03.11.2022

Deutscher Umweltsatellit EnMAP startet Routinebetrieb

Mission stellt hyperspektrale Daten für viele Anwendungsgebiete kostenfrei zur Verfügung.

Seit seinem Start vor sieben Monaten hat der deutsche Umwelt­satellit EnMAP – Environ­mental Mapping and Analysis Program – fleißig Daten gesammelt. Mehr als 11,4 Millionen Quadrat­kilometer unserer Erdoberfläche hat er aus circa 650 Kilometern Entfernung mit seinen 242 Spektral­kanälen aufgenommen - eine Fläche größer als Europa. Doch diese Daten wurden noch nicht für die Wissenschaft erhoben. Sie wurden gebraucht, um das Hyper­spectral Imager (HSI) Instrument optimal für den wissen­schaftlichen Betrieb einzustellen und die Qualität der Daten zu überprüfen.

Abb.: Ein­bli­cke in die Geo­lo­gie des größ­ten Ero­si­ons­kra­ters...
Abb.: Ein­bli­cke in die Geo­lo­gie des größ­ten Ero­si­ons­kra­ters der Welt in der Negev-Wüste. (Bild: EnMAP Commissioning Phase data 2022 DLR / Remote Sensing Lab., Tel Aviv U.)

„EnMAP hat uns bereits in seiner Kommissionierungs­phase erstklassige Aufnahmen von heraus­ragender Qualität von unserem Planeten geliefert. Wir freuen uns, dass wir diese Testphase im Oktober erfolgreich abschließen konnten und nun in den Routine­betrieb starten. Wir dürfen schon sehr darauf gespannt sein, welche neuen, spannenden Erkennt­nisse die Wissenschaft in den kommenden Dekaden aus EnMAP-Daten für den Schutz unseres Planeten gewinnen wird. Denn sie können zum Beispiel dazu beitragen, die Erträge in der Landwirtschaft nachhaltig zu verbessern und damit die Ernährungs­sicherheit bei einer steigenden Welt­bevölkerung sicher­zustellen“, sagt Walther Pelzer, DLR-Vorstands­mitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, die die EnMAP-Mission im Auftrag des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) führt.

Während der Kommis­sionierung mussten die verschiedenen Komponenten des EnMAP-Satelliten sowie das HSI-Instrument verschiedene Tests durchlaufen. In dieser heiklen Phase konnte das Deutsche Raumfahrt­kontrollzentrum in Ober­pfaffenhofen (GSOC) durch seine langjährige Erfahrung zum erfolgreichen Verlauf der Kommis­sionierung beitragen und wird auch weiterhin für den Betrieb und rund um die Uhr für die Sicherheit des Satelliten im All zur Verfügung stehen. Empfangen werden die EnMAP-Daten vom Deutschen Fernerkundungs­datenzentrum (DFD) und dem Institut für Methodik der Fernerkundung in Ober­pfaffenhofen, die auch alle Bilder im Rahmen der Kommissionierungs­phase kalibriert, auf die Eigenschaften des Instrumentes im Orbit optimiert und gemeinsam mit dem Geoforschungs­zentrum Potsdam (GFZ) die Datenqualität so stetig verbessert haben. Denn die Daten, die der Satellit zur Erde schickt, sind für den Nutzer nicht direkt verwendbar. Nur wenn sie weiterverarbeitet, also kalibriert, mit Lage- und Positions­bestimmungen versehen sowie die Einflüsse der Atmosphäre korrigiert werden, können die Nutzer am Ende quantitative und qualitative Aussagen aus den Produkten ziehen.

Ab sofort können Forschende weltweit ihre Anfragen beim DLR einreichen. Auf archi­vierte Daten kann unmittelbar kostenfrei zugegriffen werden. Ein Konsortium unter Leitung der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und des GFZ prüft die Beobachtungs­anträge, die aus den Bereichen Einflüsse des Klimawandels, Veränderungen der Landbedeckung und Oberflächen­prozesse, Biodiversität und Ökosystem, Zugang zu Wasser und Wasserqualität, natürliche Ressourcen sowie Katastrophen­management kommen können. Auch für die „International Charter Space and Major Disasters“ zur kurzfristigen Notfall­unterstützung im Katastrophen­fall wird EnMAP auf Anfrage wichtige Daten liefern und so die Rettungskräfte weltweit unterstützen. Besonders wichtig erachtet die Deutsche Raumfahrt­agentur im DLR die langfristige Überwachung von Umwelt­veränderungen. Daher wird diesem Themen­komplex ab Start der Routinephase der Mission Priorität bei der Auswahl zukünftiger Beobachtungen eingeräumt.

Mit EnMAP eröffnen sich auch neue Möglich­keiten für die Präzisions­landwirtschaft und das landwirt­schaftliche Monitoring. Denn seine spektral hochaufgelösten Daten enthalten wichtige Informationen über den Zustand und die Gesundheit von Nutzpflanzen. Am 28. Juli 2022 machte EnMAP bereits während der Kommissionierungs­phase eine Aufnahme vom nördlichen Raum Münchens. Unter der Verwendung von effizienten Algorithmen und modernen Techniken des maschinellen Lernens konnten Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler des ;Departments für Geographie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) erstmalig bio­physikalische und biochemische Pflanzen­eigenschaften großflächig quanti­fizieren und kartieren. Durch eine wachsende Welt­bevölkerung und gleichzeitig starke Umwelteinflüsse der Landwirtschaft, zum Beispiel die Emission klimawirksamer Gase betreffend, steigt die Nachfrage nach landwirt­schaftlicher Produktion. Vor diesem Hintergrund können die neuen Informationen in landwirt­schaftlichen Management­systemen genutzt werden, um die Ressourcen­effizienz und die Nach­haltigkeit der erfor­derlichen Ertrags­optimierung zu unterstützen.

Die Produktion fossiler Brennstoffe ist für große Teile der menschen­gemachten Methan­emissionen verantwortlich. Sie treten häufig als Methanfahnen auf, die von punktförmigen Quellen ausgestoßen werden. Diese relativ kleinen Oberflächen­elemente setzen verhältnismäßig große Gasmengen frei und hinterlassen damit eine verräterische Spur in der Atmosphäre. Erkennt man diese Spur schnell, dann kann man die Ursache rasch entfernen und damit die Konzentration von Treibhaus­gasen in der Atmosphäre bedeutend verringern. Mit weltraum­gestützten, bildgebenden Spektrometern wie EnMAP lassen sich diese Methanemissionen am besten weltweit und flächendeckend überwachen. Das Potenzial der deutschen Umwelt­mission zur Kartierung dieser Methanfahnen wurde durch erste Messungen in der Kommissionierungs­phase bereits bestätigt. Bei diesen Aufnahmen wurden Öl- und Gasförder­becken im südlichen Teil Turkmenistans von EnMAP am 6. Oktober 2022 erfasst. Gleich mehrere aktive Methan-Punktquellen in dieser Region haben Forscherinnen und Forscher vom Research Institute of Water and Environmental Engineering (IIAMA) der Universitat Politècnica de València anhand abgeleiteter EnMAP-Karten zur Erhöhung der Methan­konzentration entdeckt.

In der israelischen Wüste Negev liegt der größte, durch natürliche Erosion entstandene Krater der Welt – das Makhtesh-Ramon-Basin. In den letzten 220 Millionen Jahren hat sich das weichere Gestein wie beispiels­weise Sandstein aus den Flächen härterer Sorten wie Kalkstein und Dolomit heraus­gewaschen, weggeschwemmt und einen einzigartigen Krater geschaffen. Dieser Nationalpark, der zu den trockensten Gegenden auf unserem Planeten gehört, ist ein Sammelbecken für Fossilien, urzeitliche Vulkankegel, Magma­spalten und -kammern sowie versteinerte Korallenriffe - aber vor allem für Mineralien, die in größter Vielfalt und Fülle dort im Gestein einlagern. Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler interessieren sich besonders für diese geologische Einheiten einschließlich Sandstein, eisenoxid­reiche Gesteine, Gips, Kalkstein, Dolomit, Tonminerale - wie das Schicht­silikat Kaolinit - und bereits tief in der Erde abgekühlte, kristalline Gesteins­einheiten. Mit dem bloßen Auge sind der Sandstein und die an die Oberfläche gewanderten, plutonisch kristallinen Gesteinseinheiten zwar sichtbar. Doch was verbirgt sich darunter? Welche Mengen an Gestein und Mineralien lagern dort im Felsen? Und wie sind diese Einheiten verteilt? Diesen Fragen ist EnMAP zusammen mit Forschenden des Remote Sensing Laboratory der Universität Tel-Aviv auf den Grund gegangen.

Deren Daten aus der Kommissionierungs­phase des Satelliten, die vom DLR-Bodensegment prozessiert, bereitgestellt und mit dem GFZ zusammen aufbereitet wurden, geben einen guten Vorgeschmack auf die hohe Qualität der Daten, die wir während der Betriebs­phase erwarten können. Die Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler konnten sehr genau zwischen verschiedenen Gesteins­arten – zum Beispiel Dolomit oder Kalkstein – und Mineralien wie Tone und Sulfate sowie Variationen innerhalb von Mineralarten aus einem Streifen von vierzig mal sieben Kilometern unterscheiden und sich ein gutes Bild von der Menge und Verteilung der kartierten Einheiten im Vergleich zu flugzeug- und boden­gestützten Daten machen.

Als größtes Trinkwasser­reservoir Europas spendet der Bodensee Millionen von Menschen Trinkwasser. Doch in den Monaten Juli und August 2022 erreichte der See einen traurigen Tiefststand: Bedingt durch eine lange Trockenheit in Zeiten des Klimawandels wurde am 9. August 2022 ein sehr niedriger Wasserstand von nur 3,05 Metern in Konstanz gemeldet – nur vier Zentimeter über dem saisonalen Rekord. Die Folge: Je flacher das Wasser, desto schneller erwärmt es sich. Daraufhin wurden an einigen Stellen Sedimente an die Wasser­oberfläche gespült und es bildeten sich grüne Algenteppiche in riesigem Ausmaß. Diese Teppiche wachsen besonders schnell, wo es viele Nährstoffe gibt und das Wasser warm ist. Um einen Überblick über das exzessive Algenwachstum zu bekommen, hat EnMAP am 1. August 2022 in der Kommissionierungs­phase den Bodensee und seine Chlorophyll-a-Konzentration aus dem All unter die Lupe genommen. Die vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) ausgewerteten Daten dieses wichtigen Pflanzen­farbstoffs geben Aufschluss über die Photosynthese und damit über das Wachstum der Algen. Die satelliten­gestützten Datensätze zur Verbreitung und Produktivität verschiedener Phytoplankton­gruppen sind äußerst wertvoll für die Überwachung der Wasserqualität von Binnen­gewässern und deren Nutzung als Wasser- und Nahrungsquelle sowie als Naherholungs­gebiet.

DLR / JOL

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