Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie
Der Abel Prize 2024 geht an den Mathematiker Michel Talagrand, der auch die Theorie der Spin-Gläser entscheidend vorangebracht hat.
Kerstin Sonnabend
Seit 2003 verleiht die Norwegische Akademie der Wissenschaften jährlich den mit 7,5 Millionen norwegischen Kronen dotierten Abel Prize, um wissenschaftliche Arbeiten von außergewöhnlicher Tiefe auf dem Gebiet der Mathematik zu würdigen. In diesem Jahr erhält der französische Mathematiker Michel Talagrand den Abel Prize „für seine bahnbrechenden Beiträge zur Wahrscheinlichkeitstheorie und Funktionalanalysis, die herausragende Anwendungen in der mathematischen Physik und Statistik haben“.
Von Talagrands vielfältigen Arbeiten würdigt der Abel Prize besonders seine Untersuchungen stochastischer Prozesse. Hier hat ihn etwa die Frage interessiert, wie sich das Supremum einer Folge von Zufallswerten bestimmen lässt beziehungsweise unter welchen Bedingungen es ein solches gibt. Darüber hinaus hat er quantitativ abgeschätzt, wann sich in Prozessen mit mehreren zufälligen Quellen die verschiedenen Beiträge kompensieren und es so erlauben, Ergebnisse besser vorherzusagen.
Explizit erwähnt werden außerdem seine Beiträge zur Theorie der Spin-Gläser. Bei dieser besonderen Form von Materie ordnen sich die Atome so an, dass im gesamten System die geometrische Frustration am geringsten ausfällt, auch wenn der Grundzustand ohne Frustration nicht zu erreichen ist. Auf diesem Gebiet hat Talagrand die Arbeiten des Physik-Nobelpreisträgers Giorgio Parisi komplettiert, indem er einen vollständigen Beweis für die Grenzen solcher Systeme aufstellte.
Michel Talagrand wurde 1952 geboren und hat 1977 in Mathematik an der Université Pierre et Marie Curie in Paris promoviert. Danach war er einige Jahre an der Ohio State University in den USA. Seit 1985 ist er Direktor am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und arbeitet am Institut de mathématiques de Jussieu, das vom CNRS, der Sorbonne Université und der Université de Paris getragen wird. Er hat bereits zahlreiche internationale Preise für seine Arbeiten erhalten, unter anderem den Loève Prize (1995), den Prix Fermat (1997) und den Shaw Prize (2019).