03.11.2023

Wie viel wiegt Nichts?

Das Archimedes-Experiment soll die Vakuumenergiedichte vermessen, wie die neue „Physik in unserer Zeit“ im Detail schildert.

Astrid Lambrecht

Wie wiegt man das Vakuum? Man könnte auf die naive Idee kommen, das Gewicht von zwei leeren Gehäusen zu vergleichen, deren Wände das gleiche Gewicht haben, aber deren Innenvolumen unterschiedlich ist. Denn die Energie des Vakuums entspricht dem Produkt aus der Energiedichte und dem Volumen, in dem das Vakuum eingeschlossen ist. Es bleibt die Frage, ob Einsteins Beziehung E=mc2 bedeutet, dass die daraus abgeleitete Masse empfindlich auf ein Gravitationsfeld reagiert.


Abb.: Astrid Lambrecht
Abb.: Astrid Lambrecht ist Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich. Als Direktorin am CNRS in Frankreich entwickelte sie eine quantenoptische, experimentnahe Beschreibung des Casimir-Effekts.
Quelle: FZJ

Das ist eine der Fragen, die das von Achim Kempf und Kollegen in der neuen „Physik in unserer Zeit“ vorgestellte Archimedes-Experiment versucht, in einem stillgelegten Bergwerk auf Sardinien zu beantworten. Genauer gesagt soll das Experiment Aufschluss darüber geben, ob die Energie des elektromagnetischen Vakuums an das Gravitationsfeld der Erde gekoppelt ist.

Dass das Vakuum überhaupt eine nichtverschwindende Energie beinhaltet, liegt an der Quantenphysik. Aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation weist das elektromagnetische Feld im Vakuum Quantenfluktuationen auf. Und auch wenn im Mittel die Energie des Vakuumfelds verschwindet, so tragen doch die Fluktuationen um diesen Mittelwert Energie und Impuls.

Die Auswirkungen dieser sogenannten Nullpunktfluktuationen machen sich auf mikroskopischer Ebene bemerkbar, insbesondere in Form der Lamb-Verschiebung der Spektrallinien von Atomen. Auf makroskopischer Ebene sind sie die Ursache für die Casimir-Kraft, das heißt für die Anziehungskraft zweier elektrisch und magnetisch neutraler Spiegel im Vakuum. Dies resultiert daraus, dass sich in dem zwischen ihnen liegenden Hohlraum nicht alle Schwingungsmoden des Vakuumfeldes ausbreiten können. Nicht resonante Schwingungsmoden werden unterdrückt, was zu einer Absenkung der Energiedichte im Hohlraum führt und letztlich eine anziehende Kraft zwischen beiden Spiegeln bewirkt. Achim Kempf und Kollegen beschreiben diesen Effekt in ihrem Artikel sehr anschaulich.

Das Archimedes-Experiment will sich nun eine zum Casimir-Effekt analoge Konstellation zunutze machen. Wie schon bei den ersten Versuchen zum Casimir-Effekt wird auch in der modernen Version eine ausbalancierte Pendelwage veränderlichen Bedingungen ausgesetzt. Zentrales Element ist ein Hochtemperatursupraleiter, der unter seine kritische Temperatur abgekühlt wird. Im supraleitenden Zustand stellt diese Materialklasse eine kompakte Anordnung vieler Casimir-Spiegelpaare dar. Die Energiedichte im Inneren des Supraleiters ist im Vergleich zur isolierenden Phase entsprechend verringert. Die spannende Frage ist, ob sich dieser Energieunterschied in einem Gewichtsunterschied niederschlägt und wenn ja, wie groß dieser Unterschied sein wird.  Je nachdem, ob die Vakuumenergie der Schwerkraft unterliegt, sollte der Supraleiter Auftrieb erfahren und die Waage ausschlagen. 

Allerdings könnten die Ergebnisse aus Beobachtungen und Vorhersagen, wie die Vakuumenergie gravitiert, kaum unterschiedlicher ausfallen. Laut Einsteins Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie sollte die Energie des Vakuums zu einer beschleunigten Ausdehnung des Universums führen. Messungen der kosmologischen Rotverschiebung ergeben für die Massendichte des Vakuums aber einen um viele Größenordnungen kleineren Wert als die Vorhersage der Quantenmechanik.  Es handelt sich hier um eine eklatante Abweichung, allgemein als das „Problem der kosmologischen Konstanten“ bekannt, das eine der großen offenen Fragen der Physik darstellt.

In diesem Zusammenhang kommt dem Archimedes-Experiment eine wichtige Bedeutung zu. Hier soll – und das ist entscheidend – eine lokale Messung der Wirkung der Schwerkraft auf die Vakuumenergie in einem hochempfindlichen Experiment in einer genau kontrollierten Umgebung durchgeführt werden. Das Forschungsteam um das Archimedes-Experiment ist in der glücklichen Lage, dass ihre Ergebnisse – ganz unabhängig von ihrem Ausgang – das Potenzial haben, die Tür zu neuen Theorien aufzustoßen. Wir dürfen die Ergebnisse mit großer Spannung erwarten!


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