19.12.2025 • Biophysik

Auf den Wellen des Mikrokosmos surfen

Damit innerhalb von Zellen Nährstoffe optimal transportiert werden können, müssen die winzigen Transporter dort auf die fluktuierende Umgebung reagieren. Modellrechnungen zeigen, wie dies gelingt.

Seeleute planen eine Ozean­über­querung auch nach günstigen Wind- und Meeres­strömungen und manövrieren, um Zeit und Energie zu sparen. Sie rea­gieren darüber hinaus auf zufällige Schwan­kungen von Wind und Strömungen, nutzen die Gunst von Wind und Wellen. Solche Abwägungen hin­sicht­lich der Energie­kosten sind auch für Transport­vorgänge im Mikro- und Nano­kosmos von Bedeu­tung. Beispiels­weise soll möglichst wenig Energie aufgewendet werden, um zwischen und inner­halb von biolo­gischen Zellen Nährstoffe durch mole­ku­lare Motoren von A nach B zu trans­portieren.

Ein Teilchen (rote Kugel) wird von links zum Zielpunkt (rechts) mit einer...
Ein Teilchen (rote Kugel) wird von links zum Zielpunkt (rechts) mit einer Laserfalle (Doppelkegel) mit Hilfe eines in der Studie entwickelten Protokolls geführt, das durch den Parameter λ beschrieben wird. Dabei wirkt ein bekanntes zeitabhängiges externes Kraftfeld F(t). Das optimale Protokoll nutzt dieses Kraftfeld so aus, dass eine maximale Arbeit extrahiert wird. Dies lässt sich auf verschiedene externe Felder anwenden, auf aktive Teilchen und auf Transportprobleme von Mikrorobotern.
Quelle: HHU / Kristian S. Olsen

In der hochdynamischen Umgebung eines lebenden Organismus geht es aber wesentlich rauer zu. Die Schwankungen, auf die Mikrotransporter reagieren müssen, sich erheblich größer. Für eine optimale Bewegungsstrategien können aber auch große bekannte Kräfte wie der periodische Herzschlag ausgenutzt werden; die Teilchen können sozusagen auf Wellen des Mikrokosmos surfen.

Ein deutsch-israelisches Physiker­team unter Leitung von Hartmut Löwen vom Institut für Theore­tische Physik II der HHU und von Yael Roichman von der Univer­sität in Tel Aviv unter­suchte nun, wie der Arbeits­aufwand minimiert werden kann, ein Teil­chen innerhalb in einer mikro­skopi­schen Umge­bung bei vor­ge­ge­be­ner Zeit zu einem Ziel­ort zu bringen. Prof. Löwen: „Im güns­tigs­ten Fall lässt sich bei diesem Steue­rungs­pro­blem sogar noch Arbeit heraus­saugen, wenn Fluk­tua­tio­nen und ex­ter­ne zeit­abhäng­ige Kräfte ge­schickt genutzt werden, um die Ener­gie­kos­ten des Trans­ports zu opti­mie­ren.“

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Selbstgetriebene Teilchen

Solche Nano­maschinen, die aus Fluk­tua­tio­nen Ener­gie ge­win­nen, inte­res­sie­ren Nano­wis­sen­schaf­ten und Bio­lo­gie. Die da­hin­ter­lie­gen­de Fra­ge ist aber von grund­legen­der phy­si­ka­li­scher Be­deu­tung, be­rührt sie doch zen­tra­le As­pek­te der Ther­mo­dy­na­mik. Kristian Stølevik Olsen, Humboldt-For­schungs­stipen­diat an der HHU: „Der zweite Haupt­satz der Thermo­dynamik legt fest, wie in der makro­skopi­schen Welt Wärme in Arbeit umge­wan­delt wird. Die Vorgänge im Mikrokosmos können aber ganz anders aus­sehen und sind deshalb mit der makro­skopi­schen Theo­rie nicht aus­rei­chend be­schreib­bar.“

Die Forschenden untersuchten das Steuerungs­problem mithilfe von Modell­rechnungen, in denen Kolloid­teilchen – Nano- bis Mikro­meter-große Teil­chen in einem Medium – durch optische Pinzetten transportiert werden. Olsen: „Wir haben das Maximum an Arbeit gefunden, die aus einem solchen optisch getrie­benen Nicht­gleich­gewichts­system heraus­geholt werden kann. Damit können wir sozu­sagen den zweiten Hauptsatz der Thermo­dynamik unter den vorlie­genden Neben­beding­ungen für sehr kleine fluktu­ierende Systeme verall­gemeinern.“

„Bei einem bekannten externen Kraftfeld entwickelten wir ein optimiertes Protokoll, um ein Kolloid­teilchen mit der optischen Pinzette zu führen, so dass möglichst viel Arbeit heraus­springt. Indem externen Kräfte clever genutzt werden, setzen wir diese genau dann in Arbeit um, wenn sie benötigt wird“, führt Löwen aus. Olsen ergänzt: „Zwar müssen wir die wirkenden externen Kräfte vorab kennen. Aber kleine Unge­nauig­keiten sind dabei unkri­tisch. Somit können unsere Ergeb­nisse praktisch genutzt werden.“

Während an der HHU vor allem die theore­tischen Berechnungen durchgeführt wurden, befassten sich die Forschenden der Univer­sität Tel Aviv auch mit Anwendungs­perspektiven. Rémi Goerlich: „Die von uns unter­suchten Vor­gänge laufen genauso in mikro­skopi­schen biolo­gi­schen Pro­zessen inner­halb von Zellen ab. Das Erlernen optimaler Lösungen hilft dabei, die Ener­getik natür­licher Mikro­systeme zu verstehen und gege­benen­falls für künst­liche Systeme zu nutzen.“ Prof. Roich­man ergänzt: „In unserem Labor können wir im Prinzip die Aus­sagen an Kolloiden in Laser­fallen bestätigen. Die Theorie bildet so die Grund­lage für zukünf­tige Nano­maschinen, mit denen beispiels­weise Medika­mente im Körper gezielt an Orte trans­por­tiert werden, an denen sie wirken sollen.“ [HHU / dre]

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