Ein Teilchen für die Masse
Der Physik-Nobelpreisträger Peter Higgs ist im Alter von 94 Jahren gestorben.
Kerstin Sonnabend
Sein Name bleibt für immer mit einem Teilchen verbunden: Das Higgs-Boson – 1964 vorhergesagt und 2012 nachgewiesen – ist nach dem britischen Physiker Peter Higgs benannt, der am 8. April im Alter von 94 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben ist. Gemeinsam mit François Englert erhielt Peter Higgs 2013 den Physik-Nobelpreis „für die theoretische Entdeckung eines Mechanismus, der zu unserem Verständnis des Ursprungs der Masse von subatomaren Teilchen beiträgt“, wobei das Preiskomitee in seiner Begründung ausdrücklich den experimentellen Nachweis durch die ATLAS- und CMS-Kollaborationen am Large Hadron Collider des CERN würdigte.
Peter Higgs wurde am 29. Mai 1929 in Newcastle upon Tyne geboren. Seinen Bachelor-Abschluss in Physik machte er 1950 am Londoner King’s College. Es folgten der Master im Jahr darauf und 1954 die Promotion an gleicher Stelle. Seine akademische Karriere sollte ihn nicht allzu weit in die Ferne führen: Nach einer Anstellung als Postdoc an der University of Edinburgh arbeitete er mit Forschungsstipendien jeweils ein Jahr lang am University College London und am Imperial College London, um 1960 als Lecturer an die University of Edinburgh zurückzukehren.
Vier Jahre später sagte er die Existenz eines Teilchens voraus, das der uns bekannten Materie eine Masse verleiht: das später nach ihm benannte Higgs-Boson. Den Mechanismus, der diesem Prozess in der Theorie zugrunde liegt, entwickelten in diesen Jahren parallel und teils gemeinsam viele Physiker. Neben Peter Higgs gehören dazu der später mit ihm mit dem Nobelpreis geehrte François Englert, aber auch Thomas Kibble, Gerald Guralnik, Carl Hagen, und Robert Brout.
Der University of Edinburgh blieb Higgs treu: 1970 wurde er auf die Position eines Readers befördert; von 1980 bis zu seiner Emeritierung 1996 war er dort Professor für Theoretische Physik. Bis zum Nachweis seines vorhergesagten Teilchens musste er allerdings einige Geduld aufbringen, weil dessen eigene Masse mit etwa 126 GeV/c2 so groß ist, dass erst der Large Hadron Collider am CERN genug Energie aufbrachte, um es zu erzeugen. Am 4. Juli 2012 verkündeten die ATLAS- und CMS-Kollaborationen gemeinsam, dass sie in ihren Daten unabhängig voneinander ein Boson gefunden hatten, dessen Eigenschaften mit denen des Higgs-Bosons verträglich sind – eine Überraschung für Peter Higgs, der nicht gedacht hatte, dass dies zu seiner Lebenszeit gelingen könnte.
Die ihn kennenlernen durften, beschreiben ihn als einen liebenswürdigen älteren Herren mit feinem britischen Humor, der gerne auch Understatement betrieb. Dazu passt die Anekdote, wie er vom Nobelpreis erfahren hat: In Edinburgh überraschte ihn eine Frau auf der Straße mit ihrer Gratulation, ohne dass Higgs zunächst verstand, um was es ging. In Edinburgh erinnert eine Gedenktafel in der Roxburgh Street daran, dass er hier die ersten Schritte auf dem Weg zur Theorie des Higgs-Bosons getan hat.
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