25.08.2023

Der Entdecker der Mikrowelt

Vor 300 Jahren starb Antoni van Leeuwenhoek, der Pionier der Mikroskopie.

Der niederländische Tuchmacher Antoni van Leeuwenhoek erforschte als Erster die Welt der Mikrooganismen. Mit selbstgebauten Mikroskopen und ausgeklügelten Experimenten beobachtete er das wimmelnde Leben in einem Wassertropfen, entdeckte die Spermazellen und beschrieb die roten Blutkörperchen. Von den über 500 „Ein-Linsen-Mikroskopen“, die er Zeit seines Lebens herstellte, sind heute noch neun erhalten.

Antoni van Leeuwenhoek war Autodidakt. 1632 als Sohn eines wohlhabenden Delfter Korbmachers geboren, ging er als 16-Jähriger zu einem Amsterdamer Tuchmacher in die Lehre. 1654 kehrte er nach Delft zurück, heiratete und eröffnete ein eigenes Geschäft. Als einer der angesehen Delfter Kaufleute übernahm er ab 1660 Ämter in der Stadtverwaltung; zuerst als Kammerwärter der Schöffen im Rathaus, dann als Landvermesser (1669) und Wein-Eichmeister (1679). Beim Tod des Malers Jan Vermeer 1676 wurde er dessen Testamentsvollstrecker.

Wie van Leeuwenhoek zum Mikroskopieren kam, ist nicht überliefert. Die Tuchmacher verwendeten damals schon Lupen, um die Struktur des Gewebes beurteilen zu können. Und höchstwahrscheinlich hatte van Leeuwenhoek bei seiner Reise nach London im Jahr 1667 oder 1668 eine Ausgabe von Robert Hookes „Micrographia“ gesehen, die dort allgemein bekannt und beliebt war.

Das Ein-Linsen-Mikroskop war zu dieser Zeit in Europa weit verbreitet. Antoni van Leeuwenhoek begann vermutlich ab 1671, eigene Mikroskope herzustellen. Und das mit weitaus größerem Erfolg als seine Zeitgenossen. Das beste, heute noch erhaltene Utrechter Mikroskop erreicht eine 500-fache Vergrößerung, was auch im Vergleich mit heutigen Lichtmikroskopen mit einer maximal tausendfachen Vergrößerung beachtlich ist. Diese Mikroskope verschafftem ihm Zutritt zu einer Welt, die genauso reich an Lebewesen war wie der Regenwald oder ein Korallenriff.

Das Kernstück des Mikroskops war eine wenige Millimeter große Linse, die zwischen zwei Metallplatten gehalten wurde. Die Probe wurde auf einer Nadel hinter dem Loch fixiert. Ihren Abstand zur Linse konnte man mithilfe einer Schraube verstellen. Für flüssige Proben gab es eine Halterung für Glasröhrchen. Van Leeuwenhoek ließ seine Proben von hinten mit Sonnenlicht durchleuchten. Er entwickelte großes Geschick bei der Herstellung der Gewebeschnitte, wie ein Fund seines Probenmaterials in den 1980er Jahren bestätigte. Die Schnitte lagen zwischen den Originalbriefen van Leeuwenhoeks in der Royal Society, der er im Laufe seines Lebens 200 Briefe schickte.

Antoni van Leeuwenhoek hat die Herstellung seiner außergewöhnlich guten Linsen streng geheim gehalten. Historiker vermuten aber, dass er alle drei damals üblichen Methoden in einem hohen Maß an Perfektion verwendete:

  1. Ein dünner Glasfaden wurde in eine Flamme gehalten und an dessen Ende entstand ein Kügelchen, das zu einer bikonkaven Linse geschliffen wurde.
  2. Es wurde eine kleine Glaskugel geblasen. Sie enthielt eine kompakte „Warze“ in Form einer Linse.
  3. Die Linse wurde aus einem Glasstück geschliffen.

„Ich leide unter viel Widerspruch und höre oft, dass ich nur Märchen über die kleinen Tiere erzähle“, beklagte sich van Leeuwenhoek 1680 in einem Brief an Robert Hooke. Zu dieser Zeit lag seine wichtigste Entdeckung der Mikroorganismen im Wasser (1674) schon sechs Jahre zurück. Er hatte beobachtet, dass das Wasser eines nahe gelegenen Sees im Sommer trübe wurde und daraufhin eine Wasserprobe untersucht. Ein Jahr zuvor hatte er auf Vermittlung des Chirurgen Renerus de Graaf (Entdecker des Eizell-Follikels) und des Staatsmannes Constantijn Huygens (Vater des Astronomen Christian Huygens) seine Korrespondenz mit der Royal Society aufgenommen. Diese hatte van Leeuwenhoeks Mitteilung über die Tierchen im Wasser (vermutlich die Blaualge Anabaena, Protozoen und Rädertierchen) auf Englisch übersetzt und in ihren „Transactions“ veröffentlicht.

Skeptisch waren die Herren in London, als der Niederländer 1676 über „Aufguß-Tierchen“ berichtete, die er in einem Sud von Pfefferkörnern in Wasser beobachtet hatte. Den Zeichnungen nach zu urteilen, handelte es sich um Protozoen (Einzeller mit Zellkern), Glockentierchen (Vorticellae) aus der Familie der Wimperntierchen und Bakterien. Das Experiment konnte erst nach einigen Fehlschlägen von Robert Hooke reproduziert werden. „Ohne Hookes Unterstützung und Überprüfung - eine Aufgabe, die mehrere der besten Mikroskopiker der Zeit, darunter Grew, nicht bewältigen konnten - hätte Leeuwenhoek leicht als Scharlatan abgetan werden können“, schreibt der britische Biochemiker Nick Lane. Dank Hookes beeindruckenden Demonstrationen und der Unterstützung des Schirmherrn der Royal Society, König Karl II, wurde Antoni van Leeuwenhook 1680 zum Fellow der Royal Society gewählt. Und die Aufguß-Tierchen wurden als internationale Sensation gefeiert.

Van Leeuwenhoeks Neugierde richtete sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf den eigenen Körper. Etwa zeitgleich mit den Mikroorganismen im Wasser begann er, sein Sperma zu untersuchen, publizierte die Ergebnisse aber aus Schamgefühl nicht. Ein Anlass ergab sich erst 1677, als der Leidener Medizinstudent Johan Ham ihm die Samen-Probe mit eines an Gonorrhoe (Tripper) erkrankten Patienten brachte. Ham hatte darin lebende Tierchen mit Schwanz gesehen, die nach 24 Stunden abgestorben seien. Van Leeuwenhoek nahm darauf seine eigenen Untersuchungen wieder auf und konnte die Beobachtung bestätigen. Die Mitteilung über die Entdeckung der Spermatozoen berichtete er im November 1677 an die Royal Society.

Mit seiner Entdeckung stellte Antoni van Leeuwenhoek den damals vorherrschend „Ovismus“ („Alles Leben kommt aus dem Ei“) infrage, was ihm heftigen Widerspruch einbrachte. Er behauptete stattdessen, dass der Mensch aus einem Tierchen im männlichen Sperma entsteht („Animalkulismus“). In den folgenden Jahren untersuchte er die Geschlechtsorgane von Insekten und die Lebenszyklen von Würmern, Käfern, Motten, Flöhen, Läusen und Fliegen. Auch hier fand er Samentierchen, was ihn zur Ablehnung der Urzeugungstheorie veranlasste. Allerdings gestand er 1699 auch ein, in den männlichen Spermien keine Vorläufer des Menschen gefunden zu haben.

Leeuwenhoek untersuchte den eigenen Zahnbelag und entdeckte darin zahlreiche Mikroorganismen. Er schrieb, dass „nicht so viele Menschen in diesem Lande leben, wie ich lebende Tiere in meinem Mund trage.“ Zwar stellte der Niederländer generell noch keine Verbindung zwischen Mikroorganismen und Krankheiten dar, aber er machte die mikroskopischen Lebewesen im Zahnbelag für die Zahnfäule verantwortlich und empfahl Spülungen mit Essigwasser.
Im Blut aus seiner Hand entdeckte van Leeuwenhoek die roten Blutkörperchen, die der Italiener Marcello Malpighi ein paar Jahre zuvor schon gesehen, aber für Fettkügelchen gehalten hatte. Van Leeuwenhoek beschrieb sie ausführlich in Größe und Gestalt und wies den Blutfluss in den Kapillargefäßen nach.

In den letzten Dekaden seines Lebens wurde van Leeuwenhoeks Labor und Werkstatt zu einer Attraktion für europäische Monarchen und Wissenschaftler. 1698 ließ sich Zar Peter der Große von ihm die Wunderwelt der Mikroorganismen zeigen. Der britische Wilhelm III von Oranien, der gleichzeitig Statthalter der Niederlande war, besuchte ihn mit seiner Frau Maria II, ebenso wie Gottfried Wilhelm Leibniz.

„Meine Arbeit, die ich seit langem ausübe, habe ich nicht getan, um das Lob zu bekommen, das ich jetzt genieße, sondern vor allem aus einem Verlangen nach Wissen, das, wie ich feststelle, in mir steckt - mehr als in den meisten anderen Menschen“, schrieb der 84-Jährige Mikroskopiker 1716. Er starb am 26. August 1723 im Alter von 90 Jahren in seiner Heimatstadt Delft. Er überlebt seine beiden Ehefrauen und vier seiner fünf Kinder. Seine Tochter Maria war unverheiratet und blieb bei ihrem Vater.

Anne Hardy
 

Weitere Infos

Weitere Beiträge

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen