08.11.2021

Als Team zum Mars

Simulierte Mars-Mission untersucht Gruppendynamik bei komplexen Einsätzen.

Wie gestalten sich Teamprozesse, wenn sich eine Crew auf dem Mars befindet? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Interteam-Projekt. Es ist eine Kooperation an der Universität Bremen zwischen dem Lehrstuhl für Wirtschafts­psychologie und Personal­wesen unter der Leitung von Vera Hagemann und dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM), vertreten durch Christiane Heinicke. Das Vorhaben erfasste im Rahmen der Amadee-20-Mission die Teamprozesse, den Zusammenhalt und die Leistung der an der Mars-Simulation beteiligten Teams.

 

Abb.: Analog-Astronautin und-Astronaut während eines Außen­einsatzes in der...
Abb.: Analog-Astronautin und-Astronaut während eines Außen­einsatzes in der Negev-Wüste. (Bild: F. Voggeneder / OeWF)

Dazu zählte die Mars-Crew mit den sechs analogen Astronautinnen und Astronauten im Habitat in der Negev-Wüste. Dies sind speziell ausgebildete Raum­anzug­tester, die eine mehrmonatige Grund­ausbildung durchlaufen. Eingesetzt werden sie bei technischen Tests und Mars-Simulationen. Weitere Teams der Mission waren das Mission-Support-Center in Innsbruck – es fungiert als Kontrollzentrum auf der Erde – sowie das On-Site-Support-Team in Israel. Dieses stellt die für die Marsmission notwendige Infrastruktur vor Ort her, hat aber keinen direkten Kontakt zu den Analog-Astronauten.

„Interteam ist in zwei Experimentbereiche aufgeteilt“, erläutert Vera Hagemann die Struktur. Das erste Experiment untersucht die Prozesse und Konstrukte innerhalb der einzelnen Teams. „Die sechs Astronautinnen und Astronauten sowie jeweils sechs Teilnehmer aus dem Mission-Support-Center und dem On-Site-Support-Team mussten innerhalb der Mission in sieben Durchgängen Teamaufgaben lösen. Diese umfassten zum Beispiel die Planung eines Events, bei der jedes Teammitglied ein Aufgabenpaket – angefangen vom Catering über Dekoration bis hin zur Auswahl des Musikprogramms – zu übernehmen hatte.“ Interessant sei dann die Beobachtung, wie Absprachen und Entscheidungs­prozesse innerhalb der Teams ablaufen.

Das zweite Interteam-Experiment bezieht sich auf die Prozesse zwischen den drei Teams und besteht aus drei Durchgängen. Gemeinsam lösten zwei Analog-Raumfahrer und jeweils zwei Teilnehmer aus dem Mission-Support-Center und dem On-Site-Support-Team verschiedene Teamaufgaben pro Durchgang. „Dabei teilten die Astronautinnen und Astronauten und das On-Site-Support-Team ihre Antworten mit dem Mission-Support Center, welches die Informationen zusammen mit den eigenen Antworten an das jeweils andere Team weiterleitete. Die Antworten aller Teams wurden benötigt, um die nächste Teamaufgabe lösen zu können“, so Christiane Heinicke vom ZARM. Die Kommunikation zwischen den Teams berücksichtigte dabei die Zeitverzögerung zwischen der Erde und dem analogen Mars.

Lara Watermann, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie und Personalwesen, hat den Auftakt-Durchgang vom ersten Interteam-Experiment im Mission-Support-Center in Innsbruck begleitet: „Es war eine sehr spannende und lehrreiche Erfahrung, nicht nur die sogenannte Bridgehead-Phase – also die aktive Vorbereitungszeit auf die Mission im Mission-Support-Center – hautnah miterleben zu können, sondern auch Einblicke in die vielfältigen anderen internationalen Forschungsprojekte zu erhalten.“ Erste Ergebnisse zu Interteam sind für Februar 2022 zu erwarten und werden in Publikationen und weitere Forschung zum Thema „Teamleistungen in extremen Umgebungen“ einfließen.

Während Interteam vorrangig von Vera Hagemann geleitet wird, ist Christiane Heinicke primär für das MarsLock-Projekt verantwortlich. Mit MarsLock (eine Zusammensetzung von „Mars“ und „Airlock“, englisch für Luftschleuse) sollen anhand der aktuellen Bewegungsmuster der Analog-Raumfahrer Empfehlungen für zukünftige Luftschleusen heraus­gearbeitet werden. Denn Luftschleusen sind eine der wichtigsten Komponenten eines Mars-Habitats: Sie ermöglichen der Crew, das Habitat zu betreten und zu verlassen, um die Umgebung zu erforschen.

Solche Luftschleusen stehen unter Druck und übernehmen bei der Rückkehr ins Habitat die Dekontamination der Raumanzüge, die während der Außenbordeinsätze (Extravehicular activity – EVA) getragen werden. „Wir haben bei Amadee-20 die Vorbereitungen von EVAs beobachtet. Die Erkenntnisse sollen uns dabei helfen, Konzepte für zukünftige Luftschleusen zu erstellen. Denn gute Luftschleusen müssen sowohl aus technologischer Sicht als auch aus Sicht der Nutzer funktional sein“, erklärt Projekt­leiterin Christiane Heinicke.

Die Analog-Astronauten lebten und arbeiteten vom 11. bis 31. Oktober 2021 in einem speziell für die Mission entwickelten Habitat. Bei Aktivitäten außerhalb des Habitats trugen sie einen Raumanzug-Prototyp, der vom Österreichischen Weltraumforum (OeWF) entwickelt und gebaut wurde. Die Crew – bestehend aus einer Frau aus Deutschland und fünf Männern aus Österreich, Israel, Spanien, Portugal und den Niederlanden – führte Forschungen für zukünftige astronautische Marsmissionen durch. Eine Zeit­verzögerung simulierte während der Mission die Signal-Reisezeit zwischen Erde und Mars. Die analoge Marsmission Amadee-20 wurde vom OeWF in Zusammen­arbeit mit der israelischen Weltraum­agentur ISA und D-MARS, dem Betreiber des Marshabitats, in der Negev-Wüste in Israel durchgeführt. Mehr als 200 Forscher aus 25 Ländern waren an dieser internationalen Mission unter österreichischer Leitung beteiligt.

U. Bremen / DE

 

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