13.03.2020

Die große Charm-Tau-Fabrik

Europäisch-russische Kollaboration entwickelt Anlage zur Produktion von Charm-Quarks und Tau-Leptonen.

Die Arbeitsgruppe von Michael Düren am II. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Budker-Institut für Kernphysik der sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk zusammen. Im Rahmen des EU-Projekts CREMLIN-PLUS (Connecting Russian and European Measures for Large-scale Research Infrastructures) zur Stärkung der europäisch-russischen Zusammen­arbeit im Bereich der Spitzen­forschung erhält die Gießener Arbeitsgruppe von der Europäischen Kommission eine Förderung von 250.000 Euro. Das Teilprojekt dient dazu, diese Kooperation zu intensivieren. Es sieht vor, beim Bau einer in Sibirien geplanten Anlage die Gießener Expertise im Bereich der Identifikation subatomarer Teilchen einzubringen. 
 

Abb.: Die Koordinatoren der Arbeits­gruppe 5 des CREMLIN-PLUS-Projekts (Bild:...
Abb.: Die Koordinatoren der Arbeits­gruppe 5 des CREMLIN-PLUS-Projekts (Bild: V. S. Vorobev)

Der Kick-off-Workshop des Projekts CREMLIN-PLUS zur Förderung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit europäischer und russischer Forschungs­zentren hat kürzlich in Hamburg am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY, Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft, stattgefunden. Hier wurden erste Schritte zur organisatorischen Struktur und Arbeitsteilung für eine engere Zusammenarbeit festgelegt.

Das CREMLINplus-Konsortium vereint 35 Partner, zehn davon aus Russland und 25 aus der EU sowie assoziierten Ländern. Das vom DESY koordinierte EU-Projekt bekommt insgesamt über die gesamte Laufzeit von vier Jahren ein Budget von 25 Millionen Euro. „Ein politisches Hauptziel des internationalen Großprojekts ist es, dass die russischen Groß­forschungs­infra­strukturen ein transparentes Forschungs­management bekommen und zielorientiert sowohl von russischen wie von europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestaltet und genutzt werden können“, erläutert Düren. Dabei gehe es unter anderem auch um Open Access zu den Forschungsergebnissen und -daten. 

Das Gießener Team unter der Federführung von Düren arbeitet im Workpackage 5 „Development and Design of a Particle Identification System for the SCT detector“ mit. Mit SCT ist die „Super Charm Tau Fabrik“ gemeint. Diese geplante neuartige Anlage soll in Sibirien gebaut werden und subatomare Teilchen, Charm-Quarks und Tau-Leptonen, in einer bisher nicht dagewesenen Anzahl produzieren. Im Rahmen dieser internationalen Zusammenarbeit zum Studium dieser Teilchen erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler ein tieferes Verständnis zu grundlegenden Kräften und Symmetrien des Universums. Im Fokus steht unter anderem die Frage, wie sich die elementaren Teilchen und Anti-Teilchen in unserer Welt verhielten, wenn sie in der Zeit rückwärts fliegen würden und warum beim Urknall in der Welt mehr Materie als Antimaterie entstanden ist.

Zur Unterscheidung der verschiedenen Teilchensorten, die in der Charm-Tau-Fabrik entstehen werden, entwickeln die beiden Gruppen aus Gießen und Novosibirsk neuartige Tscherenkov-Detektoren. Hierbei kommt ihnen ihre langjährige Erfahrung mit Tscherenkov-Detektoren zugute, die sie im Rahmen des PANDA-Experiments an FAIR in Darmstadt entwickelt haben. PANDA befindet sich zurzeit in der Bauphase und hat viele Gemeinsamkeiten mit dem SCT Experiment. Beide Experimente studieren Teilchen, die Charm-Quarks enthalten, wobei jedes dieser beiden Experimente verschiedene Stärken und Schwächen hat, so dass sie sich später gegenseitig ergänzen werden.

U. Gießen / DE
 

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