29.06.2021

Bessere Vorhersagen für das Weltraumwetter

Neue Projekte sollen Einflüsse der Sonnenstürme auf die Erdatmosphäre abschätzen.

Sonnenstürme und ähnliche Ereignisse können elektronische Systeme auf der Erde, aber auch in Satelliten nachhaltig schädigen. Bei koronalen Massen­auswürfen stößt die Sonne riesige Wolken geladener Plasmateilchen aus, die das Erdmagnet­feld massiv stören können. „Das ausgestoßene Plasma besteht hauptsächlich aus Elektronen und Protonen und erhöht die Teilchen­dichte in der Erd­atmosphäre“, erklärt Sandro Krauß vom Institut für Geodäsie der TU Graz. Kommunikations­signale von Satelliten können verzögert werden und eine fehlerhafte Positions­bestimmung zur Folge haben. Die Plasma­teilchen heizen aber vor allem die oberen Schichten der Erdatmosphäre so sehr auf, dass sich diese ausdehnt, der Luftwiderstand zunimmt und Satelliten an Geschwindigkeit und Höhe verlieren. Im schlimmsten Fall kann es zum Verlust von Forschungs­satelliten kommen. Krauß und sein Team arbeiten nun in zwei Forschungsprojekten, um solche Weltraum­wetter­ereignisse gezielt und rechtzeitig vorhersagen zu können, damit Satelliten­betreiber und Weltraum­organisationen zukünftig auf die damit verbundenen Gefahren zeitgerecht reagieren können. 

 

Abb.: Bei koronalen Massen­auswürfen stößt die Sonne riesige Wolken...
Abb.: Bei koronalen Massen­auswürfen stößt die Sonne riesige Wolken geladener Plasma­teilchen aus, die das Erd­magnetfeld massiv stören können. (Bild: NASA / SDO)

Im Projekt Sweets verfolgt die Forschungs­gruppe gemeinsam mit Astro­physikern der Uni Graz einen neuen kombinierten Ansatz, um die Auswirkungen von Sonnen­ereignissen auf Satelliten vorherzusagen. Die Grundlage dafür bilden Atmosphären­dichtemessungen, abgeleitet aus Umlaufbahn­informationen und Beschleunigungs­messwerten einiger Satelliten, wie Krauß präzisiert: „Je nach atmosphärischer Dichte können Satelliten mehr oder weniger stark beschleunigt werden. Aus diesen Beschleunigungs­sensoren können wir auf die Dichte schließen.“ Da sich die Satelliten in unter­schiedlichen Flughöhen zwischen 300 und 800 Kilometer befinden, können die Forschenden eine Tomo­grafie der oberen Erdatmosphäre konstruieren und in Abhängigkeit der Satelliten­höhe dann den Einfluss des Sonnen­ereignisses auf die Atmosphäre abschätzen. In Kombination mit Echtzeit­messungen des Sonnen­windplasmas und des Erdmagnetfelds durch Satelliten, die 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt positioniert sind, soll das zu Vorhersagen mit einer Vorlaufzeit von sechs bis acht Stunden führen. „Die Satelliten beginnen mit den Messungen, sobald der Sonnenwind auf sie trifft. Die Daten werden dann direkt an die Boden­stationen übermittelt“, erklärt Krauß. 

Um die Vorlaufzeit auf bis zu zwei Stunden auszudehnen, verknüpft das Projektteam die gewonnenen Daten mit geo­magnetischen und physikalischen Werten von mehreren hundert bis ins Jahr 2000 zurück­reichenden Sonnen­ereignissen. Die Analyse basiert auf algo­rithmischen Berechnungen. Die Ergebnisse werden anhand eines Echtzeit-Demons­trators (SODA) veröffent­licht und sollen zukünftig in das „Safety and Security“-Programms der Esa einfließen.

Im Rahmen des Projekts Esprit wiederum erforschen das Team der TU Graz gemeinsam mit dem Institut für Weltraum­forschung der öster­reichischen Akademie der Wissen­schaften die physikalischen Zustände des Sonnenwind­plasmas und des inter­planetaren Magnetfeldes sowie die eigentliche Solarstrahlung während unter­schiedlicher Sonnen­ereignisse. Unterstützung erhalten sie von Kollegen der Uni Graz und der University of Colorado Boulder. „Speziell in puncto Genauigkeit und Zuver­lässigkeit steckt die Vorhersage von Sonnen­ereignissen noch in den Kinder­schuhen“, so Krauß zur Notwen­digkeit, mehr Kenntnisse über das Weltraum­wetter zu erwerben. Näher untersucht wird außerdem die chemische Zusammensetzung der oberen Erd­atmosphäre. Es ist bekannt, dass bestimmte, dort vorkommende Verbindungen aus Stickoxid, Kohlenstoff­dioxid und Helium kühlen und so das Aufheizen der Erdatmosphäre in Folge von Sonnen­stürmen minimieren. Ein Vorteil für die Erdatmo­sphäre, aber ein Nachteil für die Wissenschaft, denn, so Krauß: „Wir wissen noch zu wenig über den Ursprung dieser chemischen Zustände. Das erschwert die Vorhersage­genauigkeit.“ 

Krauß prognos­tiziert, dass die Ergebnisse beider Projekte schon im Laufe der nächsten drei Jahre zu besseren und genaueren Vorhersage­modellen führen werden. Das sei aufgrund der rasanten Entwicklungs­sprünge auch notwendig, um für Geräte des täglichen Gebrauchs und technische Infra­struktur das Risiko von Fehlern und Ausfällen zu senken.

TU Graz / JOL

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