Alles kalter Kaffee?
Zeitrafferaufnahmen im Infraroten zeigen, wie langsam heiße Körper kühlen.
Wie lange dauert es, bis sich dampfender, heißer Kaffee zu einer lauwarmen Brühe abgekühlt hat? So einfach die Frage, so einfach auch das entsprechende Experiment: Man muss nur die Temperatur einer Tasse Kaffee als Funktion die Zeit messen. Dummerweise gilt andererseits: so einfach das Experiment, so komplex die theoretische Antwort. Das Abkühlen hängt von vielen Parametern ab – und da lassen wir das Problem der Zugabe von Milch, Zucker oder Löffel noch außen vor. Verschiedene Bedingungen spielen eine Rolle: das Material der Tasse, eine mögliche isolierende Hülle wie eine Thermoskanne oder eine isolierende Deckschicht aus Milchschaum, Luftbewegung oder erzwungene Konvektionsverluste, zum Beispiel durch Wind. Auch Strahlungsverluste über den Emissionsgrad sind sehr bedeutend.
Sind diese Fragen alle geklärt, dann hängen die Energiezufuhr und die Energieverluste eines Objekts immer noch wesentlich von der Geometrie, genauer dem Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis ab, da die gespeicherte Energie zum Volumen und die Energieabgabe durch Konvektion und Strahlung zur Oberfläche proportional ist. Um dies zu untersuchen, nähern wir eine beliebige Kaffeetasse durch einen homogenen Würfel an. Verschieden große Tassen entsprechen also verschieden großen Kuben.
Zunächst das Experiment: Da der Kaffee anfangs heiß ist, stellen wir vier mit temperaturbeständiger schwarzer Farbe bemalte Aluminiumwürfel (20 mm, 30 mm, 40 mm und 60 mm Seitenlänge) auf ein Gitter in einen Umluftofen und erhitzen sie für etwa drei Stunden auf 180 °C. Nach dem Herausholen (Abstellen des Gitters auf zwei isolierende Stäben) messen wir die Oberflächentemperatur der Würfel berührungslos mit einer Infrarotkamera.
Das Video demonstriert, dass die kleinsten Würfel am schnellsten abkühlen (15 min. sind zu 20 s gerafft). Den klaren Trend, große Körper kühlen viel langsamer ab, kennen wir auch von heißen Sommertagen, an denen man sich auch noch lange nach Sonnenuntergang auf sonnenerwärmte Felsen oder Steintreppen setzen kann. Wovon hängt die Zeitkonstante der Abkühlung ab?
Im Ofen waren die Würfel nach etwa drei Stunden im thermischen Gleichgewicht. Nach dem Herausholen setzen vor allem Konvektion und Strahlungsverluste ein, wobei die isolierende Unterlage die Wärmeleitung an den Tisch deutlich unterdrückte. Aufgrund der hohen thermischen Leitfähigkeit des Metalls (genauer: der Wärmeübertrag durch Leitung im Innern ist deutlich höher als der Wärmeübertrag vom Würfel nach außen durch Konvektion und Strahlung) herrscht näherungsweise auch während des Abkühlens im Innern der Würfel ein thermisches Gleichgewicht. Deshalb nehmen wir die Oberflächentemperatur als mittlere Würfeltemperatur an. Im Innern einer Flüssigkeit wie Kaffee nehmen wir dies näherungsweise ähnlich an, allerdings sind dort Konvektionsströme beteiligt.
Der Energieverlust bei Abkühlung verschieden großer Objekte hat viele interessante Anwendungen. So beantwortet er letztlich auch die Frage, warum kleine Tiere – bezogen auf Ihr Körpergewicht – sehr viel mehr Nahrung zu sich nehmen müssen als große Tiere. Was sind aber nun die Konsequenzen für Liebhaber heißen Kaffees? Eine große Tasse Kaffee kühlt sich von 80 °C auf vielleicht gerade noch als lauwarm genießbare 50 °C in einer knappen halben Stunde ab. Eine längere Unterbrechung sollte man also vermeiden.
Unter den Voraussetzungen für das Newtonsche Abkühlungsgesetz (insbesondere Linearisierung der Energieabfuhr durch Strahlung für kleine Temperaturdifferenzen) kann man die Abkühlkurven auch berechnen. Wie das geht, können Sie im vollständigen Artikel nachlesen, der in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen ist (Online-Abo nötig).
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, TH Brandenburg