«Zeit, dass Mission losgeht»
Die US-Weltraumfähre «Atlantis» mit dem europäischen Weltraumlabor «Columbus» und dem deutschen Astronauten Hans Schlegel an Bord ist endlich gestartet.
«Zeit, dass Mission losgeht»
Oberpfaffenhofen (dpa) - Die Gäste jubeln lauthals, applaudieren. Nach Jahrzehnten ist für deutsche und europäische Wissenschaftler aus einer Vision Wirklichkeit geworden. Die US-Weltraumfähre «Atlantis» mit dem europäischen Weltraumlabor «Columbus» und dem deutschen Astronauten Hans Schlegel an Bord ist endlich gestartet. Mehr als 200 Wissenschaftler, Ingenieure und Gäste, unter ihnen auch Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) verfolgten am Donnerstagabend im «Columbus»-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München den Start.
Auf großen Projektionswänden wurde der Start aus Cape Canaveral ins Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) übertragen. In dem 880 Millionen Euro teuren «Columbus»-Labor sollen über mehrere Jahre Untersuchungen in der Schwerelosigkeit vorgenommen werden. Es ist der wichtigste europäische Beitrag zur Internationalen Raumstation ISS.
«Alles, wie die Regie es vorschreibt», kommentierte der deutsche Astronaut Ulf Merbold, der 1983 als erster Nicht-Amerikaner bei einer US-Shuttle-Mission ins All flog. «Wundervoll.» Bis zum letzten Moment war der Start wegen einer herannahenden Wetterfront unklar gewesen.
«Es wird Zeit, dass die Mission losgeht», sagt der Chef des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums, Klaus Wittmann, noch eine halbe Stunde vor Start. Und der Chef der europäischen Raumfahrtbehörde ESA, Gaele Winters, sagt: «Wir haben so lange auf dieses Ereignis gewartet.» Klar war, dass die Sicherheit der Astronauten vorgehen würde. Fast genau vor fünf Jahren verglühte die Raumfähre «Columbia» bei der Rückkehr auf die Erde, sieben Astronauten starben. Dennoch ist zwei Monate nach dem ursprünglich geplanten und mehrfach verschobenen Starttermin der «Atlantis» mit «Columbus» huckepack auch etwas Ungeduld zu spüren. Die Europäer sind hier mangels einer eigenen Raumfähre ganz auf die NASA angewiesen.
Einen zweiten Applaus gibt es achteinhalb Minuten nach dem Start. Das Shuttle hat etwa 27 000 Kilometer in der Stunde und rund 300 Kilometer Höhe erreicht, der letzte Treibstofftank wird abgeworfen. Damit ist die entscheidende und gefährlichste Phase ist überstanden, das Shuttle fliegt ohne Raketenantrieb. Für die Besatzung, die gerade noch mit dem vielfachen ihres eigenen Körpergewichts in die Sitze gedrückt wurde, beginne in diesem Moment das Gefühl der Schwerelosigkeit, sagt Merbold, der selbst dreimal ins All flog.
Die eigentliche Arbeit in Oberpfaffenhofen wird erst am fünften Tag der Mission am nächsten Montag beginnen. Wenn das Modul an die ISS angekoppelt ist, übernehmen die 75 Wissenschaflter und Ingenieure in Oberpfaffenhofen die Regie für «Columbus». Im Kontrollraum werden sie an Dutzenden Bildschirmen Experimente und das wissenschaftliche Programm von Forschungszentren in ganz Europa. Außerdem steuern sie die technischen Systeme des Labors von der Heizung bis zur Luft- und Wasserversorgung.
Leiter der «Columbus»-Mission in Oberpfaffenhofen ist der Astronaut Reinhold Ewald. Er war 1997 auf der Raumstation Mir, als dort ein Feuer ausbrach.
Rund um die Uhr wird das «Columbus»-Kontrollzentrum über Funk und Video Kontakt zu den Astronauten halten. Zahlreiche Experimente in der Schwerelosigkeit sind geplant, unter anderem mit Flüssigkeiten, Mikroorganismen, Zellen, Gewebekulturen, Pflanzen und sogar Insekten. Auch an den Astronauten selbst sollen etwa Auswirkungen längerer Schwerelosigkeit getestet werden.
Es sei ein großer Tag für die europäische Raumfahrt, sagt Ministerpräsident Beckstein. Er räumt aber ein, er habe beim Start Herzklopfen gehabt. «Es war schon etwas aufregend. Umso schöner, dass es geklappt hat.»
Sabine Dobel, dpa
Hintergrund - Das Weltraumlabor «Columbus»
Das Weltraumlabor «Columbus» ist Europas wichtigster Beitrag zur Internationalen Raumstation ISS. Das 880 Millionen Euro teure Mehrzwecklabor misst nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) 6,9 Meter in der Länge und hat einen Durchmesser von 4,5 Metern. Viele der geplanten Experimente sind unter Schwerkraftbedingungen auf der Erde nicht machbar. «Columbus» wurde für die europäische Weltraumagentur ESA federführend bei EADS in Bremen gebaut. Das rund 13 Tonnen schwere Labor hat eine geplante Lebenszeit von zehn Jahren. An Bord von «Columbus» ist Platz für zehn Experimentierschränke, auch wenn zunächst nur vier mitfliegen sollen. Die wichtigsten Einrichtungen:
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Im Biolab sind Versuche mit Zellen, Gewebekulturen, Mikroorganismen, kleinen Pflanzen und wirbellosen Tieren möglich.
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Im European Physiology Module (EPM) werden Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus untersucht.
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Im Fluid Science Lab (FSL) kann das Verhalten von Flüssigkeiten beobachtet werden.
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Ein Mehrzweckschrank bietet Platz für kleinere Nutzlasten und hat Anschlüsse für Daten- und Videoübertragung.
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Zwei «Balkone» mit außen angebrachten Messinstrumenten dienen zur Sonnenbeobachtung und für biologische Versuche.
Die ersten Experimente im Biolab behandeln unter anderem den Einfluss der Schwerkraft auf Flüssigkeiten, Zellen und Pflanzen. Die Forscher interessieren sich auch für den Zusammenhang zwischen Ernährung, Salz-Haushalt und Herz-Kreislauf-System sowie Veränderungen des Knochenaufbaus und des Immunsystems. Beim Geoflow-Experiment der Technischen Universität Cottbus wird ein künstliches Schwerkraftfeld erzeugt, um geophysikalische Vorgänge im Erdinneren wie Veränderungen des Magnetfeldes nachzuvollziehen.
Weitere Infos:
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NASA - International Space Station:
http://www.nasa.gov/mission_pages/station/main/index.html -
ESA - Columbus Mission:
http://www.esa.int/SPECIALS/Columbus/index.html