Bewegend, vermessend, produzierend, inspirierend – Vakuum kann was!
Jahresrückblick Vakuum-, Plasma-, Dünnschicht- und Oberflächentechnologie 2020.
Auch in diesem Jahr werden wir nicht müde, die Bedeutung der Vakuumtechnik für ein immense Zahl an grundlagenphysikalischen Experimenten und für unterschiedlichste technologische Errungenschaften hervorzuheben. Keine einzige der im Jahresrückblick Teilchen-, Kern- und Beschleunigerphysik beschriebene Arbeit wäre ohne konstante Bereitstellung von Ultrahochvakuum zustande gekommen, und auch in Atom-, Festkörper- und Quantenphysik ist die Vakuumtechnik in einer Vielzahl von Experimenten die unerwähnte Grundlage der veröffentlichen Erfolge. Ein Blick auf die Apparatur hilft manchmal weiter: Wo deutlich sichtbar stählerne Flansche glänzen, wird der Einsatz von Vakuumtechnik so offenbar, dass man das Surren der Pumpen unter dem Tisch schon fast zu hören glaubt.
Falscher Stolz? Wir erwähnen doch auch nicht das Kühlwasser, welches von den Stadtwerken freundlicherweise zur Verfügung gestellt wird, oder dass die Auswertungen dank leistungsstarker Computerchips – ha! gibt’s auch nur dank erstklassiger Turbomolekularpumpen – trotz bisweilen riesiger Datenflut vergleichsweise im Handumdrehen gelingen. Experiment und Theorie verdanken ihre Fortschritte natürlich vielen Technologien. Dennoch sei uns der Rückblick mit dieser Schwerpunktsetzung gestattet, denn die Arbeit von Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern in Unternehmen wie Leybold, das in diesem Jahr sein 170-jähriges Bestehen feierte, sowie Pfeiffer, das sein Produktportfolio seit 130 Jahren auf Vakuumanwendungen in Forschung, Entwicklung und Industrie optimiert, und Busch, das 57 Jahre nach seiner Gründung zum Top Familienunternehmen 2020 gekürt wurde, zeigt: Vakuum ist eben nicht wie Wasser aus der Wand!
Vakuum bewegt
Beim Transport kleinster Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch lange Röhren in unterirdischen Tunnelsystemen hat man sich an den Einsatz von Vakuumtechnik gewöhnt. Künftig sollen nun auch Menschen in den Genuss des Reisens durch (zumindest teil-) evakuierte Röhren kommen – allerdings lediglich mit nahezu Überschallgeschwindigkeit, was jedoch immer noch alle anderen terrestrisches Fortbewegungsarten für Nichtelementarteilchen toppt.
Hyperloop heißt das Ganze, bei der eine Kombination aus in Magnetschwebetechnik integrierten Linearmotoren und elektrisch betriebenen Kompressoren die Gondel bewegt. Welche technologische Ausarbeitung dieses Hyperloop-Beschleunigungsprinzip am besten umsetzt, wurde in den vergangenen fünf Jahren in mehreren von SpaceX ausgerichteten Competitions auf einer 1,4 Kilometer langen Teststrecke in Kalifornien ausgemacht. Das WARR-Team der TU München ging dabei mehrfach als Sieger hervor. Bayern macht nun Nägel mit Köpfen und wird in den kommenden Jahren Entwicklungsarbeiten zur Realisierung des Hyperloop-Superschnellzugs finanzieren, die den Bau einer 24 Meter langen Teströhre und einer Prototyp-Kapsel im Maßstab 1:1 beinhalten.
Auch Strom kann demnächst unter Einsatz von Vakuumtechnik energieeffizient und widerstandslos in unsere Haushalte gelangen. Diese beseitigt hierbei jedoch nur indirekt die Hindernisse, die sich den „Reisenden“ in den Weg stellen könnten. In erster Linie sorgt sie für das Vorhandensein von ausreichend flüssigem Stickstoff und gewährleistet so, dass die Elektronen auf ihrem Weg durch den tiefgekühlten Leiter keinen Widerstand erfahren. Denn auch Supraleitung geht auch nicht ohne Vakuum – zumindest nicht, solange „Hochtemperatur“ vor „Supraleiter“ immer noch -197°C bedeutet. Vor rund fünf Jahren wurde mit dem Projekt AmpaCity in Essen ein erster Versuch mit einer supraleitenden Hochenergietrasse im Bereich der städtischen Stromversorgung unternommen. In diesem Jahr fiel nun der Startschuss für das Projekt SuperLink, an dessen Abschluss die längste Supraleiterverbindung der Welt durch München verlegt wird. Das in den Kabeln eingesetzte Hochtemperatur-Supraleiter- (HTS-) Material wird vakuumgestützt mittels Elektronenstrahlverdampfen deponiert und verleiht den Kabeln ein Stromtragfähigkeit, die mit bis zu 1000 A/mm2 um das 200- bis 400-fache höher liegt als bei herkömmlichen Kupferleitern.
Wesentlich weiter von der von der Anwendung entfernt, aber für die Quantenkommunikation höchst relevant: Licht lässt sich im Koffer transportieren – allerdings vorerst nur über eine Strecke von 1,2 Millimeter und auch lediglich im Vakuum, aber immerhin kontrolliert. Dabei übertrifft die Transportstrecke sogar die Größe des Speichermediums, eines „Koffers“ aus ultrakalten Rubidium-87-Atomen. Neben der bereits bekannten Möglichkeit, optische Quanteninformationen speichern und wieder auslesen zu können, gestattet das neue Verfahren ein Abrufen der gespeicherten Information an anderer Stelle.
Eine neue Plattform für die Quantenphotonik mit optischen Wellenleitern ermöglicht abhörsichere Kommunikation und hochgenaue Sensoren – außerhalb von Laboren jedoch nur, wenn eine isolierende Vakuumkammer auf Glas ihr Mobilität verleiht, indem sie die hochgenauen Sensoren vor unerwünschten Umwelteinflüssen schützt. Durch eine Integration mikrometerschmaler Wellenleiter in ein Glassubstrat werden Quantensensor und Vakuumkammer miniaturisiert. Die Wellenleiter führen das Licht gezielt dorthin, wo die Quanten angeregt und ausgelesen werden. Solche elektrooptischen Leiterplatten eignen sich für einen Einsatz als Biosensoren sowie in der Lebensmittelforschung und Medizintechnik.
Fortschritte wurden in diesem Jahr auch bei der Weiterentwicklung innovativer Beschleunigerkonzepte gemacht: So befindet sich in Hamburg der Plasmabeschleuniger LUX auf dem Weg zum Regelbetrieb. Die nun erzielte Betriebsdauer von dreißig Stunden stellt einen Weltrekord im Dauersurfen der Elektronen auf und zeigt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die Laser-Plasmabeschleunigung aus dem Labor zur Anwendung zu führen. Und an der Cornell-BNL ELR Test Accelerator Facility CBETA weist ein neuartiger Beschleunigertyp eine hocheffiziente, mehrstufige Energierückgewinnung auf, mit der sich Teilchen nachhaltig beschleunigen lassen. 99,8 Prozent der ursprünglich im Teilchenstrahl befindlichen Energie lassen sich so wiedergewinnen. Dazu absolvieren die Elektronen im Anschluss an vier Beschleunigungsumläufe vier weitere Umläufe auf den Beschleunigerstrecken, nur dass sie dabei Energie an die supraleitenden Kavitäten der Beschleunigerröhren abgeben, die diese dann ohne weitere Energiezufuhr wieder an neu eingespeiste Elektronenpakete weitergeben können. Am supraleitenden Darmstädter Linearbeschleuniger S-Dalinac gelingt dieser Prozess der Energierückgewinnung auch – allerdings nur für einen Durchgang.
Massentechnisch zwischen Elementarteilchen und Menschen liegen Ionen und schwere Kerne, auf deren Beschleunigung sich das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und das im Aufbau befindliche Beschleunigerzentrum FAIR spezialisiert. Unter dem Schirm der APPA-Kollaboration, einer der vier Säulen des FAIR, gehen Wissenschaftler auch anwendungsorientierten Fragen der Bio- und Medizinphysik nach und erzielten in diesem Jahr einen beachtlichen Erfolg in der Bekämpfung von Tumoren mittels Kohlenstoffionen. Am Himac (Heavy Ion Medical Accelerator) im japanischen Chiba demonstrierten sie im Mäusemodell die Überlegenheit einer Kombination aus Bestrahlung mit Kohlenstoffionen und anschließender Immuntherapie bei der Ausbildung von Lungenmetastasen eines Osteosarkoms. Zeigte die Methode im Vergleich zur herkömmlichen – ebenfalls mit Immuntherapie kombinierten – konventionellen Röntgenbestrahlung bei der Behandlung des Primärtumors keine Vorteile, so erwies sie sich bei der Kontrolle von Lungenmetastasen als deutlich wirksamer und zeigt, dass das Potential der Kohlenstoffionentherapie im FAIR-Experimentierprogramm noch weiter ausgeschöpft werden kann.
Und dann hat noch die Extremely Brilliant Source als erstes Hochenergie-Synchrotron der vierten Generation an der ESRF in Grenoble ihren Betrieb aufgenommen. Der in der neuen Anlage zirkulierende Elektronenstrahl wird von tausend Magneten auf ein Dreißigstel der Breite des Vorgängerstrahls fokussiert und liefert einen 100-mal brillanteren und kohärenteren Röntgenstrahl.
Vakuum vermisst …
…. natürlich ebenso wenig, wie es bewegt. Allerdings ermöglicht es in den verschiedensten naturwissenschaftlichen Disziplinen die Vermessung von Teilchen- und Materialeigenschaften sowie von Feldern und Naturkonstanten. Auch in diesem Bereich tat sich in diesem Jahr einiges.
Ein neuartiger Ringlaser verfolgt erstmals Rotationsbewegungen der Erde direkt und hochgenau an der Erdoberfläche. Dieses ROMY (Rotational Motions in Seismology) genannte geophysikalische Instrument misst in der Nähe von München minimalen Unterschiede in der Erdbewegung mit bisher weltweit unerreichter Genauigkeit, wie erste Ergebnisse dieses Jahr zeigten. In jedem der vier zu einem Tetraeder angeordneten Dreiecke zirkulieren zwei separate Laserstrahlen in entgegengesetzter Richtung. Die Interferenz der Strahlen liefert ein äußerst empfindliches Maß für die Schwankungen der Erdrotation und -neigung. Von diesen Daten profitieren GPS-Systeme ebenso wie die Messeinrichtungen für Gravitationswellen und seismologische Experimente.
Wie atomare Cluster entstehen und zerfallen, vermisst ein neu entwickeltes Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometer. Die Apparatur vereint zwei spektrometrische Anwendungen und kann die Cluster ihrer Größe nach vorselektieren und die durch Laseranregung entstehenden Reaktionsprodukte analysieren. Messreihen versprechen Einblicke in die zwischen Atom und Festkörper einzuordnenden Cluster, deren Eigenschaften oftmals stark mit ihrer Größe variieren.
Taktgeber der zur Zeit genauesten Uhren sind Atome, die optisch mittels Lasern angeregt werden, und dazu möglichst störungsfrei in abgeschirmten Ionenfallen unter Vakuum gehalten werden. Kürzlich wurde ein neues Verfahren zur Unterdrückung von Frequenzverschiebungen bei optischen Atomuhren entwickelt, das nichtabschirmbare richtungsabhängige Störungen vollständig unterdrückt. Diese beeinflussen das Atom in der Dunkelphase zwischen zwei Laserpulsen so, dass es zu Frequenzverschiebungen und damit Ungenauigkeiten kommt. Eine während der Dunkelphase mit Hilfe eines äußeren Magnetfelds herbeigeführte, langsame, kontinuierliche Drehung des Atoms mittelt die Störungen nun heraus. Durch starke elektrische Feldgradienten künstlich erzeugte Frequenzverschiebungen ließen sich bei einer 171Yb+-Einzelionenuhr auf diese Weise um mehr als zwei Größenordnungen unterdrücken.
Als weiteres – in dem nächste Woche erscheinenden Jahresrückblick auf die Atom- und Quantenphysik genauer erläutertes – Beispiel blicken wir auf die erstmalige Messung der Lamb-Verschiebung an Antiwasserstoff. Das Ergebnis beruhigt durch seine Bestätigung des Standardmodels, ließ sich doch kein Hinweis auf fundamentale Symmetrieverletzungen beim Austausch von Materie- durch Antimaterie-Teilchen finden. Es zeigte sich, dass Antiwasserstoff eben auch nur Wasserstoff ist.
Vakuum produziert
Nun wird es anwendungsorientiert: Nicht nur die Bereitstellung von Weltraumbedingungen zum Test von Ausrüstung für Weltraummissionen im Labor, auch Fusionsplasmen zur Deckung unseres Energiebedarfs und Niedertemperaturplasmen zum Beschichten und Behandeln von Oberflächen für nahezu jeden Anwendungsbereich sind auf zuverlässige Vakuumtechnik angewiesen. Ein Streifzug durch die Nachrichten des letzten Jahres liefert eine Kostprobe der vielfältigen Einsatzfelder dieser Querschnittstechnologie.
So hat beispielsweise der integrierte Laser des ExoMars-Rovers seinen Thermal-Vakuum-Tests bei Airbus in Toulouse erfolgreich durchlaufen und ist nun bereit, den Dienst im MOMA, dem Mars Organic Molecule Analyser, im natürlichen Unterdruck der Marsatmosphäre aufzunehmen. Ein vergleichbares Verfahren hat das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung Dresden entwickelt. Der ThermTEST, prüft Schnittstellen für Satelliten unter anwendungsnahen Bedingungen, also unter Vakuum bei Temperaturen zwischen dreißig und neunzig Grad Celsius und Wärmestromdichten bis zu siebenhundert Kilowatt pro Quadratmeter.
Noch ein gutes Stück von der Anwendung entfernt ist die Energieproduktion durch Fusionsplasmen. Die erforderlichen Weiterentwicklungen auf dem Weg zum Ziel laufen in den verschiedenen Projekten kontinuierlich weiter. Die Fusionsanlage JET beginnt ihr Forschungsprogramm mit Deuterium-Tritium-Plasmen. Als Aushängeschild von EUROfusion und Testumgebung für ITER-Technologien ist der im englischen Culham Centre for Fusion Energy gelegene JET (Joint European Torus) die weltweit größte Fusionsanlage und zurzeit die einzige, die mit diesem Brennstoff eines künftigen Fusionskraftwerks experimentieren kann. Erste Experimente mit reinem Tritium sollen Isotopeneffekte im Plasmaverhalten untersuchen, bevor dann in einem halben Jahr die dritte und letzte Deuterium-Tritium-Kampagne starten kann.
An der Fusionsanlage ASDEX Upgrade wurde eine quasikontinuierliche Leistungsabfuhr als wandschonende Methode in Tokamaks entwickelt. Dabei lenkt ein das Plasma einschließende Magnetfeld die Randschicht des Plasmas auf robuste gekühlte Divertorplatten am Boden des Plasmagefäßes. In großen Anlagen wie dem ITER würden diese den sich immer wieder bildenden Edge Localized Modes (ELMs), durch Störungen im Plasmaeinschluss hervorgerufene periodische Auswürfe von Plasmateilchen und -energien, nicht standhalten. Eine über das Magnetfeld geschickt eingestellte Plasmaform kann zusammen mit dem Einblasen von Wasserstoff für eine genügend hohe Teilchendichte am Plasmarand sorgen und eine Entwicklung von ELMs verhindern. Statt dessen kommt es zu kleinen Teilausbrüchen, die die Leistung quasikontinuierlich aus dem Plasma auf die Divertorplatten lenken.
Mitte des Jahres wurde der offizielle Beginn des Zusammenbaus des weltweit größten Tokamak-Fusionsexperiments ITER im südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache gefeiert. Innerhalb der nächsten fünf Jahren werden die mehr als zehn Millionen Einzelteile des Tokamak-Reaktors zusammensetzt, bevor dann Ende 2025 erstmals ein Plasma erzeugt und untersucht werden kann. Ein zehnjähriger Wechsel von Experimentier- und Umbauphasen soll sich anschließen, damit die Fusion als alternative Energiequelle ab Mitte des Jahrhunderts zur Verfügung stehen wird.
Auch die weltweit größte Stellerator-Anlage erfährt kontinuierliche Verbesserung: Wendelstein 7-X erhält eine wassergekühlte Gefäßverkleidung. Die neuen wassergekühlten Divertor-Platten sollen bei den späteren Hochleistungsexperimenten einer Belastung bis zu zehn Megawatt pro Quadratmeter standhalten – ähnlich dem Space-Shuttle beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Nach Abschluss der Umrüstungsarbeiten kann der Plasmabetrieb dann Ende 2021 wieder starten.
In diesem Jahr haben Forscher die freien Elektronen im Plasma als ultimatives Reduktionsmittel endeckt: eine Argon-Plasmaentladung ersetzt alternative Verfahren mit chemischen Reduktionsmitteln und eröffnet neue Möglichkeiten für Deposition von Nichtedelmetallen wie Eisen, Kobalt und Nickel in CVD-Verfahren. Insbesondere die Herstellung elektronischer Geräte profitiert von neuem Verfahren zur Abscheidung dünner Metallfilme.
Neuartige Barriereschichten setzen neue Impulse in der Wasserstofftechnologie. Die mittels plasmaphysikalischer Verfahren abgeschiedenen Schichten sollen das Eindringen von Wasserstoff in die Oberflächen von kostengünstigen hochfesten Stahloberflächen verhindern und preiswertere Systeme für mobile und stationäre Anwendungen von Wasserstoff ermöglichen.
Eine mit Stickstoff dotierte Graphenstruktur zeigt halbleitende Eigenschaften und wird mit einer spezifisch einstellbaren Leitfähigkeit interessant für elektronische Anwendungen. Darüber hinaus wird aufgrund des Stickstoffanteils mit außergewöhnlichen magnetischen Eigenschaften der löchrigen Graphenbänder gerechnet. Das könnte das neuartige Material später auch für einen Einsatz in Quantenrechnern prädestinieren.
Ein neues Depositionsverfahren erleichtert die Fertigung von Dünnschichtsolarzellen und sorgt durch Ko-Verdampfung von Cäsiumiodid und Bleiiodid dafür, dass Perowskit-Zellen stabiler werden. Dabei lassen sich wichtige optoelektronische Materialeigenschaften empfindlich über das Verhältnis zwischen Cäsium und Blei einstellen.
Erschwingliche Wasserstoff-Autos mit der Reichweite eines Diesels rücken in Reichweite, indem eine kostengünstige Beschichtung aus Graphit die herkömmliche Goldschicht auf Bipolarplatten ersetzt. Diese Kernkomponenten von Brennstoffzellen können so deutlich preiswerter produziert werden.
Auf dem Weg zu Miniaturisierung ist der Ionenstrahl schon seit mehreren Jahrzehnten wichtigstes strukturgebendes Werkzeug. Dabei funktioniert manches – obwohl im Detail nicht verstanden – recht gut, ein tieferes Verständnis der Vorgänge auf atomarer Ebene erleichtert allerdings Weiter- und Neuentwicklungen. Im Fall der für die Datenspeicherung höchst relevanten Grenzflächenbildung zwischen magnetischen und nichtmagnetischen Schichten liegen neue Erkenntnisse zur Umwandlung von nichtmagnetischem Kobaltoxid in ferromagnetisches Kobalt durch Ionenbeschuss vor. Anders als bisher angenommen ist für diesen Vorgang keine chemische Umwandlung des Sauerstoffs verantwortlich. Vielmehr werden die Sauerstoffatome rein physikalisch durch Ionenstöße von ihren Plätzen in tiefere Schichten oder unbestrahlte Randregionen des Kobaltoxids gedrängt. Mit diesem Wissen können nun dreidimensional horizontale und vertikale Strukturen hergestellt werden, die das magnetische Moment des Kobalts in bestimmte Richtungen zwingen oder blockieren – eine Grundvoraussetzung für eine ganz neue Computergeneration mit neuromorpher Hardware.
Vakuum inspiriert
Im Vorangegangenen war natürlich nie vom Vakuum selbst die Rede, sondern von der Technologie, die den Experimenten und Entwicklungen den für sie erforderlichen Unterdruck bereitstellt – und aus Kostengründen auch kein Millibar weniger. Um den immer noch recht vollen Raum als Vakuum bezeichnen zu können, reicht es gemäß DIN 28400 Teil 1 (Mai 1990) aus, dass in ihm Druckverhältnisse herrschen, die unter denen liegen, die auf dem höchsten Punkt der Erdoberfläche vorgefunden werden. Mit 300 Millibar wird man dieser Forderung unabhängig von der Wetterlage auf dem Mount Everest in jedem Fall gerecht – was immerhin noch 1019 Teilchen pro Kubikzentimeter entspricht, und selbst im Ultrahochvakuum der Beschleunigerrohre tummeln sich bei 10-10 mbar immer noch rund eine Million Teilchen in einem Kubikzentimeter.
An der Vorstellung des tatsächlich leeren Raums haben sich in den vergangenen rund zweieinhalbtausend Jahren etliche große Geister gerieben. Richtig interessant ist es allerdings, seit quantenmechanische Vorstellungen von Vakuumfluktuationen unser Weltbild erweitert haben. Aus dem Nichts entstehen virtuellen Teilchen und verschwinden wieder, bevor man sie beobachten kann.
Eine neue Methode soll den schwierigen Nachweis der Vakuumfluktuationen bringen: In einer speziellen Halbleiterstruktur koppeln Elektronen ungeahnt stark an das Lichtfeld kleiner Antennen im Terahertz-Spektralbereich. Es entsteht ein extrem starker Austausch von Energie zwischen Licht- und Materiefeldern, der dazu führt, dass virtuelle Photonen in dieser Struktur besonders dominant auftreten. Die Reaktion des Systems auf ein durch blitzschnelles Ausschalten des Lichtresonators verändertes Quantenvakuum konnte bereits gezeigt werden. Die beim Ausschalten des exotischen Zustandes gemäß der Theorie freiwerden virtuellen Photonen sollen nun direkt nachgewiesen werden.
Zum Schluss kehren wir zurück zum schnellen Reisen und dem als Unruh-Effekt bekannten Phänomen, dass für einen stark beschleunigten Beobachter die Erwärmung des Vakuums – genauer: die Wahrnehmung des Vakuums als ein mit Teilchen gefülltes Wärmebad – postuliert. Für dieses eng mit der Hawking-Strahlung verwandte Phänomen sind ebenfalls virtuelle Teilchen verantwortlich; sein experimenteller Nachweis scheiterte bislang an der Unmöglichkeit, ein Messgerät in kürzester Zeit auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen zu können. In einer neu vorgeschlagenen interferometrischen Versuchsanordnung soll der beschleunigte Detektor jedoch aus einem lokalisierten Laserstrahl in Wechselwirkung mit einem scheibenförmigen Bose-Einstein-Kondensat (BEC) bestehen. Die effektive Lichtgeschwindigkeit ist im BEC um zwölf Größenordnungen herabgesetzt und ein mit 0,16 Millimeter in der Sekunde auf eine Kreisbahn bewegter senkrecht auf das BEC gerichteter Laserstrahl sollte Störungen hervorrufen, die denen der Vakuumfluktuationen analog sind und eine Unruh-Temperatur von etwa 60 Pikokelvin erzeugen würden. Immer noch knifflig zu messen, aber für einige Tüftler hoffentlich ein guter Ansatz und eine Herausforderung für die kommenden Jahre.
Lisa Kleinen
Hinweis: Der Absatz über beschleunigergestützte Tumortherapie wurde am 4.1.2021 ergänzt.
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