15.06.2021

Bessere Lager für Rotorblätter

Neuer Teststand soll Wege für eine schonendere Regelung von Windrädern aufzeigen.

Das Fraunhofer-Institut für Windenergie­systeme IWES nimmt den neuen Lager­prüfstand BEAT1.1 – Bearing Endurance and Acceptance Test Rig – in Betrieb. Im Rahmen des vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie mit gut zwei Millionen Euro geförderten Forschungs­projekts iBAC – Intelligent Bearing Amplitude Control – testet das Institut gemeinsam mit den Projektpartnern Enercon, Dataletics und IMO 100 kleinmaß­stäbliche Rotor­blattlager. Mit Hilfe der Test­ergebnisse wird eine Datenbasis aufgebaut, mit der Methoden zur schonenden Pitch­regelung und ein durch künstliche Intelligenz gestütztes Zustands­überwachungs­system für Blattlager entwickelt werden können. Somit soll nicht nur eine optimale Energieausbeute erzielt werden, sondern auch die System­lebensdauer erhöht und die Betriebs­führung optimiert werden.

Abb.: Der neue Prüfstand BEAT1.1 in Hamburg-Bergedorf soll zeigen wie sich...
Abb.: Der neue Prüfstand BEAT1.1 in Hamburg-Bergedorf soll zeigen wie sich Blattlager von Windkraft­anlagen erfolgreich vor Schäden schützen lassen. (Bild: U. Perrey, Fh.-IWES)

Die Rotorblatt­lager einer Windenergie­anlage sind starken Belastungen ausgesetzt, denn um den optimalen Energieertrag zu erzielen, werden sie unter für Wälzlagern ungünstigen Bedingungen betrieben. Der oszil­lierende Betrieb führt zu ungünstigen Schmier­bedingungen zwischen Wälzkörper und Lagerlaufbahn. Die Folgen können Schäden und Versagen der Blattlager sein und damit einhergehende Ertrags­ausfälle und Reparatur­kosten für die Betreiber nach sich ziehen. Ziel des dreijährigen Projekts ist es darum, ein intelli­gentes Condition Monitoring System zu entwickeln und mit einem Zuverlässigkeits­regler so zu kombinieren, dass der optimale Schutz für Blattlager gewähr­leistet wird und gleichzeitig der zu erwartenden Energieertrag und die Lebensdauer erreicht werden. 

„Im Forschungs­projekt iBAC entwickeln wir in Kooperation mit unseren Projektpartnern Lösungen, um Rotorblatt­lager vor Schäden zu schützen und gleichzeitig einen optimalen Betrieb von Windenergie­anlagen zu sichern. Wir kombinieren unsere Versuche an den skalierten Wälzlagern mit Simulationen der gesamten Wind­energieanlage und wollen somit einen optimalen Kompromiss zwischen Lager­schädigung, Ertrag und der Belastung der Windenergie­anlage finden. Die aus unseren Tests gewonnenen Datenmengen nutzen wir zur Charak­terisierung des Verschleiß­verhaltens oszillierend betriebener Blattlager und lernen gleichzeitig damit das KI gestützte Blattlager­überwachungs­system“, sagt Projektleiter Arne Bartschat.

Ein besonderer Schwerpunkt im Projekt iBAC liegt darin, die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Tests mit kleinmaß­stäblichen Blattlagern und die entwickelten Methoden in die Windenergieanlage zu übertragen und dadurch einen Mehrwert für den Betrieb und die Zuverlässigkeit zu erzielen. Dies wird unter anderem durch die enge Kooperation mit den Projekt­partnern aus der Industrie erreicht. „Ausfälle von Rotorblatt­lagern bringen hohe Kosten mit sich und moderne, last­reduzierende Pitchregler können für das Blattlager zu ungünstigen Betriebs­bedingungen führen. Wir möchten hier gemeinsam im Projekt iBAC Abhlife schaffen. Wir unterstützen bei der Weiterentwicklung von Simulations­modellen, prüfen die Anforderungen und definieren relevante Parameter für die Blatt­lagerung. Zudem führen wir selbst plausi­bilisierende Simu­lationen mit eigenen Modellen aus. Wir stellen zudem einsatzfähige Mess­technik mit Schnittstellen zum Prüfstands-Messsystem und zur Anlagen­steuerung zur Verfügung. Wir prüfen den Einsatz des Überwachungss­ystems von Blattlagern in realistischer Einbau­situationen in komplexen Umgebungen“, erläutert Sebastian Bauer, Projektleiter beim Windradbauer Enercon.

„Ein System, das bisher im Blattlager-Bereich nicht existiert“, sagt Alper Sevim, Managing Director von Start-up Dataletics hinzu. „Im Projekt iBAC haben wir die Möglichkeit ein Überwachungs­system anhand aufgezeichneter Messdaten unter spezifischen Betriebs­bedingungen zu trainieren. Wir sind für die Auslegung und Algorithmen der Hardware und für das Überwachungs­system zuständig. Für die Erkennung von stochastischen Ereignissen hilft ein neuronales Netzwerk, also ein selbst­lernendes System, dabei, Daten auszuwerten und das Schädigungs­verhalten des Blattlagers besser zu beschreiben.“ 

Das Fraunhofer Institut erweitert mit dem BEAT1.1 seine Prüfinfra­struktur und schafft damit eine skalierte Test­möglichkeit für Blattlager mit weniger als einem Meter Durchmesser. Der bereits existierende Prüfstand BEAT6.1, auf dem Lager mit bis zu 6,5 Metern Durchmesser getestet werden, kann somit um zeitgleiche Prüfungen in der kleineren Testumgebung ergänzt werden. In Hamburg zählt das Institut mittlerweile insgesamt sechs Lager­prüfstände für verschiedene Größen. Das Design des BEAT1.1 ermöglicht durch sein Hexapod­design das Erzeugen von statischen und dynamischen Lasten in sechs Freiheitsgraden. Somit können realitätsnahe und windenergie­anlagen­spezifische Belastungs­situationen für jeweils zwei zeitgleich getestete Lager erzeugt werden. Kurze Rüstzeiten und die Verwendung von skalierten Blattlagern ermöglichen zukünftig in kurzer Zeit eine hohe Anzahl von Lagern unter Berück­sichtigung realitäts­naher Belastungs­situationen zu testen und somit im Projekt iBAC eine wertvolle Datenbasis zum grundlegenden Verschleiß­verhalten, zur Entwicklung von Reglern und CMS zu erzeugen.

Fh.-IWES / JOL

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