Zurück von der Rückseite des Mondes
China bringt mit Chang'e 6 erstmals Gesteinsproben von der erdabgewandten Seite des Mondes auf die Erde ... und ein ESA-Instrument auf den Mond.
Alexander Pawlak
Wenn eine weiche Landung auf dem Erdtrabanten die Königsklasse einer Mondmission ist, dann ist die Rückkehr zur Erde mit Gesteinsproben gewissermaßen die Kaiserklasse. China hat als dritte Raumfahrtnation nach den USA und der ehemaligen Sowjetunion schon mit der Mission Chang’e 5 gezeigt, dass dies gelingen kann.
Mit der Rückkehr der Aufstiegsstufe von Chang’e 6, die am 25. Juni in der chinesischen Provinz Innere Mongolei landete, ist der chinesischen Raumfahrtagentur CNSA nun ein weiterer Meilenstein gelungen, indem sie erstmals Proben von der erdabgewandten Seite des Mondes auf die Erde brachte.
Die am 3. Mai gestartete Sonde war am 1. Juni nach gründlicher Suche eines geeigneten Landeplatzes im südlichen Bereich des Apollo-Kraters gelandet – mit 524 Kilometer Durchmesser einer der größten Krater auf dem Mond und eine der auffälligsten Formationen des Südpol-Aitken-Becken, das den größten und mit rund 4,3 Milliarden Jahren ältesten Einschlagskrater darstellt.
Diese Mondregion ist wissenschaftlich besonders interessant, denn sie verspricht neue Einblicke in die besonders turbulente Zeit des Erde-Mond-Systems, die von heftigen Einschlägen großer Körper geprägt war, die im Südpol-Aitken-Becken Material aus dem Mantel des Mondes an die Oberfläche brachten.
Diese Zeit besser zu verstehen, könnte dabei helfen zu erklären, warum die erdzu- und die erdabgewandte Seite des Mondes sich so stark unterscheiden. Gleichzeitig könnte dies auch neues Licht auf die Frühgeschichte der Erde werfen, in der Asteroiden eine wichtige Rolle gespielt haben könnten, um Wasser und organisches Material für die Entstehung von Leben auf die Erde zu bringen.
An Bord von Chang’e 6 war auch das erste ESA-Instrument, das auf dem Mond gelandet ist. Mit dem Instrument Negative Ions at the Lunar Surface (NILS) ließ sich erstmals das Vorhandensein negativer Ionen auf der Mondoberfläche nachweisen, die durch Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind entstehen.
Da der Mond kein Magnetfeld wie die Erde besitzt und nur eine extrem dünne Atmosphäre hat, gelangt der ständige Strom von Strahlung und Teilchen von der Sonne fast ungehindert auf seine Oberfläche. Dabei entstehen Sekundärteilchen, die positiv oder negativ geladen sein können. Die positiv geladenen Teilchen ließen sich bereits aus der Umlaufbahn messen. Doch negative Ionen sind kurzlebig und schaffen es nicht in die Umlaufbahn. Aus diesem Grund musste die ESA ihr Instrument in der Nähe der Mondoberfläche betreiben.
Die Entdeckung einer neuen Plasmakomponente auf der Mondoberfläche öffnet ein neues Fenster für die Weltraumphysik und für menschliche und robotische Missionen in einer Ära der erneuten Erforschung des Mondes.
„Dies war die erste Aktivität der ESA auf der Mondoberfläche, eine wissenschaftliche Weltpremiere und eine erste Zusammenarbeit mit China auf dem Mond. Wir haben eine Datenmenge und -qualität gesammelt, die unsere Erwartungen weit übersteigt“, sagt Neil Melville, technischer Leiter der ESA für das vom schwedischen Institut für Weltraumphysik (IRF) gebaute Experiment.
Ebenfalls an Bord war das französische Instrument DORN (Detection of Outgassing RadoN), das nach dem Entdecker des Radons, dem Physiker Friedrich Dorn, benannt ist. Radon entsteht beim Zerfall von Uran. DORN sollte erstmals die Radonkonzentration von der Mondoberfläche aus messen; bislang war dies nur aus der Umlaufbahn bei den amerikanischen Missionen Apollo 15 und 16 (1971/72) und Lunar Prospector (1998/99) sowie mit der japanischen Sonde Kaguya (2007 bis 2009) gelungen.
Europäische Bodenstationen unterstützten die Mission Chang‘e-6 auf ihrem Weg zum Mond und zurück. Kurz nach dem Start aus China am 3. Mai verfolgte die ESA-Station Kourou in Französisch-Guayana das Raumfahrzeug mehrere Stunden lang, um seine Umlaufbahn zu bestätigen. Die ESA konnte mit Hilfe der Station Maspalomas, die vom Instituto Nacional de Técnica Aerospacial (INTA) auf Gran Canaria, Spanien, betrieben wird, die Signale der Sonde auffangen, als diese mit Mondproben beladen zur Erde zurückkehrte.
China hat weitere ehrgeizige Pläne für die Erforschung des Mondes. Für 2026 ist der Start der nächsten Mondmission Chang‘e-7 geplant, die sechs wissenschaftliche Instrumente an Bord haben wird. Die Mission soll am Südpol des Mondes die Umgebung der Mondoberfläche untersuchen nach Wasser, Eis und flüchtigen Elementen des Mondbodens. Sie wird laut der CNSA auch das Terrain erforschen sowie Zusammensetzung und die Struktur des Mondes.
Daran beteiligt sind die International Lunar Observatory Association und neben Ägypten, Bahrain, Italien, der Schweiz und Thailand auch Russland, das von Europa wegen des Ukraine-Kriegs im wissenschaftlichen Bereich boykottiert wird.
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