Wie verhalten sich Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit?
Bremer Experimente auf der Internationalen Raumstation gehen jetzt in die zweiten Runde.
Obwohl es sich bereits um die zweite Versuchsreihe handelt, ist die Aufregung deutlich zu spüren: Das Bremer Team vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (Zarm) betreibt seit heute sein zweites Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS. Von der Bodenstation im Zarm überwachen die Wissenschaftler den Einbau des Versuchsmodells durch die Astronauten und dirigieren den Experimentverlauf über ferngesteuerte Schaltelemente. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fördert das von der Nasa unterstützte Projekt.
Abb.: US-Astronaut Scott Kelly beim Einbau des ersten Versuchsmodells in die Microgravity Science Glovebox auf der ISS. (Bild: Nasa)
In der ersten Experimentphase im Januar 2011 ging es um die Frage, wie es im All möglich ist, Flüssigkeiten durch spezielle Kanäle strömen zu lassen, ohne dass der Flüssigkeitsstrom abbricht und dadurch Gasbläschen aus der Umgebung in die Flüssigkeit eindringen. Konkret wurde untersucht, welche Strömungsgeschwindigkeiten bei verschieden geformten Kanälen möglich sind, ohne dass der Flüssigkeitsstrom instabil wird und der sogenannte „Choking-Effekt“ auftritt.
Das nun auf der ISS installierten Versuchsmodell erforscht unter anderem, wie bereits eingedrungene Gasbläschen zur Oberfläche zurück transportiert und sich dadurch wieder von der Flüssigkeit trennen lassen. Gesucht wird also eine Trennungsstrategie für ein Gas-Flüssigkeits-Gemisch unter Schwerelosigkeit.
Die vom Zarm-Team gewonnenen Erkenntnisse dienen der Konstruktion von Treibstoff- und Lebenserhaltungssystemen, wie sie im Weltraum zum Einsatz kommen. Der blasenfreie Transport von Flüssigkeiten ist unter Schwerelosigkeit deutlich schwieriger als auf der Erde. Im Treibstofftank eines Raumfahrzeugs bleibt der Treibstoff nämlich nicht am Boden, sondern verteilt sich an den Tankinnenwänden und anderen Bauteilen. Daher ist ein System aus offenen Kapillarkanälen notwendig, das den Treibstoff dorthin befördert, wo er gebraucht wird. In diesen offenen Kanälen binden Kapillarkräfte, die auf dem Prinzip der Anziehungskraft zwischen den Molekülen beruhen, die Flüssigkeit.
Die Versuchsmodelle auf der ISS sind deshalb mit genau solchen Kanalgeometrien ausgestattet, wie sie normalerweise in bei der Flüssigkeitshandhabung im All zur Anwendung kommen. Die Kanäle müssen mindestens eine freie Oberfläche haben, damit sie in der Lage sind, Flüssigkeiten aufzunehmen und durch Kapillarkraft zu binden. Der jetzige Versuchsaufbau hat einen Dreieckskanal, weil hier beim Durchströmen der Flüssigkeit besondere Strömungsprofile entstehen – und die könnten wiederum dabei helfen, Gasblasen zurück zur Oberfläche zu transportieren und sie aus der Flüssigkeit zu eliminieren.
U. Bremen / OD