30.12.2020 • VakuumPlasmaDünne Schichten

Bewegend, vermessend, produzierend, inspirierend – Vakuum kann was!

Jahresrückblick Vakuum-, Plasma-, Dünnschicht- und Oberflächentechnologie 2020.

Auch in die­sem Jahr werden wir nicht müde, die Be­deu­tung der Va­ku­um­technik für ein im­mense Zahl an grund­la­gen­physi­kali­schen Ex­pe­ri­men­ten und für un­ter­schied­lich­ste tech­nolo­gi­sche Er­run­genschaf­ten her­vor­zu­he­ben. Keine ein­zige der im Jah­res­rückblick Teil­chen-, Kern- und Be­schleu­ni­gerphysik be­schrie­bene Ar­beit wäre ohne konstante Be­reit­stel­lung von Ul­tra­hochva­kuum zu­stande ge­kommen, und auch in Atom-, Festkör­per- und Quanten­physik ist die Va­ku­um­technik in ei­ner Vielzahl von Ex­pe­ri­men­ten die un­er­wähnte Grundlage der ver­öf­fentli­chen Er­folge. Ein Blick auf die Ap­pa­ra­tur hilft manchmal wei­ter: Wo deut­lich sichtbar stähler­ne Flansche glänzen, wird der Ein­satz von Va­ku­um­technik so of­fen­bar, dass man das Sur­ren der Pumpen un­ter dem Tisch schon fast zu hö­ren glaubt.

Fal­scher Stolz? Wir er­wähnen doch auch nicht das Kühlwasser, wel­ches von den Stadt­wer­ken freundlicher­weise zur Ver­fü­gung ge­stellt wird, o­der dass die Auswer­tun­gen dank leis­tungs­star­ker Computerchips – ha! gibt’s auch nur dank erstklassi­ger Tur­bo­mo­le­ku­lar­pumpen – trotz bis­wei­len riesiger Da­ten­flut ver­gleichs­weise im Hand­umdrehen ge­lin­gen. Ex­pe­ri­ment und Theorie ver­danken ihre Fortschritte na­tür­lich vie­len Technolo­gien. Dennoch sei uns der Rückblick mit die­ser Schwerpunktsetzung ge­stattet, denn die Ar­beit von Na­tur­wis­sen­schaft­lern, In­ge­ni­eu­ren und Techni­kern in Un­ter­neh­men wie Ley­bold, das in die­sem Jahr sein 170-jäh­ri­ges Be­ste­hen fei­erte, so­wie Pfeiffer, das sein Pro­duktportfo­lio seit 130 Jah­ren auf Va­ku­uman­wendungen in For­schung, Ent­wicklung und In­dustrie op­ti­miert, und Busch, das 57 Jahre nach sei­ner Grün­dung zum Top Fa­mi­lien­un­ter­neh­men 2020 ge­kürt wurde, zeigt: Va­kuum ist eben nicht wie Wasser aus der Wand!

Vakuum be­wegt

Beim Transport kleinster Teil­chen mit na­hezu Lichtge­schwindig­keit durch lange Röhren in un­ter­irdi­schen Tunnel­sys­te­men hat man sich an den Ein­satz von Va­ku­um­technik ge­wöhnt. Künftig sol­len nun auch Menschen in den Ge­nuss des Rei­sens durch (zu­mindest teil-) eva­ku­ierte Röhren kommen – al­ler­dings le­dig­lich mit na­hezu Überschall­ge­schwindig­keit, was je­doch im­mer noch alle an­de­ren ter­restri­sches Fortbe­we­gungsarten für Nichtelement­ar­teil­chen toppt.

Hy­per­loop heißt das Ganze, bei der eine Kombi­na­tion aus in Magnetschwe­be­technik in­te­grier­ten Li­ne­armoto­ren und elektrisch be­trie­be­nen Kompres­so­ren die Gondel bewegt. Welche technologi­sche Ausar­bei­tung die­ses Hy­per­loop-Be­schleu­ni­gungsprin­zip am bes­ten um­setzt, wurde in den ver­gange­nen fünf Jah­ren in mehre­ren von SpaceX aus­ge­richte­ten Competi­tions auf ei­ner 1,4 Ki­lo­me­ter lan­gen Teststrecke in Ka­li­for­nien aus­ge­macht. Das WARR-Team der TU München ging da­bei mehrfach als Sie­ger her­vor. Bayern macht nun Nä­gel mit Köpfen und wird in den kommen­den Jah­ren Ent­wicklungsarbei­ten zur Re­ali­sie­rung des Hy­per­loop-Su­per­schnellzugs fi­nanzie­ren, die den Bau ei­ner 24 Me­ter lan­gen Teströhre und ei­ner Pro­to­typ-Kapsel im Maßstab 1:1 be­in­hal­ten.

Auch Strom kann demnächst un­ter Ein­satz von Va­ku­um­technik energieeffi­zient und wi­der­standslos in un­sere Haushalte ge­lan­gen. Diese be­sei­tigt hierbei je­doch nur in­di­rekt die Hin­der­nisse, die sich den „Reisen­den“ in den Weg stel­len könnten. In ers­ter Li­nie sorgt sie für das Vor­handensein von aus­rei­chend flüs­si­gem Stickstoff und ge­währleistet so, dass die Elektro­nen auf ih­rem Weg durch den tief­ge­kühlten Lei­ter kei­nen Wi­der­stand er­fah­ren. Denn auch Supralei­tung geht auch nicht ohne Va­kuum – zu­mindest nicht, so­lange „Hochtem­pe­ra­tur“ vor „Sup­ralei­ter“ im­mer noch -197°C be­deutet. Vor rund fünf Jah­ren wurde mit dem Pro­jekt Am­pa­City in Es­sen ein ers­ter Ver­su­ch mit ei­ner sup­raleitenden Hochener­gie­trasse im Be­reich der städti­schen Stromversorgung un­ter­no­mmen. In die­sem Jahr fiel nun der Startschuss für das Pro­jekt Su­per­Link, an des­sen Ab­schluss die längste Supraleiter­ver­bin­dung der Welt durch München ver­legt wird. Das in den Ka­beln ein­ge­setzte Hochtempera­tur-Supraleiter- (HTS-) Ma­te­rial wird va­ku­um­ge­stützt mit­tels Elektro­nenstrahlverdamp­fen de­po­niert und ver­leiht den Ka­beln ein Stromtrag­fä­hig­keit, die mit bis zu 1000 A/mm2 um das 200- bis 400-fa­che hö­her liegt als bei her­kömmli­chen Kup­fer­lei­tern.

We­sentlich wei­ter von der von der An­wendung ent­fernt, aber für die Quanten­kommuni­ka­tion höchst re­le­vant: Licht lässt sich im Kof­fer transportie­ren – al­ler­dings vor­erst nur über eine Strecke von 1,2 Mil­li­me­ter und auch le­dig­lich im Va­kuum, aber im­merhin kontrol­liert. Da­bei übertrifft die Transport­strecke sogar die Größe des Speichermedi­ums, ei­nes „Koffers“ aus ult­ra­kal­ten Ru­bi­dium-87-Ato­men. Ne­ben der be­reits be­kannten Möglichkeit, op­ti­sche Quantenin­for­ma­tio­nen speichern und wie­der ­aus­le­sen zu kön­nen, ge­stattet das neue Ver­fah­ren ein Ab­ru­fen der ge­speicherten In­for­ma­tion an an­de­rer Stelle.

Eine neue Plattform für die Quantenphoto­nik mit op­ti­schen Wellen­lei­tern er­möglicht ab­hör­si­chere Kommuni­ka­tion und hochgenaue Senso­ren – au­ßer­halb von La­bo­ren je­doch nur, wenn eine iso­lie­rende Va­ku­um­kammer auf Glas ihr Mo­bili­tät ver­leiht, in­dem sie die hochgenauen Sen­so­ren vor un­er­wünsch­ten Um­welteinflüs­sen schützt. Durch eine In­tegra­tion mikro­me­ter­schma­ler Wellen­lei­ter in ein Glassub­strat werden Quantensensor und Va­ku­um­kam­mer mi­nia­turi­siert. Die Wellen­lei­ter füh­ren das Licht ge­zielt dorthin, wo die Quanten an­ge­regt und aus­ge­le­sen werden. Sol­che elekt­ro­op­ti­schen Lei­ter­platten eig­nen sich für ei­nen Ein­satz als Bio­sen­so­ren so­wie in der Le­bensmittel­for­schung und Me­di­zin­tech­nik.

Fortschritte wurden in die­sem Jahr auch bei der Weiter­ent­wicklung in­no­va­ti­ver Be­schleu­ni­ger­konzepte ge­macht: So be­fin­det sich in Hamburg der Plas­mabe­schleu­ni­ger LUX auf dem Weg zum Re­gel­be­trieb. Die nun er­zielte Be­triebsdauer von dreißig Stunden stellt ei­nen Weltre­kord im Dauer­sur­fen der Elektro­nen auf und zeigt, dass der Zeitpunkt ge­kommen ist, die La­ser-Plasmabe­schleu­ni­gung aus dem La­bor zur An­wendung zu füh­ren. Und an der Cor­nell-BNL ELR Test Ac­celera­tor Fa­ci­lity CBETA weist ein neuarti­ger Be­schleu­ni­ger­typ eine hochef­fizi­ente, mehrstu­fige Energierückge­winnung auf, mit der sich Teil­chen nachhaltig be­schleu­ni­gen las­sen. 99,8 Pro­zent der ur­sprünglich im Teil­chenstrahl be­findli­chen Energie las­sen sich so wie­der­ge­winnen. Dazu ab­sol­vie­ren die Elektro­nen im An­schluss an vier Be­schleu­ni­gungsumläufe vier wei­tere Um­läufe auf den Be­schleu­ni­ger­strecken, nur dass sie da­bei Energie an die sup­raleitenden Ka­vi­tä­ten der Be­schleu­ni­ger­röh­ren ab­ge­ben, die diese dann ohne wei­tere Energiezu­fuhr wie­der an neu ein­ge­speiste Elektro­nenpa­kete wei­ter­ge­ben können. Am sup­raleitenden Darmstäd­ter Li­ne­ar­be­schleu­ni­ger S-Da­li­nac ge­lingt die­ser Pro­zess der Energierückge­win­nung auch – al­ler­dings nur für ei­nen Durch­gang.

Massentechnisch zwischen Elementarteilchen und Menschen liegen Ionen und schwere Kerne, auf deren Beschleunigung sich das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und das im Aufbau befindliche Beschleunigerzentrum FAIR spezialisiert. Unter dem Schirm der APPA-Kollaboration, einer der vier Säulen des FAIR, gehen Wissenschaftler auch anwendungsorientierten Fragen der Bio- und Medizinphysik nach und erzielten in diesem Jahr einen beachtlichen Erfolg in der Bekämpfung von Tumoren mittels Kohlenstoffionen. Am Himac (Heavy Ion Medical Accelerator) im japanischen Chiba demonstrierten sie im Mäusemodell die Überlegenheit einer Kombination aus Bestrahlung mit Kohlenstoffionen und anschließender Immuntherapie bei der Ausbildung von Lungenmetastasen eines Osteosarkoms. Zeigte die Methode im Vergleich zur herkömmlichen – ebenfalls mit Immuntherapie kombinierten – konventionellen Röntgenbestrahlung bei der Behandlung des Primärtumors keine Vorteile, so erwies sie sich bei der Kontrolle von Lungenmetastasen als deutlich wirksamer und zeigt, dass das Potential der Kohlenstoffionentherapie im FAIR-Experimentierprogramm noch weiter ausgeschöpft werden kann.

Und dann hat noch die Extremely Bril­li­ant Source als ers­tes Hochener­gie-Syn­chrot­ron der vierten Ge­ne­ra­tion an der ESRF in Grenoble ih­ren Be­trieb auf­ge­no­mmen. Der in der neuen An­lage zir­ku­lie­rende Elekt­ro­nenstrahl wird von tau­send Magneten auf ein Dreißigstel der Breite des Vor­gänger­strahls fo­kus­siert und lie­fert ei­nen 100-mal bril­lan­te­ren und ko­hä­ren­te­ren Röntgen­strahl.

Vakuum ver­misst …

…. na­tür­lich ebenso we­nig, wie es be­wegt. Al­ler­dings er­möglicht es in den ver­schiedensten na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Dis­zip­linen die Vermessung von Teil­chen- und Ma­teri­alei­genschaf­ten so­wie von Fel­dern und Na­tur­konstanten. Auch in die­sem Be­reich tat sich in die­sem Jahr ei­ni­ges.

Ein neu­arti­ger Rin­gla­ser ver­folgt erstmals Ro­ta­ti­onsbe­we­gungen der Erde di­rekt und hochge­nau an der Erdoberfläche. Dieses ROMY (Rota­tio­nal Motions in Seismo­logy) ge­nannte ge­o­physi­ka­li­sche In­stru­ment misst in der Nähe von München mi­ni­ma­len Un­ter­schiede in der Erdbe­we­gung mit bis­her weltweit un­er­reichter Ge­nauigkeit, wie erste Er­gebnisse die­ses Jahr zeigten. In je­dem der vier zu ei­nem Tet­ra­eder an­ge­ordne­ten Dreiecke zir­ku­lie­ren zwei se­pa­rate La­ser­strahlen in ent­ge­genge­setzter Richtung. Die In­ter­fe­renz der Strahlen lie­fert ein äu­ßerst empfindli­ches Maß für die Schwankungen der Er­d­rota­tion und -nei­gung. Von die­sen Da­ten profi­tie­ren GPS-Sys­teme ebenso wie die Messeinrichtungen für Gravi­ta­ti­onswel­len und seismo­lo­gi­sche Ex­pe­ri­mente.

Wie atomare Cluster entste­hen und zer­fal­len, ver­misst ein neu entwi­ckeltes Multi­re­fle­xions-Flug­zeit-Mas­sen­spekt­ro­me­ter. Die Ap­pa­ra­tur ver­eint zwei spektro­metri­sche An­wendungen und kann die Cluster ih­rer Größe nach vor­se­lek­tie­ren und die durch La­ser­an­re­gung ent­ste­hen­den Re­ak­ti­ons­pro­duk­te analy­sie­ren. Mess­rei­hen ver­spre­chen Ein­bli­cke in die zwischen Atom und Fest­kör­per ein­zu­ordnenden Cluster, de­ren Ei­genschaf­ten oft­mals stark mit ih­rer Größe va­ri­ieren.

Taktge­ber der zur Zeit ge­naues­ten Uh­ren sind Atome, die op­tisch mittels La­sern an­ge­regt werden, und dazu mög­lichst stö­rungsfrei in ab­ge­schirm­ten Io­nenfal­len un­ter Va­kuum ge­hal­ten wer­den. Kürz­lich wurde ein neues Ver­fah­ren zur Un­ter­drückung von Fre­quenzver­schie­bungen bei op­ti­schen Atom­uhren entwi­ckelt, das nicht­ab­schirm­bare rich­tungsabhängige Stö­rungen voll­ständig un­ter­drückt. Diese be­ein­flussen das Atom in der Dun­kel­phase zwischen zwei La­ser­pul­sen so, dass es zu Fre­quenzver­schie­bungen und da­mit Un­ge­nauig­kei­ten kommt. Eine während der Dun­kel­phase mit Hilfe ei­nes äu­ße­ren Magnetfelds herbeige­führte, lang­same, konti­nu­ier­li­che Dre­hung des Atoms mittelt die Stö­rungen nun heraus. Durch starke elek­tri­sche Feldgradi­en­ten künst­lich er­zeugte Fre­quenzver­schie­bungen lie­ßen sich bei ei­ner 171Yb+-Ein­zel­ionen­uhr auf diese Weise um mehr als zwei Größen­ord­nun­gen un­ter­drü­cken.

Als weiteres – in dem nächste Woche erscheinenden Jahresrückblick auf die Atom- und Quantenphysik genauer erläutertes – Beispiel blicken wir auf die erstmalige Messung der Lamb-Verschiebung an Antiwasserstoff. Das Ergebnis beruhigt durch seine Bestätigung des Standardmodels, ließ sich doch kein Hinweis auf fundamentale Symmetrieverletzungen beim Austausch von Materie- durch Antimaterie-Teilchen finden. Es zeigte sich, dass Antiwasserstoff eben auch nur Wasserstoff ist.

Vakuum produ­ziert

Nun wird es an­wendungsori­en­tiert: Nicht nur die Be­reitstellung von Welt­raum­be­din­gungen zum Test von Ausrüs­tung für Weltraum­missio­nen im La­bor, auch Fu­si­onsplasmen zur De­ckung un­se­res Energiebe­darfs und Niedertempe­ra­tur­plasmen zum Be­schichten und Be­han­deln von Ober­flä­chen für na­hezu je­den An­wendungsbe­reich sind auf zu­ver­läs­sige Va­ku­um­technik an­ge­wiesen. Ein Streif­zug durch die Nach­richten des letzten Jah­res lie­fert eine Kostprobe der vielfäl­ti­gen Ein­satzfel­der die­ser Quer­schnit­ts­tech­nolo­gie.

So hat bei­spielsweise der inte­grierte La­ser des Exo­Mars-Ro­vers sei­nen Thermal-Va­kuum-Tests bei Air­bus in Toulouse er­folgreich durchlau­fen und ist nun be­reit, den Dienst im MOMA, dem Mars Or­ga­nic Molecule Analy­ser, im na­tür­li­chen Un­ter­druck der Marsat­mosphäre auf­zu­nehmen. Ein ver­gleichbares Ver­fah­ren hat das Fraun­hofer-Institut für Fer­ti­gungstechnik und an­ge­wandte Ma­teri­al­for­schung Dresden ent­wi­ckelt. Der Ther­mTEST, prüft Schnitt­stel­len für Sa­tel­li­ten un­ter an­wendungsna­hen Be­din­gungen, also un­ter Va­kuum bei Tempera­tu­ren zwi­schen dreißig und neunzig Grad Cel­sius und Wärme­strom­dich­ten bis zu sie­benhundert Ki­lo­watt pro Qua­dratme­ter.

Noch ein gu­tes Stück von der An­wendung ent­fernt ist die Energiepro­duktion durch Fu­si­ons­plas­men. Die er­for­der­li­chen Weiter­ent­wicklungen auf dem Weg zum Ziel lau­fen in den ver­schie­de­nen Pro­jek­ten konti­nu­ier­lich wei­ter. Die Fusi­ons­an­lage JET be­ginnt ihr For­schungs­pro­gramm mit Deu­terium-Tri­tium-Plasmen. Als Aushänge­schild von EU­RO­fu­sion und Te­stumgebung für I­TER-Tech­nolo­gien ist der im englis­chen Cul­ham Centre for Fu­sion Energy ge­le­gene JET (Joint Eu­ropean Torus) die weltweit größte Fu­si­ons­an­lage und zur­zeit die ein­zige, die mit die­sem Brenn­stoff ei­nes künfti­gen Fu­si­ons­kraftwerks ex­pe­ri­men­tieren kann. Erste Ex­pe­ri­mente mit rei­nem Tri­tium sol­len Iso­to­pe­nef­fekte im Plasmaver­hal­ten un­ter­su­chen, be­vor dann in ei­nem hal­ben Jahr die dritte und letzte Deu­terium-Tri­tium-Kam­pagne starten kann.

An der Fu­si­ons­an­lage ASDEX Up­grade wurde eine quasikonti­nu­ier­li­che Leistungsabfuhr als wandscho­nende Me­thode in To­ka­maks ent­wi­ckelt. Da­bei lenkt ein das Plasma ein­schlie­ßende Magnetfeld die Randschicht des Plasmas auf ro­buste ge­kühlte Di­ver­tor­platten am Bo­den des Plasma­ge­fä­ßes. In gro­ßen An­la­gen wie dem I­TER würden diese den sich im­mer wie­der bil­denden Edge Lo­cali­zed Mo­des (ELMs), durch Stö­run­gen im Plasma­ein­schluss her­vor­ge­ru­fene pe­rio­di­sche Aus­würfe von Plasma­teil­chen und -ener­gien, nicht stand­halten. Eine über das Magnet­feld ge­schickt ein­ge­stellte Plasma­form kann zu­sam­men mit dem Ein­bla­sen von Wasser­stoff für eine ge­nü­gend hohe Teil­chendichte am Plasma­rand sor­gen und eine Ent­wicklung von ELMs ver­hin­dern. Statt des­sen kommt es zu klei­nen Teil­aus­brü­chen, die die Leistung quasikonti­nu­ier­lich aus dem Plasma auf die Di­ver­tor­platten len­ken.

Mitte des Jah­res wurde der offi­zi­elle Beginn des Zu­sammenbaus des weltweit größten To­ka­mak-Fu­sionsex­pe­ri­ments ITER im süd­franzö­si­schen Kernforschun­gszentrum Ca­da­ra­che ge­fei­ert. In­ner­halb der nächsten fünf Jah­ren werden die mehr als zehn Mil­lio­nen Ein­zelt­eile des To­ka­mak-Re­ak­tors zu­sammensetzt, be­vor dann Ende 2025 erstmals ein Plasma er­zeugt und un­ter­sucht werden kann. Ein zehnjähri­ger Wechsel von Ex­pe­ri­mentier- und Um­bauphasen soll sich an­schlie­ßen, da­mit die Fu­sion als al­ter­na­ti­ve Energiequelle ab Mitte des Jahrhunderts zur Ver­fü­gung ste­hen wird.

Auch die weltweit größte Stellera­tor-An­lage er­fährt konti­nu­ier­li­che Ver­bes­se­rung:  Wendelstein 7-X er­hält eine wasser­ge­kühlte Ge­fäß­ver­klei­dung. Die neuen wasser­ge­kühlten Di­ver­tor-Platten sol­len bei den spä­te­ren Hochleistungsex­pe­ri­menten ei­ner Be­las­tung bis zu zehn Me­ga­watt pro Quadratme­ter standhalten – ähnlich dem Space-Shuttle beim Wiederein­tritt in die Erdat­mosphäre. Nach Ab­schluss der Um­rüs­tungsarbei­ten kann der Plasma­be­trieb dann Ende 2021 wie­der starten.

In die­sem Jahr ha­ben For­scher die freien Elektro­nen im Plasma als ulti­ma­ti­ves Re­dukti­ons­mit­tel en­deckt: eine Ar­gon-Plasma­ent­la­dung er­setzt al­ter­na­tive Ver­fah­ren mit che­mi­schen Re­dukti­ons­mit­teln und er­öff­net neue Mög­lich­kei­ten für De­po­si­tion von Nichtedel­me­tal­len wie Ei­sen, Ko­balt und Ni­ckel in CVD-Ver­fah­ren. Ins­be­son­dere die Herstel­lung elektro­ni­scher Ge­räte pro­fi­tiert von neuem Ver­fah­ren zur Ab­schei­dung dünner Me­tall­filme.

Neu­ar­tige Bar­rier­e­schichten set­zen neue Im­pulse in der Wasser­stoff­tech­nolo­gie. Die mit­tels plasma­physi­kali­scher Ver­fah­ren ab­ge­schie­de­nen Schichten sol­len das Ein­dringen von Wasser­stoff in die Oberflä­chen von kos­ten­günstigen hoch­festen Stahlober­flä­chen ver­hin­dern und preis­wertere Sys­teme für mo­bile und sta­tio­näre An­wen­dun­gen von Wasser­stoff er­mögli­chen.

Eine mit Stick­stoff do­tierte Gra­phen­struk­tur zeigt halblei­tende Ei­gen­schaf­ten und wird mit ei­ner spe­zi­fisch ein­stellba­ren Leitfä­hig­keit in­te­res­sant für elektro­ni­sche An­wendungen. Dar­über hin­aus wird auf­grund des Stick­stoff­anteils mit au­ßer­ge­wöhnli­chen magne­ti­schen Ei­gen­schaf­ten der löchri­gen Gra­phen­bänder ge­rechnet. Das könnte das neuar­tige Ma­te­rial spä­ter auch für ei­nen Ein­satz in Quantenrechnern prä­des­ti­nie­ren.

Ein neues De­po­siti­ons­ver­fah­ren er­leichtert die Fer­ti­gung von Dünnschicht­so­lar­zel­len und sorgt durch Ko-Ver­dampfung von Cä­si­um­io­did und Blei­iodid da­für, dass Perowskit-Zel­len stabiler werden. Da­bei las­sen sich wichtige opto­elekt­ro­ni­sche Ma­teri­al­ei­genschaf­ten empfindlich über das Ver­hältnis zwi­schen Cä­sium und Blei ein­stel­len.

Er­schwingli­che Wasser­stoff-Au­tos mit der Reichweite ei­nes Die­sels rü­cken in Reichweite, in­dem eine kos­ten­günstige Be­schichtung aus Gra­phit die her­kömmli­che Goldschicht auf Bi­po­lar­platten er­setzt. Diese Kernkompo­nenten von Brennstoffzel­len können so deutlich preiswerter pro­du­ziert werden.

Auf dem Weg zu Mi­nia­turi­sie­rung ist der Io­nenstrahl schon seit mehre­ren Jahrzehnten wichtigstes strukturge­bendes Werkzeug. Da­bei funkti­o­niert manches – ob­wohl im De­tail nicht ver­standen – recht gut, ein tie­fe­res Ver­ständnis der Vor­gänge auf ato­ma­rer Ebene er­leichtert al­ler­dings Weiter- und Neuent­wicklungen. Im Fall der für die Da­ten­speiche­rung höchst re­le­van­ten Grenzflä­chenbildung zwi­schen magne­ti­schen und nicht­mag­ne­ti­schen Schichten lie­gen neue Er­kenntnisse zur Um­wandlung von nicht­mag­ne­ti­schem Ko­baltoxid in ferro­mag­ne­ti­sches Ko­balt durch Io­nenbe­schuss vor. An­ders als bis­her an­ge­no­mmen ist für die­sen Vor­gang keine che­mi­sche Um­wandlung des Sau­er­stoffs ver­ant­wortlich. Vielmehr werden die Sau­er­stoffatome rein physi­ka­lisch durch Io­nenstöße von ih­ren Plätzen in tie­fere Schichten o­der un­be­strahlte Randre­gio­nen des Ko­baltoxids ge­drängt. Mit die­sem Wissen können nun dreidi­mensi­onal ho­rizontale und ver­ti­kale Struktu­ren her­ge­stellt werden, die das magne­ti­sche Mo­ment des Ko­balts in be­stimmte Richtun­gen zwingen o­der blo­ckieren – eine Grundvo­rausset­zung für eine ganz neue Computerge­ne­ra­tion mit neuro­morpher Hardware.

Vakuum in­spi­riert

Im Vo­ran­ge­gange­nen war na­tür­lich nie vom Va­kuum selbst die Rede, son­dern von der Technolo­gie, die den Ex­pe­ri­menten und Ent­wicklungen den für sie er­for­der­li­chen Un­ter­druck be­reit­stellt – und aus Kos­tengründen auch kein Mil­li­bar we­ni­ger. Um den im­mer noch recht vol­len Raum als Va­kuum be­zeichnen zu können, reicht es ge­mäß DIN 28400 Teil 1 (Mai 1990) aus, dass in ihm Druckver­hältnisse herrschen, die un­ter de­nen lie­gen, die auf dem höchsten Punkt der Erd­oberflä­che vor­ge­fun­den werden. Mit 300 Mil­li­bar wird man die­ser For­de­rung un­ab­hängig von der Wetter­lage auf dem Mount Eve­rest in je­dem Fall ge­recht – was im­merhin noch 1019 Teil­chen pro Ku­bik­zen­ti­me­ter ent­spricht, und selbst im Ult­rahochva­kuum der Be­schleu­ni­ger­rohre tummeln sich bei 10-10 mbar im­mer noch rund eine Mil­lio­n Teil­chen in ei­nem Ku­bik­zen­ti­me­ter.

An der Vor­stel­lung des tat­sächlich lee­ren Raums ha­ben sich in den ver­gange­nen rund zwei­ein­halb­tausend Jah­ren etli­che große Geister ge­rie­ben. Richtig in­te­res­sant ist es al­ler­dings, seit quantenmechani­sche Vor­stel­lun­gen von Va­ku­um­fluktua­tio­nen un­ser Weltbild er­wei­tert ha­ben. Aus dem Nichts ent­ste­hen vir­tu­el­len Teil­chen und ver­schwinden wie­der, be­vor man sie be­obachten kann.

Eine neue Me­thode soll den schwie­ri­gen Nach­weis der Va­ku­um­fluktua­tio­nen bringen: In ei­ner spe­ziel­len Halbleiter­struk­tur kop­peln Elektro­nen un­ge­ahnt stark an das Licht­feld klei­ner An­ten­nen im Terahertz-Spektral­be­reich. Es ent­steht ein ext­rem starker Aus­tausch von Energie zwi­schen Licht- und Ma­te­rie­fel­dern, der dazu führt, dass vir­tu­elle Photo­nen in die­ser Struktur be­son­ders do­mi­nant auf­tre­ten. Die Re­ak­tion des Sys­tems auf ein durch blitz­schnel­les Aus­schal­ten des Lichtre­so­na­tors ver­än­der­tes Quantenva­kuum konnte be­reits ge­zeigt werden. Die beim Ausschal­ten des exo­ti­schen Zu­standes ge­mäß der Theorie frei­werden vir­tu­el­len Photo­nen sol­len nun di­rekt nachgewie­sen werden.

Zum Schluss kehren wir zu­rück zum schnel­len Rei­sen und dem als Un­ruh-Ef­fekt be­kannten Phäno­men, dass für ei­nen stark be­schleu­nig­ten Be­obachter die Er­wärmung des Va­ku­ums – ge­nauer: die Wahrneh­mung des Va­ku­ums als ein mit Teil­chen ge­füll­tes Wärme­bad – pos­tu­liert. Für dieses eng mit der Hawking-Strahlung ver­wandte Phäno­men sind ebenfalls vir­tu­el­le Teil­chen verantwortlich; sein ex­pe­ri­menteller Nachweis schei­terte bis­lang an der Un­möglichkeit, ein Messge­rät in kür­zes­ter Zeit auf Lichtge­schwindig­keit be­schleu­ni­gen zu können. In ei­ner neu vor­ge­schlage­nen in­ter­fe­ro­metri­schen Ver­suchsanordnung soll der be­schleu­nigte De­tek­tor je­doch aus ei­nem lo­kali­sierten La­ser­strahl in Wechsel­wir­kung mit ei­nem schei­benför­mi­gen Bose-Ein­stein-Kondensat (BEC) be­ste­hen. Die ef­fek­tive Lichtge­schwin­dig­keit ist im BEC um zwölf Größenord­nungen her­ab­ge­setzt und ein mit 0,16 Mil­li­me­ter in der Se­kunde auf eine Kreisbahn be­wegter senkrecht auf das BEC ge­richte­ter La­ser­strahl sollte Stö­run­gen her­vor­ru­fen, die de­nen der Va­ku­um­fluktua­tio­nen analog sind und eine Un­ruh-Tempera­tur von etwa 60 Piko­kel­vin er­zeu­gen würden. Im­mer noch knifflig zu messen, aber für ei­nige Tüftler hof­fentlich ein gu­ter An­satz und eine Her­aus­for­de­rung für die kommen­den Jahre.

Lisa Kleinen

Hinweis: Der Absatz über beschleunigergestützte Tumortherapie wurde am 4.1.2021 ergänzt.

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