Bessere Vorhersagen für das Weltraumwetter
Neue Projekte sollen Einflüsse der Sonnenstürme auf die Erdatmosphäre abschätzen.
Sonnenstürme und ähnliche Ereignisse können elektronische Systeme auf der Erde, aber auch in Satelliten nachhaltig schädigen. Bei koronalen Massenauswürfen stößt die Sonne riesige Wolken geladener Plasmateilchen aus, die das Erdmagnetfeld massiv stören können. „Das ausgestoßene Plasma besteht hauptsächlich aus Elektronen und Protonen und erhöht die Teilchendichte in der Erdatmosphäre“, erklärt Sandro Krauß vom Institut für Geodäsie der TU Graz. Kommunikationssignale von Satelliten können verzögert werden und eine fehlerhafte Positionsbestimmung zur Folge haben. Die Plasmateilchen heizen aber vor allem die oberen Schichten der Erdatmosphäre so sehr auf, dass sich diese ausdehnt, der Luftwiderstand zunimmt und Satelliten an Geschwindigkeit und Höhe verlieren. Im schlimmsten Fall kann es zum Verlust von Forschungssatelliten kommen. Krauß und sein Team arbeiten nun in zwei Forschungsprojekten, um solche Weltraumwetterereignisse gezielt und rechtzeitig vorhersagen zu können, damit Satellitenbetreiber und Weltraumorganisationen zukünftig auf die damit verbundenen Gefahren zeitgerecht reagieren können.
Im Projekt Sweets verfolgt die Forschungsgruppe gemeinsam mit Astrophysikern der Uni Graz einen neuen kombinierten Ansatz, um die Auswirkungen von Sonnenereignissen auf Satelliten vorherzusagen. Die Grundlage dafür bilden Atmosphärendichtemessungen, abgeleitet aus Umlaufbahninformationen und Beschleunigungsmesswerten einiger Satelliten, wie Krauß präzisiert: „Je nach atmosphärischer Dichte können Satelliten mehr oder weniger stark beschleunigt werden. Aus diesen Beschleunigungssensoren können wir auf die Dichte schließen.“ Da sich die Satelliten in unterschiedlichen Flughöhen zwischen 300 und 800 Kilometer befinden, können die Forschenden eine Tomografie der oberen Erdatmosphäre konstruieren und in Abhängigkeit der Satellitenhöhe dann den Einfluss des Sonnenereignisses auf die Atmosphäre abschätzen. In Kombination mit Echtzeitmessungen des Sonnenwindplasmas und des Erdmagnetfelds durch Satelliten, die 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt positioniert sind, soll das zu Vorhersagen mit einer Vorlaufzeit von sechs bis acht Stunden führen. „Die Satelliten beginnen mit den Messungen, sobald der Sonnenwind auf sie trifft. Die Daten werden dann direkt an die Bodenstationen übermittelt“, erklärt Krauß.
Um die Vorlaufzeit auf bis zu zwei Stunden auszudehnen, verknüpft das Projektteam die gewonnenen Daten mit geomagnetischen und physikalischen Werten von mehreren hundert bis ins Jahr 2000 zurückreichenden Sonnenereignissen. Die Analyse basiert auf algorithmischen Berechnungen. Die Ergebnisse werden anhand eines Echtzeit-Demonstrators (SODA) veröffentlicht und sollen zukünftig in das „Safety and Security“-Programms der Esa einfließen.
Im Rahmen des Projekts Esprit wiederum erforschen das Team der TU Graz gemeinsam mit dem Institut für Weltraumforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften die physikalischen Zustände des Sonnenwindplasmas und des interplanetaren Magnetfeldes sowie die eigentliche Solarstrahlung während unterschiedlicher Sonnenereignisse. Unterstützung erhalten sie von Kollegen der Uni Graz und der University of Colorado Boulder. „Speziell in puncto Genauigkeit und Zuverlässigkeit steckt die Vorhersage von Sonnenereignissen noch in den Kinderschuhen“, so Krauß zur Notwendigkeit, mehr Kenntnisse über das Weltraumwetter zu erwerben. Näher untersucht wird außerdem die chemische Zusammensetzung der oberen Erdatmosphäre. Es ist bekannt, dass bestimmte, dort vorkommende Verbindungen aus Stickoxid, Kohlenstoffdioxid und Helium kühlen und so das Aufheizen der Erdatmosphäre in Folge von Sonnenstürmen minimieren. Ein Vorteil für die Erdatmosphäre, aber ein Nachteil für die Wissenschaft, denn, so Krauß: „Wir wissen noch zu wenig über den Ursprung dieser chemischen Zustände. Das erschwert die Vorhersagegenauigkeit.“
Krauß prognostiziert, dass die Ergebnisse beider Projekte schon im Laufe der nächsten drei Jahre zu besseren und genaueren Vorhersagemodellen führen werden. Das sei aufgrund der rasanten Entwicklungssprünge auch notwendig, um für Geräte des täglichen Gebrauchs und technische Infrastruktur das Risiko von Fehlern und Ausfällen zu senken.
TU Graz / JOL