeln in Wasser so exakt und umfang­reich nachzu­vollziehen, dass die Umwandlung der verschiedenen Arten heli­kaler Strömungen genau messen konnten.

Bislang gelangen solche Messungen immer nur teilweise. Das ist einerseits der Komple­xität der zugrunde­liegenden Dynamik geschuldet, anderer­seits aber auch ein Problem für die Hydro- und Magneto­hydrodynamik. Denn sowohl die Kontrolle turbu­lenter und ther­mischer Konvek­tion als auch das Verständnis von Magnet­felder in Planeten und auf der Sonne hängt von solchen Prozessen ab. Das Erdmagnet­feld etwa ergibt sich aus der Kombi­nation heli­kaler Strömungen tief im Erdinnern mit der differen­ziellen Rotation des flüssigen metal­lischen äußeren Erdkerns. Ähnliches gilt für die Magnet­felder von Sternen, die ebenfalls von solchen Prozessen unterhalb der Ober­fläche herrühren. Auch die Plasmen in Fusions­reaktoren wie ins­besondere in Tokamaks zeigen derartiges, schwer zu simu­lierendes Verhalten.

Abb.: Die verschiedenen Beiträge zur gesamten Helizität eines spiralförmigen Wirbels (a,b) sind Verdrillung („twisting“, c, f), Verkettung („linking, d, g) sowie Verwindung („writhe“, e, h) der Wirbelfilamente. (Bild: M. Scheeler et al.)

Dem Team aus Chicago ist es mit einem trick­­reichen Verfahren gelungen, die ver­schiedenen Arten von Wirbeln sichtbar zu machen. Zunächst nutzten sie speziell geformte Trag­flächen, typischer­­weise mit hexa­­gonaler Symmetrie. Dieses zogen sie durch das Wasser, um die Wirbel zu erzeugen. An den hinteren Kanten dieser Trag­­flächen trugen sie eine dünne Schicht von fluores­­zierenden Farbstoff auf. Dabei brachten sie in kurzen, regel­­mäßigen Abständen ein wenig dickere Tropfen auf, so dass sie die Bewegung der Wirbel im Wasser mit Hilfe eines Hoc­hge­schwindig­keits-3D-Laser­s­ystems auf­zeichnen konnten. Zur Bestimmung der exakten Geschwin­­digkeit nutzten sie Marker-Teilchen, die ohne Auftrieb und Wasser schwebten und die sie mit statio­nären Licht­flächen beleuch­teten.

Die Wissen­­schaftler unter­suchten zwei ver­schiedene Phänomene: Einmal ein Wirbelpaar aus einem einfachen kreis­förmigen Wirbel und einem schrauben­förmigen, die sich gegen­seitig über­holten – wie bei einem Rauch­ring, durch den ein zweiter geblasen wird. Die anderen Versuche machten die Forscher mit einem allein propa­gierenden Wirbel. Das Wirbel­paar stabi­lisierte sich gegen­seitig. Beim Aneinan­der-Vorbei-Strömen kontra­hierte und expan­dierte der helikale Wirbel wieder­holt. Wie die Aufnahmen belegen, bleibt zumindest bei der ersten voll­ständigen Umrundung der beiden Wirbel die Heli­zität erhalten. Da keine Verkettung von Wirbeln vorlag, ergab sich diese aus der inneren Verdril­lung der betei­ligten „Wasser­schläuche“ sowie deren Verwindung. Bei der Expansion und Kontrak­tion dieses Wirbels wandelte sich dabei die Verwindung teilweise in eine Verdrillung um und umgekehrt – ähnlich wie bei alten, gewundenen Telefon­kabeln, die man in die Länge zieht und dann wieder entspannt. Die gute Erhaltung der Gesamt-Helizität war ein über­raschendes Ergebnis und verdankt sich der effi­zienten Umwand­lung von Verdril­lung und Verwindung.

Über längere Zeiträume macht sich allerdings die Visko­sität bemerkbar. Sowohl bei Wirbel­paaren als auch bei alleine propa­gierenden Wirbeln zeigte sich hier, dass vor allem die Verdril­lung der Wasser­filamente schritt­weise verloren geht und dement­sprechend auch nicht mehr in Verwindung umge­wandelt werden kann. Über längere Strecken verschwand die Verdril­lung voll­ständig, während die Verwindung konstant blieb, so dass sich die Gesamt-Heli­zität dieser zunehmend annäherte. Der Grund hierfür liegt in der Topologie begründet: Verdrillung ist eine lokale Verdrehung der Wasser­filamente, während die Verwindung ebenso wie die Ver­kettung eine topo­logische Eigen­schaft des Wirbels darstellt und als solche beson­ders geschützt gegenüber äußeren Ein­flüssen ist.

Mit Hilfe dieser und ähn­licher Experimente sollte es in Zukunft auch gelingen, zunehmend komplexe Wirbel­dynamiken zu unter­suchen – ein­schließlich Verket­tungen mehrerer Wirbel, gegen­seitige Beein­flussung naher Wirbel und die Wechsel­wirkung mit differen­ziellen Strömungen. Dies könnte nicht sich nur für die Lösung ingenieurs­technischer Strömungs­probleme als nützlich erweisen, sondern auch für funda­mentale Fragen zum Verständnis von planetaren und solaren Magnet­feldern.

Dirk Eidemüller

JOL

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