17.01.2008

Das «Pi» im Jahr der Mathematik

Eine Skulptur der Kreiszahl Pi steht für ein Konzept, mit dem der Mathematikprofessor Ehrhard Behrends das «Jahr der Mathematik» bereichern will.

Das «Pi» im Jahr der Mathematik

Berlin (dpa) - Das Pi ruht im Büro des Berliner Mathematikprofessors Ehrhard Behrends auf der Fensterbank. Er hat es in seinem Hobbykeller ausgesägt und in hellgraue Stofffolie eingeschlagen. Hüfthoch ist sein Pi, ein sinnlich geschwungenes Kreiszahl-Symbol. Es steht für ein Konzept, mit dem der engagierte Wissenschaftler das «Jahr der Mathematik» bereichern will, das am 23. Januar in Berlin eröffnet wird. Mathematik, das ist für Behrends keine Welt der staubtrockenen Zahlen und Formeln. Für ihn ist es eine Wissenschaft für die Sinne, die im besten Fall Glücksgefühle auslöst.

Behrends weiß, dass seine Faszination für Mathematik befremden kann. Als er auf seiner gut besuchten Internetseite einmal die Kolumne «Warum ich Mathematik hasse» einrichtete, bekam er mehr Zuschriften als auf jede Knobelaufgabe. Die Motivation für seine Mission hat das nur noch verstärkt: Behrends will die Vorzüge seines Fachs populärer machen. Im Jahr der Mathematik gipfelt sein Ehrgeiz Anfang November in einer großen Ausstellung im Berliner Technikmuseum. Mathematik und Kunst, Mathematik und Musik, Mathematik für Kinder - die Schau soll zeigen, wie lebensnah und lebendig diese Wissenschaft sein kann. «Mathematik ist fast überall», sagt der Professor. Sie stecke hinter Kennwörtern beim Datenaustausch, in der Grafik auf dem Computerbildschirm und selbst im U-Bahn-Fahrplan.

Eine Einführung in die Mission «Liebe zur Mathematik» gibt es in Behrends Büro an der Freien Universität. Dort hat der 61-Jährige begeisterte Programmierer am Computer komplexe Gleichungen in bunte Farbformen umgesetzt, die an Gesteinsschichten oder Tapeten aus den 70er Jahren erinnern. So mache Mathe keine Angst. Der Professor zaubert auch dreidimensionale Grafiken hervor, die das Auge täuschen wie ein Bild des niederländischen Malers Maurits Cornelis Escher. «Das Auge lässt sich reinlegen», sagt der Professor dann. Ein Mathematiker nicht. Er rechnet nach: Stimmt das oder nicht?

Es ist eine zentrale Frage, die auch Behrends immer wieder umtreibt, ihn tagelang versinken lässt in ein mathematisches Problem, selbst noch beim Essen oder im Kino. «Für Ehepartner ist das nicht so toll», gibt er unumwunden zu. Mathematik, das sei für ihn wie eine Übersetzung in eine andere, universelle Sprache, in der sich eine Frage präziser formulieren und leichter lösen lässt. «Wenn ich in Paris nach dem Weg frage, hilft mir Französisch ja auch am besten weiter», sagt er zur Erklärung.

Behrends zweite große Liebe gilt der Musik. Sie ist für ihn Mathematik zum Hören. «Tonleitern haben eine mathematische Grundlage», betont er. Der Professor spielt Klavier, Querflöte, Saxofon und Gitarre. Sein Hang zur Präzision lässt sich erahnen. «Ich habe heute Morgen von acht bis zehn nach acht Querflöte gepielt, eine kleine Händel-Sonate in g-Moll», sagt er.

Zu seinen Steckenpferden am Mathematischen Institut der Freien Universität gehört die Wahrscheinlichkeitsrechnung bis hin zum Glücksspiel. «Mich fasziniert die Idee von einer Beherrschung des Zufalls», sagt er. Als Lohn für seine Mühe winke einem Mathematiker im besten Fall das «wunderbare Glücksgefühl», eine glasklare Lösung gefunden zu haben, berichtet Behrends. Zum ersten Mal hat er dieses Gefühl bei der Konstruktion von Dreiecken in der achten Klasse gespürt. Es hat ihn nicht wieder losgelassen.

Ein Problem aber bleibt - und das heißt Schule. Viel zu sehr würden sich Lehrer und Schüler im Formalen und Abstrakten verlieren, kritisiert der Professor. Das sei, als ob man einen Klavierschüler immer wieder die Tonleiter in cis-Moll üben lasse - aber nie Beethovens Mondscheinsonate. Dabei sei Mathematik ein Teil der Kultur, eine Sprache, die seit den alten Griechen doch nur auf Anwendungen warte.

Es ist die Vielfalt seines Fachs, für die Behrends im Jahr der Mathematik werben will. Seine gebastelte Kreiszahl hat er auf seiner Mission gern dabei. Es gab sogar schon Betrachter, die das Behrendsche Pi ehrfürchtig für ein Werk des Verpackungskünstlers Christo hielten.

Ulrike von Leszczynski, dpa

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