03.02.2022

100 Jahre Stern-Gerlach-Versuch

Eine Jubiläumsveranstaltung würdigt das bahnbrechende Experiment von Otto Stern und Walther Gerlach zum Nachweis der Richtungsquantisierung.

Anlässlich des 100. Jahrestages des Stern-Gerlach-Experimentes führen die Deutsche Physikalische Gesellschaft und der Physikalische Verein zusammen mit dem Fachbereich der Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main am 8. Februar eine Jubiläumsveranstaltung in der Frankfurter Paulskirche durch, die sich auch online verfolgen lässt.

„So kam ich eines  Morgens im Februar 1922 ins Institut; es war ein herrlicher Morgen: Kaltlufteinbruch und Neuschnee! W. Gerlach war dabei, wieder einmal den Niederschlag eines Atomstrahls, der acht Stunden lang durch ein inhomogenes Magnetfeld gelaufen war, zu entwickeln. Erwartungsvoll verfolgten wir den Entwicklungsprozeß und erlebten den Erfolg monatelangen Bemühens: Die erste Aufspaltung eines Silberatomstrahls im inhomogenen  Magnetfeld.“ So erinnert sich der Physiker Wilhelm Schütz, der damals Doktorand bei Walther Gerlach am Physikalischen Institut der Universität Frankfurt war, an die im wahrsten Sinne richtungsweisende Messung der Richtungsquantisierung.

Diese gelang in der Nacht vom 7. auf den 8. Februar 1922 und erbrachte den experimentellen Nachweis der Quantisierung der inneren Struktur von Atomen und Molekülen. Otto Stern und Walther Gerlach hatten lange darauf hingearbeitet. Da Stern, auf dessen Molekularstrahlmethode der Versuch beruhte, auf eine außerplanmäßige Professur in Rostock berufen worden war, musste Gerlach den Versuch allein betreuen.

Am Morgen des 8. Februars musste Wilhelm Schütz so rasch wie möglich ein Telegramm an Otto Stern in Rostock aufgeben, dessen Text lautete: „Bohr hat doch recht!“ Im Rahmen seines Atommodells von 1913 hatte dieser für die auf der Bahn umlaufenden Elektronen zwei Ausrichtungen des magnetischen Momentes vorhergesagt, da klassisch ein Elektron auf einer Bahn nur rechts oder links herum rotieren kann, Peter Debye und Arnold Sommerfeld dagegen drei: parallel, antiparallel und senkrecht zum äußeren Magnetfeld. Letztlich irrten alle drei, denn die Ursache für die Aufspaltung war der damals noch unbekannte Elektronenspin. Dadurch wurde der Versuch noch bedeutender für die weitere Entwicklung der Quantenmechanik, nicht zuletzt durch das Pauli-Prinzip.

Als im September 2002 eine Liste der schönsten Versuche in „Physics World“ veröffentlicht wurde, war das Stern-Gerlach-Experiment erstaunlicherweise nicht dabei. Doch das schmälert nicht seinen Rang, denn es gilt als eines der grundlegendsten Experimente der modernen Quantenphysik, die für eine unüberschaubare Vielfalt wissenschaftlicher und technologischer Durchbrüche gesorgt hat, darunter – um nur wenige zu nennen – Kernspinverfahren, hochpräzise Zeitmessung in Form von Atomuhren, Maser und Laser. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Deutsche Physikalische Gesellschaft für besondere Leistungen auf dem Gebiet der experimentellen Physik seit 1993 die Stern-Gerlach-Medaille vergibt.

Die etwa 90-minütige Festveranstaltung in der Paulskirche wird der historischen wie der aktuellen Bedeutung des Stern-Gerlach-Experiments Rechnung tragen und zielt auf eine breite interessierte Öffentlichkeit aller Generationen. Dabei werden in einem kurzen Filmbeitrag auch Originaltöne von Otto Stern und Walther Gerlach zu hören sein. Zwei Vorträge beleuchten dann die Geschichte und die heutige Bedeutung des Experiments. Horst Schmidt-Böcking vom Institut für Kernphysik der Universität Frankfurt am Main – selbst Träger der Stern-Gerlach-Medaille und ausgewiesener Kenner von Otto Sterns Leben und Werk – wird die Ursprünge des Experiments beleuchten, während sich Klaus Blaum, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, mit dem Thema „Präzisionsphysik mit gespeicherten Ionen“ seiner modernen Relevanz widmet.

Alexander Pawlak / DPG
 

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