Wo Schweifsterne Staub spucken
Astronomen bestimmen die aktiven Regionen auf der Oberfläche von Kometen.
Astronomen bestimmen die aktiven Regionen auf der Oberfläche von Kometen.
Kometen sind gefährliche Forschungsobjekte - zumindest aus der Nähe. Denn die winzigen Staubteilchen, die von den aktiven Regionen auf der Oberfläche ins All strömen, können Raumsonden beschädigen. Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau haben jetzt ein Computermodell entwickelt, das diese Regionen an Hand von bodengebundenen Aufnahmen lokalisiert. Das neue Verfahren könnte helfen, eine sichere Flugroute für Rosetta zu berechnen; die ESA-Raumsonde soll 2014 am Kometen Churyumov-Gerasimenko ankommen.
Abb.: Ein Blick auf den Kometen Tempel 1 durchs Teleskop. Die aktiven Regionen machen sich als helle Strahlen bemerkbar (links). Mithilfe der Computersimulation der Max-Planck-Forscher gelingt es, das von der Erde aus aufgenommen Bild zu rekonstruieren (rechts). (Bild: Instituto de Astrofisica de Andalucia (Luisa Maria Lara) / MPS)
Der Kern eines Kometen ist weit mehr als ein unveränderlicher Brocken aus Eis und Staub. Unter dem Einfluss der Sonne gasen leicht flüchtige Substanzen wie etwa Wasser, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid von manchen Stellen seiner Oberfläche - den aktiven Regionen - aus und reißen dabei Staubpartikel von bis zu einigen Zentimetern Durchmesser mit. Von der Erde aus sind diese Staubfontänen durch Teleskope als Strahlen oder Spiralen sichtbar, die den Kometen umgeben (siehe Abbildung, linkes Teilbild). Diese Strukturen sind eingebettet in eine Hülle aus Gas und Staub, die Koma, die von der Aktivität der Restoberfläche stammt und den gesamten Kometen umgibt.
"Aufnahmen, die wir von der Erde aus gewinnen, zeigen den Kometen und seine Strahlen auf eine zweidimensionale Fläche projiziert", sagt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Wo genau Staub und Gase ihren Ursprung haben, lässt sich deshalb nicht ohne Weiteres bestimmen.
Um dennoch den aktiven Regionen auf die Schliche zu kommen, wählten die Forscher einen indirekten Zugang, der erstmals auch die dreidimensionale Gestalt des Kometenkerns berücksichtigt. "Bisher wurden Kometen zu diesem Zweck vereinfachend als Kugeln oder Ellipsoide modelliert", erklärt Jean-Baptiste Vincent vom Lindauer Max-Planck-Institut. Der oftmals bizarren Form dieser schmutzigen Schneebälle wird dies bei vielen Anwendungen nicht gerecht.
Die Forscher entschieden sich deshalb, wenn möglich an dieser Stelle auf ein Standardverfahren zurückzugreifen: Beobachtet man einen Kometen während seiner gesamten Umdrehungsperiode durchs Teleskop, lässt die Veränderung seiner Leuchtkraft Rückschlüsse auf die Form des Kerns zu.
In einem nächsten Schritt fütterten die Forscher ihr Programm mit einer Anfangsvermutung darüber, wo sich die aktiven Regionen befinden. Zudem machten sie, basierend auf bisherigen Erkenntnissen, Annahmen über einige physikalische Parameter der Staubteilchen wie Größe und Startgeschwindigkeit beim Verlassen der Kernoberfläche. Als Ergebnis liefert die Computersimulation ein Bild, wie es ein Teleskop von der Erde aus aufnehmen würde. Durch Vergleich mit dem echten Blick durchs Fernrohr lassen sich dann die modellierten Bilder immer weiter verfeinern, bis Simulation und echte Aufnahme übereinstimmen.
Den ersten Test hat das neue Verfahren bereits bestanden. Denn die Wissenschaftler konnten es erfolgreich auf den Kometen Tempel 1 anwenden, der im Jahr 2005 Ziel der NASA-Mission Deep Impact war. "Obwohl wir seitdem genau wissen, wo die aktiven Regionen auf Tempel 1 liegen, haben wir uns für den Test unseres Programms zunächst ,dumm` gestellt", erklärt Vincent. Die Forscher nutzten nur Beobachtungen, die sie von der Erde aus im Rahmen eigener Messprogramme gewonnen hatten. Allein die dreidimensionale Form des Kometenkerns entnahmen sie den Ergebnissen der Deep Impact Mission.
Als Nächstes wollen die Forscher nun die aktiven Regionen des Kometen Churyumov-Gerasimenko berechnen, dem Zielkometen der Sonde Rosetta, auf dem die Landeeinheit Philae im Jahr 2014 aufsetzen soll. Die Mission, zu der auch das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung viele wissenschaftliche Instrumente beigesteuert hat, ist seit 2004 unterwegs zu ihrem Ziel jenseits der Umlaufbahn des Mars und der Asteroiden. Das neue Verfahren könnte dazu beitragen, in der entscheidenden Phase der Mission eine sichere Flugroute durch die Kometenkoma und möglicherweise sogar die Landestelle zu bestimmen.
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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AL