Auszeichung für gedruckte Mikrooptiken
Gips-Schüle-Forschungspreis an drei Wissenschaftler der Universität Stuttgart verliehen.
Harald Gießen vom 4. Physikalischen Institut sowie Alois Herkommer und Simon Thiele vom Institut für Technische Optik der Universität Stuttgart wurden diese Woche mit dem Gips-Schüle-Forschungspreis 2021 ausgezeichnet. Die Forscher erhielten die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung für die Entwicklung der 3D-Drucktechnik sowie neuer Materialien und Prozesse, um die kleinsten Miniaturoptiken der Welt herzustellen. Gemeinsam mit ihren Teams arbeiten sie unter dem Dach des interdisziplinären Forschungszentrums SCoPE – Stuttgart Research Center of Photonics Engineering.
Durch die Arbeiten der Forscher konnten 3D-gedruckte Linsen mit komplexen Flächen hergestellt werden, die viel geringere Abbildungsfehler aufweisen als herkömmliche Optiken und dadurch wesentlich leistungsfähiger sind. Auch mehrlinsige Systeme konnten durch den 3D-Druck realisiert werden. Dadurch wurden extrem gute Abbildungsoptiken wie Ultraweitwinkelsysteme möglich, die vor allem für Endoskope mit höchster Abbildungsqualität wichtig sind. Der 3D-Druck ermöglicht dabei, die Mikrooptiken wie auch die Stützstrukturen in einem Prozessschritt herzustellen.
Die Wissenschaftler entwickelten zusätzlich Systeme aus mehreren Druck-Materialien, die Farbfehler der Mikro-Objektive korrigieren konnten. Hierzu wurde eine große Klasse von neuen 3D-druckbaren Materialien durch die Kombination von Polymeren und Nanopartikeln verwirklicht. Auch weitere Techniken wie zum Beispiel das Einbringen von geschwärzten absorbierenden Stoffen zur Realisierung von Blenden konnten erarbeitet werden. Für den Designprozess dieser sehr kleinen Optiken haben die Forscher spezielle Simulationsprogramme entwickelt.
Erstmals konnte gezeigt werden, dass qualitativ hochwertige Mikrolinsen mit Durchmessern von wenigen Mikrometern direkt auf Glasfasern aufgedruckt werden können. Dies ermöglichte die Realisierung eines völlig neuartigen optischen Endoskops, das weit über den früheren Stand der Technik herausragt. Ein 3D-Druck auf CMOS Miniatur-Kamerachips, die als optischer Bildsensor funktionieren, ist durch die Forschungsergebnisse genauso möglich geworden wie der parallele Druck einer Kombination aus Weitwinkel-, Normal-, und Tele-Objektiv auf einen Chip, um elektronisch zu zoomen und den Blickwinkel zu verändern. Zudem konnte durch diese Technik ein Miniatur-Spektrometer mit einem Durchmesser von einem Zehntel Millimeter demonstriert werden. Die massive Miniaturisierung bietet zusätzlich ein großes Anwendungspotenzial in Bereichen wie Messtechnik, Produktions- und Prozessüberwachung, Robotik oder auch beim autonomen Fahren. Aktuell arbeitet das Team unter anderem an beweglichen oder variablen Mikrooptiken sowie an Beschichtungstechniken für die Entspiegelung.
Zusammen mit der Firma Karl Storz in Tuttlingen erprobten die Forscher im Rahmen des BMBF-Projektes Printoptics ihre neue Technik mit medizinischen Endoskop-Systemen und konnten Möglichkeiten realisieren, die vorher undenkbar waren: Zum Beispiel wurden Endoskope gebaut, die durch ihren großen Blickwinkel gleichzeitig Aufnahmen nach vorne und zur Seite erlauben und dabei farbtreue und verzerrungsfreie Bilder liefern. Zudem passen sie mit ihrem geringen Durchmesser in engste Adern, in kleinste Drüsenkanäle und sogar in Zahnwurzeln.
Simon Thiele, der Doktorand am Institut für Technische Optik war, hat zusammen mit einem seiner Masterstudenten die Spin-Off-Firma Printoptics TGU gegründet, die sich der Kommerzialisierung dieser innovativen Drucktechnik verschrieben hat. Sie bietet vom optischen Design und der Entwicklung des Druckprozesses bis hin zur Produktion von Kleinserien der Optiken die gesamte Wertschöpfungskette an. Ebenso werden dort neue Endoskopmodelle entwickelt. Zudem entwickelt die Firma Anwendungen in der integrierten Quantentechnologie, etwa bei der Kombination von Einzelphotonenquellen und Glasfasern. Optische Pinzetten für einzelne Atome werden von der Firma in Zusammenarbeit mit den Physikern an der Universität Stuttgart entwickelt.
U. Stuttgart / JOL